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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 28
52. Jahrgang | November
Deutscher
Tonkünstler Verband
Urheberrechtsschutz im digitalen Medienzeitalter
Vorträge und Diskussionen bei der 34. D-A-CH-Tagung in Bayern
Auf Schloss Offenberg bei Deggendorf (Niederbayern) fand vom 10.
bis 12. Oktober die 34. Deutsch-Österreichisch-Schweizerische
Studientagung (D-A-CH-Tagung) statt, womit die langjährige
Tradition musikalischer Zusammenarbeit zwischen der „Arbeitsgemeinschaft
der Musikerzieher Österreichs“ (AGMÖ), dem „Schweizerischen
Musikpädagogischen Verband“ (SMPV) und dem „Deutschen
Tonkünstlerverband“ (DTKV) erfolgreich fortgesetzt wurde.
Zentrales Thema der Tagung, bei der namhafte Experten der genannten
Länder referierten und Erfahrungen austauschten, war „Der
Urheberrechtsschutz im digitalen Medienzeitalter – Konsequenzen
für Komponisten, Interpreten und Musikpädagogen“.
Zielgruppen der Tagung waren Komponisten, Interpreten, Musikerzieher,
Musikverleger und Juristen, also Berufsgruppen, die immer wieder
mit Fragen nach dem Urheberrechtsschutz konfrontiert sind. Für
die einen geht es darum, die eigenen Rechte zu schützen, für
die anderen darum, fremde Rechte nicht zu verletzen, wobei die Thematik
dadurch verkompliziert wird, dass – verstärkt im digitalen
Internet-Zeitalter nicht nur nationale Fragen, sondern auch europäisches
und internationales Recht eine Rolle spielen.
Nach den Grußworten der jeweiligen Präsidenten, Hofrat
Dr. Wolf Peschl (AGMÖ) und Dr. Billeter (SMPV), des Vorsitzenden
des Landesverbandes Bayern und ehemaligen Musikreferenten im Bayerischen
Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, MR
a.D., Dr. Dirk Hewig und des Bürgermeisters Walter der zugehörigen
Gemeinde Offenberg befasste sich Prof. Dr. Inka Stampfl (DTKV) nach
ihren Grußworten in ihrem Einführungsvortrag mit der
Komplexität, dem Facettenreichtum und der Unerschöpflichkeit
der Thematik anhand ausgewählter Beispiele.
Den Reigen der Arbeitsreferate eröffnete der Bundestagsabgeordnete
Steffen Kampeter (CDU). In einer kurzen Einführung in die Geschichte
des Urheberrechtsschutzes informierte Kampeter über die Entstehung
und Anliegen der Gesetzesnovellen unter dem Thema „Die Bedeutung
des geistigen Eigentums im 21. Jahrhundert“. Im Anschluss
daran referierte Prof. Dr. Norbert Flechsig (Syndicus des SWR, Stuttgart)
über „Informationsfreiheit versus Urheberrecht –
Der Urheber im Spannungsfeld der Verwertung“. Die sehr detaillierten
Ausführungen bezogen sich auf sämtliche Paragraphen, die
für das neue Urheber- und Urhebervertragsrecht relevant sind.
Flechsig gab auch zu bedenken, dass das Gesetz zwar seit 13.09.2003
in Kraft sei, dass aber die Umsetzung noch viele Schwierigkeiten
bereite.
Sehr breit gefächert war die Themenvielfalt der folgenden
Tage: „Die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten im digitalen
Medienzeitalter. Das Beispiel GEMA“ (Dr. Jürgen Brandhorst
und Alexander Wolf, GEMA-Generaldirektion München) befasste
sich mit den seit 2001 bestehenden Online-Vergütungen. Im Vortrag
„Vom Wert der Kopie – oder: Wieviel Kultur braucht die
Kunst?“ (Justus Bernau, Schweizer Radio DRS) erlebten die
Teilnehmer philosophisch-ästhetische Ausführunpgen über
das Kunstwerk an sich, das heißt über den Wert einer
geistigen Schöpfung. Bernau entwickelte in seinem Vortrag drei
Stufen einer Werkschöpfung, nämlich als erste Stufe die
geistige Leistung eines Künstlers, als zweite Stufe die „Niederschrift“
beziehungsweise Original des Künstlers und als dritte Stufe
alle folgenden Ausgaben oder Veröffentlichungen in den verschiedensten
Formen. Zum Nachdenken regte auch Bernaus Theorie an, dass die verschiedenartigsten
Nutzungsinteressen der Kopien das eigentlich Kunstwerk teilweise
verdeckten. „Die Folgen der europäischen Urheberrechts-Richtlinie
für musikalische Nutzungen in der Schule“ (Dr. Gernot
Graninger, AKM Wien) versetzten die Teilnehmer in wahres Erstaunen:
Im Nachbarland Austria erlässt der Staat Gesetze, die den Lehrer
verpflichten, im Bereich des Schulunterrichts Urheberabgaben zu
zahlen, stellt für die Schulträger aber kein Budget zur
Verfügung, um diese Abgaben leisten zu können. „Urheberrecht
und Unordnung. MP3 und die digitale Revolution“ (Mag. Julia
Sokol, Wien) war wohl das provokativste Referat einer angehenden,
von Temperament sprühenden Anwältin: Nachdrücklich
forderte sie, dass ein Umdenken an der Zeit sei. Musik im Internet
solle frei sein für alle. Sie betrachtete die Problematik auch
aus der Sicht der Musikindustrie, die durch den Verlust der perfekten
Kontrolle ihre Machtposition schwinden sehe und damit den Musikmarkt
nicht mehr beherrschen könne. Trotz aller Freiheiten bei Tauschbörsen
und dergleichen müsse jedoch der Respekt vor dem geistigen
Eigentum des Künstlers gewahrt werden. Der Vortrag über
die „Probleme der Editoren und Benutzer von Urtextausgaben“
(Dr. Bernhard Billeter, Musikhochschule Zürich) machte deutlich,
dass die so genannte erste Stufe der Kopie eines Kunstwerkes, nämlich
die Erstellung einer Urtextausgabe nach einer Handschrift, bereits
größte Probleme mit sich bringe, da jede Handschrift
oft verschiedenartigste Lesemöglichkeiten in sich berge und
somit die Authentizität oft nicht gewahrt werden könne.
„Sampling – Kunst oder Ideenklau?“ (Poto Wegener,
SUISA Zürich), eine perfekte audiovisuelle Präsentation,
bewies den Teilnehmern um so deutlicher, wie schwierig es ist, Originale
überhaupt aufzufinden oder wiederzuerkennen, um dann anschließend
die anfallenden Abgaben auf diverse Interpreten und Produzenten
zu verteilen. Bei einem Beispiel des Referenten handelte es sich
schlichtweg um 66 Urheber und 38 Produzenten! Der abschließende
Vortrag von Prof. Dr. Michael Walter (Wien) über „Die
freien Werknutzungen im Bereich der Musik nach Umsetzung der Inforichtlinien
der EU“ schloss den Kreis der Vorträge. Walter ging ausführlich
auf das Werk als Original sowie dessen Nutzung in der Bearbeitung
ein und erläuterte vielseitige juristische Zusammenhänge.
Außerhalb der arbeitsintensiven und oft heftigst diskutierten
Vorträge gab es jedoch auch die Umsetzung in praktische Bereiche.
So war es der Oberbürgermeisterin der Stadt Deggendorf, Frau
Anna Eder, zu verdanken, dass sie nach ihrem Empfang im Technologiezentrum
Deggendorf einlud, die Arbeit der dort ansässigen „Music
Support Group“ aus dem Munde ihres Leiters, Herrn Fellermeier,
hautnah zu erfahren. Auch die Musik kam nicht zu kurz: Zum Abschluss
des Kongresses führte Dr. Adelheid Krause-Pichler (Querflöte),
begleitet von Dr. Billeter, Werke aus dem Barock und der Frühklassik
auf. Dr. Manfred Elsberger (Bass-Bariton), begleitet von Prof. Dr.
Inka Stampfl, setzte die edlen Gläser in den Vitrinen des Schlosses
fast zum Zerbersten in Schwingung mit dem „Gebet des Zacharias“
aus „Nabucco“.
Ein ganz herzlicher Dank gebührt neben den Referenten Frau
Dorothee Göbel und ihrer Assistentin, Michaela Reiner, für
die Organisation der Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Frau Prof.
Dr. Inka Stampfl und Dr. Rainer Buchmüller (Vizepräsident
des Bayerischen Kulturrates), der sein herrlich renoviertes Schloss
(gleichzeitig Sitz der Europäischen Akademie für Kultur-
und Gesellschaftsfragen) als Tagungsstätte zur Verfügung
gestellt hat. Damit war ein Ambiente geschaffen, das neben der Sachkompetenz
und dem Engagement der Teilnehmer wesentlich zum Gelingen der Tagung
beigetragen hat. Die ausführlichen Referate werden in Druckform
veröffentlicht, vorausgesetzt, dass sich potentielle Sponsoren,
die hiermit gesucht werden (Adresse s.u.), der Bund und das Land
Bayern an der Finanzierung beteiligen.
Max Leutner
Die 35. D-A-CH-Tagung findet am ersten Oktoberwochenende 2004
in Atzenbruck (St. Pölten) mit dem Thema: „VolXmusik“
statt. Im Übrigen ist eine ausführliche Dokumentation
aller bisher stattgefundenen D-A-CH-Tagungen in dem Buch „Musikberuf
- Berufsverband – Kulturpolitik“ von Prof. Dr. Inka
Stampfl nachzulesen. Zu bestellen ist das Buch über die Bundesgeschäftsstelle
des DTKV, Bavariaring 14, 80335 München.