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nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 6
52. Jahrgang | Oktober
Musikwirtschaft
Enge Verzahnung mit Marketing und Werbung
Selbstmanagement-Serie Teil 2: Public Relations
Musikindustrielle sind nahe am Wasser gebaut. Spontan steigen
ihnen Tränen in die Augen, wenn man an glorreiche Momente
erfolgreicher Public Relation und damit verbundene Absatzrekorde
erinnert. Obwohl Erfolgsstorys auch in Klassik, Oper oder Jazz
geschrieben werden, begründet keine andere Band der Welt
die unwahrscheinliche Geschichte ihres Erfolgs auf Öffentlichkeitsarbeit
mehr als die Rolling Stones. Manager Andrew Loog Oldham –
Künstlername (!) „ALO“ – geht nicht nur
als Vater des Pop-Skandals in die Geschichte ein. Schlagzeilen
wie „Würden Sie Ihre Tochter mit einem Rolling Stone
ausgehen lassen?“ erheben den damals 19-Jährigen zum
genialen Architekten eines Musikzeitalters. Inszenierte Öffentlichkeit
im kleinen und großen Maßstab steht im Fokus des zweiten
Teils der nmz-Serie „Selbstmanagement für Musiker“.
Das englische Wort Public Relations enthält im Gegensatz zum
deutschen Äquivalent Öffentlichkeitsarbeit keine negativ
besetzte Verbindung („Arbeit“), sondern erzählt
zunächst und vor allem von der Pflege unserer Kontakte. Im
Unterschied zur Werbung bezieht sich Public Relations auf mehr als
ein einzelnes Produkt oder eine spezielle Dienstleistung. PR ist
der Imagepflege verpflichtet – das Unternehmen oder der Künstler
repräsentiert seine Geschichte, seine Zukunftspläne, seine
Leistungen und sein gesamtes Engagement mit Hilfe von PR-Agenten.
Wer sich professionelle Hilfe nicht leisten kann, muss sich sein
Image selbst stylen und die Bereiche Marketing, Medienarbeit und
Werbung als gleichberechtigte Partner mit unterschiedlichen Stoßrichtungen
unterscheiden lernen.
Marketing ist ein extrem weites Tätigkeitsfeld und bezeichnet
alle Maßnahmen, die den Absatz fördern. Typische Marketing-Maßnahmen
sind unterschiedliche Preissegmente für die Audio-CD (zum Beispiel
„Nice Price“). Medienarbeit nutzt Radio, TV und so weiter
als Verbindungskanäle zur Öffentlichkeit. Die Rubrik „Abgehört“
im Magazin Spiegel genießt beispielsweise eine hohe Glaubwürdigkeit.
Werbung ist Teil des Marketings und verfolgt kurzfristige Ziele
und will Kaufimpulse wecken. Public Relations ist mit Marketing,
Medienarbeit und Werbung eng verzahnt, darf allerdings gewisse ethische
Grundsätze nicht aus den Augen verlieren. Falsche Informationen
gefährden die eigene Glaubwürdigkeit.
Public Relations erfüllt unterschiedliche Aufgaben. Große
Unternehmen und Vereine (zum Beispiel GEMA) unterliegen einer Veröffentlichungspflicht.
Am Ende eines Geschäftsjahres dokumentieren sie ihre Aktivitäten.
Eine weitere PR-Aufgabe ist die Erklärung komplexer Sachverhalte,
etwa wenn EMI 50 Millionen Euro Abfindung an Maria Carey nach einer
freiwilligen Vertragsauflösung zahlt. Meist allerdings beschäftigt
sich PR mit Motivation. PR-Agenten suchen deshalb nach geeigneten
und beeinflussbaren Zielgruppen.
Wird ein Festival realisiert, beginnt die Finanzplanung meist
Jahre vor dem ersten Engagement mit Sponsorenpflege. Unternehmen
(1) sind auf Grund klarer Strukturen eine leicht erfassbare Zielgruppe.
Informelle Gruppen (2), deren Gemeinsamkeiten ausschließlich
eine lose Verbindung ergeben, können immerhin noch über
Multiplikatoren angesprochen werden. HipHop-Mode wurde deshalb in
Deutschland über die Skater eingeführt. Soziale Gruppen
(3) wie die Jazzfans haben demgegenüber zwar gemeinsame Neigungen,
aber wenig Kommunikation untereinander (was man an der verschwindenden
Beteiligung an Internetforen ablesen kann). Sie sind die schwierigste
Gruppe für die PR. Das wichtigste Bindeglied zu sozialen Gruppen
sind heute die Medien (4), die als Spezialisten die Ansprache der
Teilgruppen übernehmen.
Eine Schallplattenfirma oder ein Künstler bereitet sich auf
die Zielgruppenansprache zunächst durch die Klärung seiner
Corporate Identity vor. Wir vergleichen unser Selbstbild mit dem
Fremdbild und fragen uns wer wir sind und wie wir wirken möchten.
Unser Erscheinungsbild wird nun gezielt durch unser Auftreten (Corporate
Design), Sprache (Wording) und Kommunikationsmaßnahmen in
die Öffentlichkeit getragen. Die Punk-Sensation Sex Pistols
wurde 1975 von Malcolm McLaren in dessen Boutique gecastet, wie
der Film „The Great Rock’n’Roll Swindle“
dokumentiert. Standesgemäß wurde der erste millionenschwere
Plattenvertrag umgeben von Kameras und mit Bierflasche in der Hand
auf einer Motorhaube unterzeichnet.
Die öffentliche Unterzeichnung eines Plattenvertrages ist
imagebildend und deshalb Bestandteil von PR. Jedem Ereignis dieser
Kategorie und allen anderen mehr oder weniger wichtigen Anlässen
gehen weitere wichtige PR-Maßnahmen voraus, insbesondere und
am häufigsten die Verbreitung von Informationen durch Infozettel.
Infozettel liegen zum Beispiel CD-Neuerscheinungen bei, Musikschulen
verteilen Infozettel vor dem Tag der Offenen Tür, die Musikindustrie
verschickt Infozettel zur Mobilisierung gegen oder für Gesetzesinitiativen
den Kopierschutz betreffend.
Bevor ein Infozettel erstellt wird, muss die Zielgruppe (Leserschaft)
bestimmt werden. Unterschiedliche Zielgruppen brauchen unterschiedliche
Infozettel. Ein freiberuflicher Musiklehrer wird unterschiedliche
Infozettel an Hochschulen und Kindergärten auslegen. Form (beispielsweise
Schriften, Bilder) und Inhalt (Angebote et cetera) müssen zu
den Zielgruppen, wie auch zur eigenen Identität passen und
das Corporate Image weiter verbreiten helfen.
Aufgabe Nummer 1 (Grundüberlegung zum Infozettel 2 mal 15
Minuten)
1.1. Welche wichtige Kommunikationsaufgabe gegenüber der
Öffentlichkeit (Kunden, Mitarbeitern, Verbände,...) liegt
bei Ihnen aktuell an? Benutzen Sie eine Kreativtechnik (Mind-Mapping,
Brainstorming oder Ähnliches), um Ihre persönlichen Kommunikationsziele
zu erfassen.
1.2. Wählen Sie die wichtigste Kommunikationsaufgabe aus Ihrem
Aufgabenpool aus.
1.3. Definieren Sie die Zielgruppe für die ausgewählte
Kommunikationsaufgabe. Benutzen Sie eine Kreativtechnik, um zu prüfen,
ob Ihre Kommunikationsaufgabe mehrere Zielgruppen betrifft.
Ein fantastisches Werkzeug zur Formulierung eines Infozettel bietet
die Formel AIDA. Sie funktioniert nach einem strengen und universell
anwendbaren Erfolgsprinzip. AIDA bedeutet
a) Attention: das Erzeugen von Aufmerksamkeit; b) Interest: das
Wecken von Interesse; c) Desire: die Erzeugung eines Wunsches; d)
Action: die Anleitung zu einer Handlung.
Angenommen Sie suchen für Ihren Musikalienhandel einen Verkäufer
für Klassik-Noten. Sie möchten eine entsprechende Stellenanzeige
in einem Fachmagazin wirkungsvoll zur Geltung bringen. Aufmerksamkeit
können Sie mit einer Schlagzeile oder einem sorgfältig
ausgewählten Bild erzeugen. Nun gilt es, mit einer entsprechenden
Tätigkeitsbeschreibung Interesse an der Position und an Ihrem
Unternehmen zu wecken. Versetzen Sie sich weiterhin in die Lage
des Bewerbers. Was wird den Wunsch beim Bewerber wecken, die Position
zu wechseln oder den angebotenen Job haben zu wollen? Fordern Sie
den Bewerber am Fuß der Anzeige auf, Kontakt aufzunehmen und
sich bei Ihnen zu bewerben. Aus betriebswirtschaftlichen und ethischen
Gründen sollten Sie bei allen Ihren Aussagen bei der Wahrheit
bleiben.
Aufgabe 2 (Ausformulierung des Infozettels, 45 Minuten)
a) Als Musiker kündigen Sie ein Konzert in Ihrer Stadt an.
Planen Sie die Vorlage einer stadtweiten Plakataktion; b) Als Schallplattenfirma
bewerben Sie per Fax die Besprechung einer neuen CD; c) Als Musiklehrer
kündigen Sie einen neuen Kurs in Form eines Flyers an.
2.1. Formulieren Sie den Text in vier Blöcken nach AIDA mit
jeweils zwei Sätzen pro Block.
2.2. Lassen Sie den Text von Freunden, Bekannten und Kollegen gegenlesen
und verbessern. Diskutieren Sie Anregungen jeglicher Art.
Es folgt der Feinschliff des Infozettels. Weil der erste optische
Eindruck entscheidet, stellen Sie zunächst Überlegungen
zu Schrifttyp, Schriftgröße und Illustration an. Auch
das Format beeinflusst den Erfolg Ihres Textes. Weniger ist mehr!
Grundsätzlich ist gute Lesbarkeit und klare Formatierung für
jede Informationsweitergabe förderlich.
Der Textstil des Infozettels hängt maßgeblich von der
Zielgruppe ab. Generell gilt es, die Dinge positiv zu benennen und
Wörter wie „nicht“ auszuschließen. Ein Flötenkurs
ist „günstig“ anstatt „nicht teuer“.
Erklären Sie geistig einem netten Bekannten Ihr Anliegen und
überarbeiten Sie die Ergebnisse mit sprachlicher Kreativität.
Schreiben Sie aktiv, ohne Fachjargon, in Hauptsätzen und mit
Fantasie (Reime, Slogans et cetera). Nennen Sie in jedem Fall starke
Nutzenargumente! Der Infozettel ist in diversen Variationen das
meistverbreitete PR-Mittel. Public Relations befasst sich darüber
hinaus mit Anzeigen und Werbekampagnen, Pressemitteilungen und Pressekonferenzen,
Internetseiten und Newslettern, Messen und Feiern, Krisenmanagement
und vielen wichtigen Aspekten mehr, die im Rahmen des Seminars „Selbstmanagement
für Musiker“ am 17./18. Januar 2004 mit der Geschäftsführerin
der Agentur Art D’Eco, Claudia Cornelsen, erörtert werden.
Weiterführende Informationen finden Sie auf der Internetseite
www.selbstmanagement-fuer-musiker.de.
Al Weckert
Literatur:
Claudia Cornelsen: Das 1x1 der PR, Haufe Verlag.
Claudia Cornelsen: Lila Kühe leben länger, Ueberreuter.
Werner Gaede: Abweichen von der Norm, Langen/Müller.
Günter Bentele u.a.: PR für Verbände und Organisationen,
Luchterhand.
Viola Falkenberg: Interviews meistern, F.A.Z.-Institut.
Dieter Herbst: Internet-PR, Cornelsen.