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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 51
52. Jahrgang | November
Dossier:
Klangwerkstatt
Zur Bedeutung der Saiten für die Gitarre
Erkenntnisse aus einem Saitentest und dem Gitarrenbauwettbewerb
der EGTA-D
Als Initiator und Juryvorsitzender der Gitarrenbauwettbewerbe
der deutschen EGTA bat mich kürzlich die Karl Höfner GmbH,
einen Saitentest durchzuführen. Ziel soll sein, für die
Gitarren der Manufaktur die optimalen Saitenbezüge zu ermitteln.
Nach entsprechenden Vorarbeiten – Erstellen eines Bewertungsbogens
und Planung des Testverlaufs stand dem eintägigen Test nichts
mehr im Weg. Erstmalig treffen sich daraufhin die drei Tester beim
Hersteller. Dadurch, dass die weiteren Prüfer ein Gitarrenbauer
und ein Saitenhersteller sind, eint die Testpersonen also kein vorher
abgeklärter „saitenphilosophischer“ Wertekanon!
Die Manufaktur hatte für den Test folgendermaßen vorgesorgt:
Aus einer preiswerten und einer teuren Gitarrenserie waren jeweils
sieben Instrumente ausgewählt worden, die in ihren akustischen
Eigenschaften weitgehend identisch erscheinen – dies soll
Voraussetzung dafür sein, dass alle beim Testen auftretenden
klanglichen Unterschiede der Instrumente auf die Saiten zurückgeführt
werden können. Ein paar Tage vor dem Test hatte man auf jede
der zweimal sieben Gitarren einen anderen von sieben verschiedenen
Saitensätzen aufgezogen. Verwendet wurden Nylon- und Carbon-Saiten
fünf unterschiedlicher Hersteller.
Qualitätsware: Nicht
nur auf den Glanz einer neuen Gitarrenaite kommt es an
Der Test erfolgt blind, so dass kein Tester beim Ausprobieren weiß,
mit welchen Saiten welches Herstellers er es zu tun hat. Pro Satz
Saiten beziehungsweise pro Gitarre sind 15 bis 20 Minuten Testzeit
vorgesehen, um den dreiseitigen Bewertungsbogen auszufüllen.
Am Ende der ersten Testreihe auf den preiswerten Instrumenten werden
die Saiten der klanglich besten und der schlechtesten Gitarre mitein-
ander vertauscht. Ein paar Stunden später, nachdem die Stimmung
hält, wird ausprobiert, ob der überdeutliche Qualitätsunterschied
nicht doch von den Instrumenten herrührt. Doch siehe da, der
ursprüngliche Eindruck verkehrt sich in sein Gegenteil: Die
Gitarre, die vorher richtig „gut“ geklungen hat, tönt
nun eindeutig „schlecht“ – und entsprechend umgekehrt.
Es sind also tatsächlich die Saiten, die den Unterschied ausmachen,
nicht die Gitarren!
Erstaunlich bei beiden Testserien ist folgendes: Die Bewertungen
der drei Tester erweisen sich bei beiden Testserien à sieben
Gitarren als nahezu deckungsgleich. Dies bedeutet für die veranstaltende
Gitarrenmanufaktur natürlich eine hohe Sicherheit, was die
künftige Saitenauswahl anbelangt. Vor allem aber spricht es
für die Signifikanz der Erkenntnisse, die aus dem Test zu gewinnen
sind.
Am auffälligsten tritt im Test zu Tage, dass eine Gitarre,
die mit schlechtesten Saiten bespannt ist, den Eindruck einer schwachen
und trägen Schülergitarre erzeugt. Dadurch wird das Spielen
recht reizlos. Mit besten Saiten bespannt, entwickelt das gleiche
Instrument dagegen in ungeahntem Ausmaß Kraft, Klarheit, Brillanz,
Beweglichkeit und animiert zum Spielen und klanglichen Ausreizen.
Das heißt: Die Saiten bewirken bei Gitarren einen in diesem
Ausmaß nicht für möglich gehaltenen Unterschied
in der Qualitätseinstufung des Klanges.
Außerdem hat der Test klar gezeigt, dass dünne Basssaiten
und Carbon-Diskantsaiten tendenziell die klanglich besseren Saiten
sind. Im Prinzip gilt: Je dünner die Saiten sind, desto lebendiger,
obertonreicher und kräftiger lassen sie die Gitarre erscheinen.
– Dies stimmt aber nur unter der Voraussetzung, dass das Instrument
nicht zu schwergängig für solche Saiten ist, und der Spieler
in der Lage ist, den größeren Obertonreichtum anschlagtechnisch
zu kontrollieren.
Letztlich zeigt der Test auch, dass der Gesamtklang, auf jeden
Fall aus der Übertragungsqualität der Gitarre und der
Qualität der verwendeten Saiten resultiert. Bei hoher Übertragungsqualität
bildet sich das von den Saiten gelieferte Klangmaterial deutlicher
ab, gute Saiteneigenschaften ebenso wie schlechte. Daher gilt folgende
Rela-tion: Je höher die Qualität einer Gitarre ist, desto
empfindsamer reagiert sie auf die Qualität der Saiten.
Dies hatte sich vor allem beim diesjährigen 6. Gitarrenbauwettbewerb
der EGTA-D gezeigt: Gerade Instrumente, die bei den akustischen
Tests der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt deutlich positiv
in Erscheinung getreten waren (dort geht es nur um die akustischen
Eigenschaften der Instrumente, nicht der Saiten), hinterließen
bei schlechter Saitenqualität im spielpraktischen Test einen
besonders negativen Eindruck.
Fazit
Nun ist es also empirisch bewiesen. Die Qualität der Saiten
trägt maßgeblich zum Klang eines Instrumentes bei. Es
rentiert sich daher auf jeden Fall, ein paar Euro mehr für
hochwertige Saiten auszugeben. Jetzt werden andere Saiten aufgezogen.