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nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 45
52. Jahrgang | Oktober
Dossier:
Markenprodukt Musik
Kultur-Markt
Noch vor einigen Jahren verpönt – heute Zauberwort und
Allheilmittel? Der Begriff des Marketing hat in den letzten Jahren
Eingang in die Non-Profit-Kultur gefunden. Doch Kultur-Marketing
unterscheidet sich notwendigerweise von einem Marketing, wie wir
es aus Wirtschafts-Unternehmen kennen. Nicht zufällig galt
es lange Jahre hindurch als anrüchig, hehre Kunst in Verbindung
mit der schnöden Idee der Vermarktung zu bringen.
Dabei wurde und wird die Vorstellung von dem, was Marketing ist,
häufig mit Werbung, allerhöchstens noch Öffentlichkeitsarbeit
gleichgesetzt. Marketing aber ist vielschichtig, bedeutet –
im kommerziellen Betrieb – ein alle Unternehmensbereiche einschließendes
Denken und Handeln, das sich allein am Kunden-Bedürfnis und
Kunden-Nutzen orientiert und den Unternehmensinhalt danach ausrichtet.
Dass diese Art des Denkens in vielen Kulturbetrieben (noch) nicht
angekommen ist, ist sicher gut so. Das „Dilemma“ des
Kultur-Marketing liegt gerade im Bedürfnis der „Produzenten“,
sich nicht allein an den Wünschen eines Mehrheits-Publikums
auszurichten. Vielmehr zählt das „Produkt an sich“.
Im Extremfall schafft ein Künstler ein Werk, ohne auch nur
an einen einzigen Abnehmer zu denken. Lyriker können in diese
Spezies gehören, bildende Künstler, natürlich auch
Komponisten. Wer will es ihnen verdenken? Und doch: Kultur, die
nicht rezipiert wird, verliert einen Teil ihrer Daseinsberechtigung:
Ausdruck einer Gemeinschaft für eine Gemeinschaft zu sein –
ohne freilich sich dem Geschmack der Massen zu unterwerfen. In diesem
Spannungsfeld befinden sich Non-Profit-Kultur-Vermarkter. Sie sollen
das Produkt möglichst unverändert auf den Markt bringen;
die Frage, ob es einen Markt für das Produkt überhaupt
gibt, hat – im schlimmsten Fall – vorher niemand gestellt.
Dass ein kreativer und erfolgreicher Umgang mit diesem Spannungsfeld
möglich ist, zeigen Beispiele in unserem Dossier: Das Festival
„Young Euro Classic“ denkt den „Kunden“
von Anfang an mit, ohne künstlerische Abstriche zu machen;
Kreativität ist auch und gerade bei der Vermarktung einer Stadttheater-„Zauberflöte“
nötig und möglich.
Anders stellt sich das Marketing im kommerziellen Kultur-Betrieb
dar. Wer in Deutschland oder anderswo ein Musical produziert, betrachtet
zu allererst den Markt: Was kommt an? Wo toppen Zuschauerzahlen?
Erst danach wird das Produkt entwickelt (oder eingekauft). Wer Platten,
Noten oder Künstler verkauft, denkt vor Produktionsbeginn über
Ab- und Umsatz nach. Auch in diesen vielschichtigen Themenbereich
kann unser Dossier nur erste Einblicke vermitteln. Und im Herzen
bewahren wir uns die geheime Hoffnung, dass auch der Kultur-Produzent
und -Vermarkter, der damit Gewinn machen will, noch ein bisschen
„anders“ ist: Dass er die Kunst nicht nur vermarktet,
weil sie Geld bringt, sondern weil er sie liebt…