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nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 10
52. Jahrgang | Oktober
Kulturpolitik
Signal in Berlin: Aufbruch in die Pause
Anmerkungen zum Kongress „Musik bewegt!?“ des Deutschen
Musikrates
Es begann mit einem Paukenschlag: Der Bundespräsident spricht
auf einem Kongress des „neuen“ Deutschen Musikrates.
Allein diese Tatsache schien eine Reihe von Spitzenfunktionären
der deutschen Musikverbände nach Berlin gelockt zu haben. Nach
langen Monaten quälender Existenzangst endlich wieder ein positives
Ereignis, ein Neubeginn, eine fast euphorische Stimmung von Innovation
und Aufbruch. Das wurde auch durch den aus dem Logo des Landesmusikrates
Schleswig-Holstein entlehnten Titel „Musik bewegt!?“
suggeriert, wobei man allerdings den roten Punkt durch ein schwarzes
Ausrufe- und ein Fragezeichen ersetzt hatte. Warum? War man sich
seiner Sache doch nicht so sicher wie die Nordlichter?
Der große Moment wurde nur durch einen harmlos-quirligen
Auftritt der „Coolen Streicher“ aus Hamburg und die
ehrfurchtsvollen Worte des neuen Präsidenten des DMR Martin
Maria Krüger hinausgezögert. Dann betrat Bundespräsident
Johannes Rau die Bühne und adelte mit seinem Grußwort
die Stunde Null des Aufbruchs. Dass das Staatsoberhaupt, leutselig
plaudernd, mehr generelles Wohlwollen für die Sache als konkrete
Problemlösungen signalisierte, überraschte niemanden wirklich.
Bescherte doch allein seine Anwesenheit dem Kongress ein Gewicht
und eine Aufmerksamkeit, die man lange vermisst hatte. So wurde
der Bundespräsident denn auch mit frenetischem Beifall verabschiedet,
als er sich nach seinem Beitrag zurückzog.
Blick in eines der Kongress-Panels:
„Kulturelle Identität als Voraussetzung für
den interkulturellen Dialog“ hieß das Thema.
(v.l.n.r.) Moderator Theo Geißler und den Podiumsteilnehmern
Hans-Herwig Geyer (GEMA), Hartmut Höller (Musikhochschule
Rostock), Martin Roth (Staatliche Kunstsammlungen Dresden);
Udo Dahmen (Popakademie Mannheim, Deutscher Musikrat) und
(nicht im Bild) Max Fuchs (Deutscher Kulturrat, Akademie
Remscheid). Foto: A. Kolb
Die ersten inhaltlichen Signale für den Aufbruch erwartete
das Publikum dann vom folgenden Podium, auf dem sich die geballte
pädagogische und kulturpolitische Erfahrung der letzten 40
Jahre versammelt hatte. Sehr ausführliche und zum Teil auch
interessante Berichte aller Podiumsteilnehmer ließen jedoch
zunächst wenig Bewegung aufkommen. Auch die nachfolgende Diskussion
verlief mangels angesprochenen Konfliktpotenzials eher unspektakulär.
Die kämpferischsten Äußerungen kamen noch von Gerd
Albrecht, der massiv eine stärkere Unterstützung der Musikschaffenden
durch die öffentliche Hand einklagte. Es stellt sich die Frage,
ob ein jugendlicher Advokatus Diaboli der arrivierten Runde nicht
gut getan hätte. Ein Platz wäre ja nach der Absage von
Klaus Meine freigewesen und bei den „coolen Streichern“
gab es einige pfiffige Gesichter, die das Podium sicher belebt hätten.
Die Hoffnung auf die nachmittäglichen Panels und ein ansprechendes
Mittagsbuffet ließen erste dunkle Stimmungsschleier schnell
wieder verschwinden. Den Mitarbeitern des DMR sei an dieser Stelle
noch einmal für die Organisation dieses Kongresses gedankt,
dessen reibungsloser Ablauf sich sehen lassen konnte! Dann der Nachmittag!
Erfolgt jetzt der inhaltliche Aufbruch, sprudeln jetzt die innovativen
Ideen? Der Verfasser dieser Zeilen begibt sich erwartungsvoll in
das Panel 2 „Kann man Musik vermitteln?“.
Es folgen wieder lange Statements und Berichte über die erfolgreiche
eigene Arbeit. Auch die Einbeziehung des Publikums bringt wenig
Bewegung, jeder scheint primär seinen spezifischen Problemen
nachzuhängen – Das Publikum wird unruhiger, verzweifelte
Blicke, immer mehr Leute verlassen den Raum. Es wird klar, dass
es nicht ausreicht, qualifizierte Personen einfach an einen Tisch
zu setzen, es fehlt jegliche Strategie, Resultate gleich Null. Kommentar
einer Zuhörerin: „Es ist doch wieder alles wie früher.“
Die folgenden Zusammenfassungen von den anderen Panels rauben den
Zuhörern leider auch die Illusion, dass der Effizienzgrad dort
wesentlich höher gewesen wäre. Im Foyer haben sich mittlerweile
eifrig diskutierende Kleingruppen gebildet. Zum Schluss begründet
Christian Höppner den viel zu umfangreichen und nichtssagenden
„Berliner Appell“ Wie gewohnt eloquent, wunderbar anzuhören,
sehr politisch, ohne Konsequenz. Das war’s dann. Ein routinierter
Kongressbesucher erklärt mir väterlich: „Ist doch
gar nicht so schlimm, das Wichtigste an einer solchen Veranstaltung
sind doch sowieso die Pausen!“ Stimmt! Auch ich habe in Berlin
viele interessante Leute getroffen und tolle Gespräche geführt.
So gesehen war der Kongress vielleicht doch ein Erfolg...