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Ausgabe 2003/06
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nmz 2003/10 | Seite 45-46
52. Jahrgang | Oktober
Dossier:
Markenprodukt Musik

Kultur auf dem Sprung in die Pole Position

Modernes Marketing sieht in Konzertereignissen mehr als Produkte · Von W. Liedtke und R. Sedlak

„Operation Pole-Position – Die Herausforderung annehmen“. So lautete vor wenigen Monaten der Slogan einer Kampagne für ein in der Informationstechnologie tätiges Unternehmen. In den Broschüren der Firma wurde das Unternehmen – ein Anbieter von technisch hoch entwickelten individuellen Datenbanklösungen – mit dem Hersteller eines High Tech-Formel 1-Boliden verglichen. Ist es vorstellbar, mit derselben Analogie auch Marketing für ein Kulturfestival zu machen und die „Pole Position“ für ein Kulturereignis einzufordern? Oder macht zumindest die Übertragung der dahinter stehenden Methodik auf den Kultursektor Sinn? Durchaus, denn es ist auch für Kulturinstitutionen von überlebenswichtiger Bedeutung, den Dialog mit ihrem Markt erfolgreich zu führen.

Die Recherchen rund um das eingangs erwähnte IT-Produkt haben ergeben, dass mit Symbolik und Sprache aus der Motorsportwelt rasch Verständnis und Vertrauen im Markt erzielt werden konnte. Die Vertriebsmitarbeiter nutzten die Analogie für ihre Argumentation bei der Akquisition neuer Kunden. Ein kulturelles Ereignis ist jedoch kein „Produkt“ im herkömmlichen Sinn. Es ist liegt auch überhaupt noch nicht fertig vor, wenn der der Konzertbesucher es konsumiert: Im Gegensatz zu einer Tube Zahnpasta, die ja nicht erst vor den Augen des Käufers mit der Zahncreme gefüllt wird, entsteht ein Konzert erst im Moment der Aufführung. Ein Konzert ist deswegen auch im Marketing anders zu behandeln. Darüber hinaus sollte man im Kulturmarketing generell vorsichtig mit Symbolik wie der „Pole Position“ im Motorsport umgehen. Kulturelle Produkte sind ja selbst bereits oft stark symbolisch besetzt. Das muss das Marketing nicht unbedingt noch verstärken, sondern es sollte mit differenzierteren kommunikativen Mitteln arbeiten.

Das sensible Produkt Kultur

Das Instrumentarium des Marketing konzentriert sich im Wesentlichen auf die Bereiche Produktpolitik, Preispolitik, Distributionspolitik, Kommunikationspolitik und Servicepolitik. Das sind die „Schräubchen“, an denen das Marketing „drehen“ kann. Die meisten Kontroversen ranken sich bei Kulturereignissen um den Kernbereich, also um die Produktpolitik. Wenn die Produktentwicklungsabteilung eines Pharmakonzerns feststellt, dass grüne Zahnpasta schlechte Verkaufswerte erzielt, dann versucht sie es vielleicht mal mit lila-weiß gepunkteter, sofern die Marktforschungsabteilung dazu rät. Im Kultursektor hingegen fordern künstlerische Leiter, Intendanten oder Kuratoren oft, dass das künstlerische Produkt in keiner Weise zur Disposition gestellt werden darf. Punktum und meist zu Recht. Doch wenn sie beispielsweise ein Festivalprogramm unter bewusstem Ausschluss der Marketingmitarbeiter formulieren und diese nur noch mit dem fertigen Plan konfrontieren, wird wichtiges Potenzial verschenkt.

Dabei wird nicht bedacht, dass es neben dem künstlerischen Kernprodukt (Konzert, szenische Aufführung, Ausstellung…) auch einen Nebennutzen (soziale Komponente, Synergieeffekte mit anderen Veranstaltungen…) gibt. Gutes Kulturmarketing kann schon in der Planungsphase ganz praktische Hinweise geben, um Fehlschläge und Enttäuschungen vorab zu vermeiden.

Übertriebene Erwartungen

Auf der einen Seite wird das Marketing oft nicht früh genug integriert, auf der anderen Seite sieht es sich mit extrem überzogenen Erwartungen konfrontiert: beispielsweise in der dem Marketing zuzuordnenden Pressearbeit. Dort können die Ansprüche oft nicht mit den realen Bedingungen eines Projekts in Einklang gebracht werden. Da wird vom PR-Verantwortlichen verlangt, dass über ein Projekt in der „Zeit“, in der „FAZ“, im „Stern“ und dann auch gleich noch in der „Financial Times“ berichtet werden soll, ohne dass zuvor überlegt wird, wodurch man denn die Aufmerksamkeit der Journalisten auf sich lenken kann. Schließlich wollen ja Tausende andere ebenfalls in diese Medien hinein. Beginnt der Dialog zwischen der künstlerischen Leitung und den Verantwortlichen im Marketing jedoch früh, kann das dabei helfen, spannende Alleinstellungsmerkmale zu definieren. Diese kann das Marketing auch kommunizieren und erzielt im Idealfall dadurch einen messbar höheren Publikumszuspruch und ein quantitativ und qualitativ besseres Medienecho.

Auf gleicher Augenhöhe

Bei der Einbeziehung des Marketings in die Programmplanung geht es nicht darum, dem Marketing einen Freibrief auszustellen, künstlerische Konzepte willkürlich zu torpedieren, indem sie für „nicht markttauglich“ erklärt werden. Doch Kultur findet nicht im luftleeren Raum statt. Wenn es intern – etwa in einem städtischen Theater, in einer Festivalorganisation, bei einem Konzertsaalmanagement – keine Berührungsängste zwischen Marketing- und Programmverantwortlichen gibt, profitiert das Gesamtprodukt enorm. Das heißt nicht nur, dass die Marketingverantwortlichen die künstlerische Kompetenz der Programmverantwortlichen anerkennen: Dieser Respekt muss auch umgekehrt gelten. Wenn es darüber hinaus sogar gelingt, Künstler davon zu überzeugen, in einen Dialog mit der Öffentlichkeit und potenziellen Sponsoren zu treten, und sie bis zu einem gewissen Grad auch mit ihrer Person für ein Projekt einstehen und sie auch noch mit den Medien darüber reden, ist das ein wünschenswerter Nebeneeffekt. Das muss nicht immer das Galadiner der Sponsoren mit dem Star nach Ende des Events sein: Man kann diesen Kontakt auch anders organisieren.

Kooperationen wagen

Als Geschäftsführer von KölnTourismus steht Josef Sommer an der Schnittstelle zwischen Tourismusmarketing und Kultur: „In einer Stadt wie Köln ist es besonders wichtig, dass sich die Verantwortlichen der einzelnen Institutionen zusammentun, um Menschen zu motivieren, auch von weiter her in die Stadt zu kommen.“ Die „Deutsche Zentrale der Tourismus“ hat 2004 das „Musikland Deutschland“ zum zentralen Slogan erklärt. Regional heruntergebrochen präsentiert sich auch Köln 2004 als „Musikstadt“ mit einer überregionalen Kampagne. „Früher war Köln zu Ostern ein klassisches Ziel für Städtereisen. Das ist nach und nach weggebrochen“, berichtet er. Für ein österliches Festival mit geistlicher Musik, das 2003 in Köln erstmals unter dem Titel „Feste musicali“ stattfand, warb er unter anderem auf der ITB in Berlin und auf der Internetseite von Germanwings, die Billigflüge beispielsweise von Rom nach Köln/Bonn anbietet. „Das war im ersten Jahr jedoch noch nicht sehr erfolgreich“, gesteht er zu. So manche Hotelbetten und Sitzplätze in den Konzerten blieben leer. Doch er wird die Osterkonzerte auch 2004 wieder im Rahmen des Gesamtmottos „Musikstadt Köln“ mit bewerben – im Zusammenspiel mit allen anderen Kooperationspartnern. Seine Erfahrung teilen andere: Es ist ungeheuer schwer, ein neues kulturelles Ereignis zu etablieren. Gelingt es dem Marketing jedoch, ein nachhaltig positives Image für eine Institution zu prägen, werden auch sperrige Produktionen eine größere Chance beim Publikum haben. Wenn es darum geht, der Institution eine klare Identität zu geben, kann das Marketing wertvolle Unterstützung leisten. „Das Publikum kommt nicht mehr von alleine“, resümiert Sommer, „und wer sich als Kulturveranstalter nicht intensiv ums Marketing kümmert, der wird in Zukunft große Schwierigkeiten haben.“

Desaster im Vorfeld vermeiden

Das Marketing ist ein wichtiger Dialogpartner, wenn es darum geht, einzelne künstlerische Projekte als Teil des Ganzen zu kommunizieren. So können etwa Anregungen zur Auswahl eines Titels oder eines Claims für ein Festival oder für einzelne Programmschienen aus dem Marketing kommen. Werden diese Worte/Wortkombinationen zu positiv besetzten Markennamen, profitieren die künstlerischen Produktionen in jeden Fall davon. Die Wahl des passenden Aufführungsortes und -datums für ein kulturelles Ereignis können die Rahmenbedingungen für das Marketing ebenfalls enorm erleichtern.

Es gibt voraussehbare Desaster: Die Aufführung einer fünfstündigen Wagner-Oper werktags ab 16 Uhr, oder einstündige kompakte Programme an Orten, wo das Publikum ein zweieinhalbstündiges Ereignis mit Pause erwarte, oder eine Open-Air-Opernaufführung ohne 1a-Soundsystem. Solche Ereignisse muss das Marketing eigentlich verhindern. Und wenn ein Projekt auch einmal nicht zustande kommt, weil das Marketing nun wirklich keine Chance sieht, ein Projekt nach außen so darzustellen, dass es eine Chance auf Erfolg hat, dann ist das vielleicht auch nicht in jedem Fall zu verurteilen.

Maßnahmen bündeln

Christiane Linnartz leitet die Öffentlichkeitsarbeit der „MusikTriennale“ 2004 in Köln: „Ich wurde schon frühzeitig bei der Entwicklung des Gesamtprogramms hinzugezogen“, berichtet sie. Bei der MusikTriennale hatte das Marketing einen spürbaren Einfluss auf die äußeren Rahmenbedingungen der Konzerte: auf Ort, Zeit und Preisgestaltung. „Und wir haben die Konzerte in vier Programmschienen aufgeteilt.

Dafür gibt es eine Gesamtpräsentation, zum Beispiel im Folder zur Triennale und im großen Programmbuch, aber auch durchaus einzelne Marketingmaßnahmen.“ So seien die Kunden für die Reihe mit 25 Konzerten rund um Luigi Nono sehr zielgenau auch über Direktmarketingmaßnahmen erreichbar. Da werden Flyer und Folder verteilt und auf dem Weg der Gefälligkeit über andere Institutionen (beispielsweise Opernhäuser) vertrieben, die ebenfalls Musik von Luigi Nono spielen oder gespielt haben. Christiane Linnartz schnürt Konzertpakete: „Wenn man an einem Abend ein Sinfoniekonzert mit spanischer Musik hören kann, dann ist es doch fein, wenn am folgenden Tag noch ein Kammerkonzert folgt, das ebenfalls spanische Musik bringt.“ Dadurch hofft Sie, richtige „Festivalgäste“ zu gewinnen, die dann nicht nur für ein Konzert anreisen, sondern übernachten und für mehrere Konzerte bleiben. Und die können dann mit einer Festival-Card für 25 Euro, die wie eine Bahncard funktioniert, 20 Prozent bei jedem Kartenkauf sparen. Bei den Marketingmaßnahmen für die „MusikTriennale“ 2004 setzt Linnartz jedoch nicht nur auf einen „Kanal“: ihre Erfahrung. „Die Menschen müssen mehrfach davon gehört haben, damit sie auch wirklich zum Festival kommen. Ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen ist nötig, um das zu erreichen.“ Darum sind ihr Kooperationspartner so besonders wichtig, deren Publikum motiviert werden kann, Konzerte der MusikTriennale zu besuchen.

Glaubhaft und authetisch

Kulturmarketing kann entscheidend helfen, das passende Umfeld für gute kulturelle Produkte zu schaffen. Was es in der Regel nicht schaffen kann, ist, inhaltlich und konzeptuell unausgegorene Projekte durch freche Sprüche und bunte Bilder zu retten. Wichtig ist es, dass das Marketing zu jeder Zeit glaubhaft und authentisch wirkt, also dem künstlerischen Ereignis angemessen. Solche Konzepte kann man nur in enger Abstimmung mit den Programmplanern entwickeln. Dann entstehen stimmige Konzepte, die auch vom Publikum akzeptiert werden. Der Formel 1-Bolide als Metapher wird jedenfalls im Kulturmarketing zumeist in der Box bleiben.

Walter Liedtke ist Geschäftsführer, Robert Sedlak Projektleiter bei der Kölner Medienagentur pressto.

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