[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 20
52. Jahrgang | Oktober
Rezensionen
DVD-Audio weiter auf dem Vormarsch
Musik und Technik auf der Internationalen Funkausstellung 2003
Die Internationale Funkausstellung in Berlin 2003 war ein großer
Erfolg: Sie hatte mehr Besucher und führte offenbar auch zu
mehr Bestellungen als auf der letzten IFA, weil sie eindrucksvolle
Erzeugnisse allerneuester Technik zeigte wie Flachbildschirme, Festplattenrecorder
oder die drahtlose Elektronik-Vernetzung im ganzen Haus. Die Presse
schwelgte in Schlagzeilen wie „Digitale Meilensteine“
oder „Das Internet kommt ins Wohnzimmer“.
Fast übersehen wurde, dass die Ausstellung auch wieder die
Mehrkanal-Musikwiedergabe in einigen Vorführungen präsentierte,
wie dies im Frühjahr schon auf der HIGH END-Messe in Gravenbruch
bei Frankfurt mit großem Erfolg geschah.
Siegeszug der DVD
Was sich auf den letzten HIGH END-Messen und Funkausstellungen
zeigte (nmz 9/01, S. 20 und 10/01, S. 6), bestätigte sich erneut.
Die DVD läuft der CD endgültig den Rang ab. Die für
den ernsthaften Musikliebhaber lang als Optimum empfundene Dualität
von Fernseher hier und Stereo-Musik-Anlage dort, gefüttert
mit Musikkassetten, LPs oder CDs, wird immer mehr abgelöst
von der neuen Einheit, die mit DVD-Laufwerk plus Fernseher plus
Surround-Klang über sechs Lautsprecher Bild und Ton zusammenführt.
Die Einzelkomponenten werden immer aufwändiger und leistungsstärker,
aber in Abmessung und Design auch kundenfreundlicher. Und weil immer
mehr DVD-Video-Player verkauft werden, versucht die Musikbranche,
sich im Wettbewerb der Formate SACD versus DVD-Audio weiter zu profilieren
und technisch auf die vorhandenen Komponenten zurückzugreifen.
Die SACD-Anhänger werben blumenreich für ihre Mehrkanal-Technik,
bieten aber auf ihren Hybrid-Scheiben nur einen weiteren „Layer“
für die CD-Wiedergabe; auf DVD-Video-Playern laufen diese Scheiben
nicht und auch ihre Gesamtspielzeit liegt deutlich unter der einer
DVD-Audio. Dagegen gehen die DVD-Audio-Leute einen geschickteren
Weg: Sie statten ihre DVD-Audio nicht nur mit dem mehrkanaligen
DVD-Audio-Signal in 96 kHz und 24 Bit aus, sondern sie fügen
die Musik – für die einfachen DVD-Video-Player –
nochmals in Dolby-Digital-Qualität dazu, ebenfalls mehrkanalig;
DVD-Audio-Scheiben laufen also auf jedem DVD-Player und davon gibt
es weltweit mehr als 120 Millionen Stück. Doch das ist noch
nicht alles. Für die Freunde der stereophonen Wiedergabe enthalten
viele DVD-Audios das Stereosignal auch in dem hochauflösenden
Format von 192 kHz und 24 Bit; das entspricht einer Abtastrate von
4,6 MHz, also fast dem Doppelten dessen, was die SACD mit 2,8 MHz
zu leisten vermag.
Der Musikfreund braucht sich um technische Details und das Hin
und Her aber jetzt nicht mehr zu sorgen. Er weiß, dass er
für die Mehrkanalwiedergabe einen neuen Player braucht, dazu
einen neuen Verstärker – besser einen Receiver, der auch
das Radioempfangsteil enthält – sowie sechs Surround-Sound-Lautsprecher.
Unsicherheit darüber, welches der beiden Formate sich durchsetzen
wird – denn kein Player der einen Sorte verkraftet eine Scheibe
der anderen –, ließ ihn bisher meist mit einer Kaufentscheidung
zögern. Die Industrie hat inzwischen das Dilemma vorbildlich
gelöst: In diesem Jahr schon auf der HIGH END und mehr noch
jetzt auf der IFA führte sie etliche völlig neu und kompliziert
ausgestatteten Multiplayer oder Universalplayer vor, die alle Formate
gleich gut abspielen und auch „nach unten kompatibel“
sind, also auch CDs in hervorragender Qualität abspielen. Zu
solchen Alleskönnern gehören etwa von DENON die Geräte
DVD-2900, DVD-2200 oder DVD-1400, von PIONEER der DV 747 A oder
der DV 656 A, von MARANTZ der DV-8300, von ONKYO der DV SP 800,
von LEXICON der RT 10 und von YAMAHA der DVD S 2300. Die Preisskala
beginnt bei etwa 550 Euro, „Flaggschiffe“ sind sehr
teuer, aber zwischen 1.000 und 2.000 Euro gibt es schon Hochwertiges.
Das Angebot an Mehrkanal-Receivern ist umfangreich. Bei DENON etwa
gibt es die Geräte AVC-A11SR, AVR-3803, AVR 2803, AVR-1804
oder AVR-1604, alle mit mindestens sechs Kanalausgängen ausgestattet,
bei ONKYO den TX-SR 600, bei HARMAN-KADON den AVR 4550 und, den
AVR 5550; auch die anderen bekannten Marken – SONY, YAMAHA,
KENWOOD, MARANTZ – bieten für Preise zwischen 500 und
1.500 Euro sehr gute Qualität. Und Surround-Lautsprecher im
Sechser-Pack sind inzwischen auch sehr preiswert geworden.
Formatstreit überwunden
Der lange Streit der Formate scheint also bald endgültig
beigelegt zu sein. Wenn der Musikfreund sich heute von einem Audio-Fachmann
eine solche Alleskönner-Anlage installieren lässt, erwirbt
er eine Wiedergabetechnik, die ihm für lange Zeit einen neuen
Musikgenuss erlaubt, den er noch nicht kannte. Die Vorführungen
auf beiden Messen zeigten deutlich, dass die echte Mehrkanalaufnahme
– über solche neue Installationen wiedergegeben –
ein Hörerlebnis vermittelt, die das Live-Ereignis nicht nur
noch vollendeter wiedergibt, sondern manchmal sogar zu neuen Hörerfahrungen
führen kann.
DVD-Audio: neue Initiativen
Verschiedene DVD-Audio-Anhänger haben sich inzwischen zu
einer DVD-AUDIO-INITIATIVE zusammengeschlossen, nämlich die
Hardware-Firmen DENON, PANASONIC und PIONEER und die Musikprogramm-Anbieter
DIVOX, BMG ARIOLA, ENJA, FARAO, NAXOS und WARNER VISION GERMANY
(www.dvd-audio-initiative.de). Von der Schweiz geht eine weitere
erfolgversprechende Initiative aus (www.2plus2plus2.info), die systematisch
und Schritt für Schritt die „2+2+2“-Lautsprecher-Konfiguration
weltweit einzuführen plant. Vor kurzem entschloss sich auch
die Universal Music Group mit den Labels Deutsche Grammophon, Decca
und Philips, DVD-Audio-Aufnahmen zu veröffentlichen; die ersten
Silberscheiben sind bereits erschienen. Der Musikfreund kann also
mit einer raschen Zunahme des Titelangebotes rechnen.
Schon heute gibt es an Mehrkanalaufnahmen rund 650 als DVD-Audio
und auch auf SACD werden es immer mehr. Der Musikfreund fragt natürlich
jetzt, wieviel „echte“ Mehrkanal-DVDs es inzwischen
schon gibt – „echte“ deshalb, weil viele der „Großen“
ihren Musikvorrat, oft bereits mehrfach in Zweit- und Drittveröffentlichungen
und in immer neuem Kleid und neuen Zusammenstellungen ausgewertet,
erneut als „Mehrkanalaufnahme“ auf den Markt bringen
und damit den Eindruck erwecken, es handle sich um neu Aufgenommenes,
wo es doch nur um die technische Spreizung und Aufbereitung des
Vorhandenen gehen kann. Man mag das zwar als „neues Hörerlebnis“
empfinden, aber wenn man die für die neue Mehrkanalwiedergabe
bewusst von Anfang so hergestellte Aufnahme eines Musikstücks
im Raumklang hört, erkennt man den Unterschied schnell. Und
so reduziert sich die Zahl der „echten“ DVD-Silberscheiben
– ob SACD oder DVD-Audio – zunächst noch auf eine
wesentlich kleinere Zahl.
So gibt es Anlass zur Zuversicht: Denn weil die „Alleskönner“
beide Formate beherrschen, kann der Musikliebhaber aus dem steigenden
Angebot beider Formate wählen, was ihn interessiert, und das
Angebot vollständig nutzen.
Besseres Musikerlebnis
Was mich bei den Befürwortern der DVD-Audio-Technik besonders
beeindruckt, ist eine schier grenzenlose Begeisterung für das
musikalische Ergebnis. Ihnen allen geht es um Werktreue, um Klangbild,
um Vermittlung des Komponierten und dessen, was sich hinter und
zwischen dem Notierten versteckt, was sich nur hörend und fühlend
erleben lässt. Für sie ist Mehrkanaltechnik immer Mittel
zum Zweck, nie Selbstzweck: Es geht ihnen nicht um spektakuläre
Effekte, sondern um die Suche nach der Wahrheit einer musikalischen
Aussage.
Ebenfalls einen tiefen Eindruck hinterließ Thomas Hintze,
der im Demonstrationsraum der Canton-Lautsprecher aus allen Musiksparten
– von Bachs Matthäuspassion der neuen FARAO-Einspielung
über eine spektakuläre „Big Phat Band“ bis
zu elektronischer Musik, eigens für dieses neue Medium konzipiert
– Mehrkanal-Aufnahmen vorspielte und unermüdlich und
erfreulich kenntnisreich mehr über Musik sprach als über
Technik. Die DVD-Audio-Befürworter haben sich inzwischen unter
seiner Leitung zu einer DVD-Audio-Initiative zusammengeschlossen,
die gerade eine eigene Homepage (www.dvd-audio-initiative.de) gestaltet.
Aus diesem Zusammenschluss von Hardware-Firmen wie DENON, PANASONIC
und PIONEER und Musikprogramm-Anbietern wie Appassionato (mit dem
Label DIVOX), BMG ARIOLA, ENJA, FARAO, NAXOS und WARNER Vision Germany
wird durch gemeinsame Aktivitäten die DVD-Audio unterstützt.
Der Förderverein erhofft sich verstärkten Absatz von DVD-Audio-Aufnahmen.