[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 4
52. Jahrgang | November
Cluster
Verwöhnt
Ja, ja. Wir kennen das alle. Die Musiker sind Grillen, die lustig
hier sind, zwischen den Gräsern hüpfen und ihre Lieder
spielen ohne den Ernst der Lage zu sehen. Sie naschen hier und dort,
wissen die besten Plätze und lassen es sich gut sein. Solche
Gestalten passen nicht mehr in unsere karger gewordene Gesellschaft.
An diese Fabel mag auch Kulturministerin Christina Weiss gedacht
haben, als sie Mitte Oktober verlauten ließ:
„Der radikale Umbau unserer Kulturgesellschaft verlangt
auch von Musikern den Abschied von einer weltfremden Verwöhnlandschaft.
Privilegien und geldwerte Vorteile müssen abgebaut werden,
soll die Orchesterlandschaft eine Zukunft haben. Dies wird derzeit
bewusst ignoriert.“
Man wäre blauäugig, wenn man nicht zugeben würde,
dass es zu bedenkende Formen von fraglicher Privilegienausnutzung
unter Musikern durchaus gibt. Frau Weiss aber schüttet das
Kind mit dem Bade aus. (Genauso könnte sie Schülern androhen,
dass bei fortgesetzter latenter oder offener Faulheit die Schulen
geschlossen werden.) Ihr ist ein Fauxpas unterlaufen, der freilich
gut in die Gegenwart passt. Es wird populistisch beifallsheischend
gedroht gerade da, wo Ermutigung zu verantwortungsvollem Tun notwendig
wäre. Viele Musiker üben ihr Tun auf höchstem Niveau
oft unter schweren persönlichen Einschränkungen aus. Es
sind genau die, die von solchen Äußerungen am allerersten
betroffen sind. Nachdenken über Kultur, das ist ja wohl die
Aufgabe von Ministerin Weiss, muss anders und differenzierter aussehen.
Zum einfachen Draufschlagen gibt es ohnehin fähigere Leute.
Vielleicht fällt dann auch Frau Weiss einmal durch das radikale
Umbauloch zur Unkulturgesellschaft.