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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 26
52. Jahrgang | November
Jeunesses Musicales Deutschland
Summer Dream, Disney und Sternenabenteuer
Ministerin Renate Schmidt verlieh den Deutschen Jugendorchesterpreis
der Jeunesses Musicales
Am 11. Oktober 2003 hat Bundesjugendministerin Renate Schmidt die
Preise beim dritten Deutschen Jugendorchesterpreis der Jeunesses
Musicales Deutschland (JMD) verliehen. Im „Epizentrum junger
Musiker“, wie Schmidt die Musikalische Bildungsstätte
der JMD auf Schloss Weikersheim nannte, sagte die Ministern zu,
die Schirmherrschaft über diesen „jugendpolitisch wertvollen“
und im deutschen Musikleben einzigartigen Wettbewerb zu übernehmen.
Ministerin Renate Schmidt
und Martin Christoph Redel überreichen Urkunde und
Preis an Vertreter des Jugendmusikkorps Bad Kissingen. Fotos:
JMD
Alles andere als einfach war die Aufgabe, die die Jugendorchester
bei der der diesjährigen Ausschreibung zu lösen hatten:
„Organisiert ein Konzert für Kinder und/oder Jugendliche.
Euer Ziel soll sein, eure Zuhörer für die Musik zu begeistern.“
Aus ursprünglich 80 Anfragen kristallisierten sich relativ
schnell rund 20 Orchesterprojekte heraus, die die JMD-Jury in die
engere Auswahl nahm. Was sie zu sehen bekamen, begeisterte die Juroren,
so vielfältig und kreativ waren die Lösungen der Aufgabe.
Mit „Ännekens Sternenabenteuer” erreichte das
Jugendsinfonieorchester der Musikschule Bocholt-Isselburg-Rhede
den ersten Platz: „Erst wars ein einziger Musiker des Orchesters,
der sich für die Idee erwärmte, dann wurde eine regelrechte
Lawine daraus,“ berichten Orchestermitglieder. Nicht einmal
der Musikschuldirektor wusste etwas von der Bewerbung: Komplett
in Eigeninitiative starteten die Bocholter Jugendlichen ihr Projekt,
das zunächst mit zwei komplett ausverkauften Vorstellungen
im Bocholter Stadttheater und jetzt mit der Preisverleihung durch
Familienministerin Renate Schmidt und den JMD-Bundesvorsitzenden
Martin Christoph Redel seine Höhepunkte erlebte.
Die Grundidee des Stückes war einfach: Ein Bösewicht
zerstreut das Jugendorchester kreuz und quer übers ganze Weltall
– und Änneken macht sich auf den Weg, die jungen Musiker
wieder in die Heimat zurückzuholen. Komplett von A bis Z selbstgemacht
sollte das Konzertabenteuer sein, von der Planung bis zur Durchführung,
samt Choreografie und Bühnenbild, samt Pressearbeit und Werbung,
Raum- und Sponsorensuche. An der Bocholter Musikschule setzte rege
Tätigkeit ein: Da entstanden erdferne Vulkanlandschaften, wurde
eine ganze Rakete gebaut – schließlich muss Änneken
ja von Planet zu Planet gelangen –, da wurde gereimt und gedichtet,
über Licht- und Leuchteffekte nachgedacht, und die Sache wurde
rund. Als das junge Publikum die Vorstellung zu Gesicht bekam, Änneken
mit kleinen Lichtern und rhythmischen Zaubersprüchen bei der
Suche nach den im All versprengten Mitgliedern des Jugendorchesters
helfen konnte, war nicht mehr sichtbar, dass viel, sehr viel Arbeit
in dem Projekt steckte.
Den zweiten Preis konnte die Bundesfamilienministerin an die Jugendmusikkapelle
Au am Rhein für das Konzert „Summer Dreaming“ vergeben,
zwei dritte Preise wurden dem Blasorchester der Musikschule Neubrandenburg
für „Woher weht der Wind“ und das Jugendmusikkorps
Bad Kissingen für „…ins Disneyland“ verliehen.
Gäbe es für Wettbewerbe als solches Auszeichnungen, so
Renate Schmidt, dann würde sie dem JMD-Wettbewerb zum Jugendorchesterpreis
das Prädikat „jugendpolitisch wertvoll“ verleihen.
Ganz richtig also sei ihre Entscheidung, die Schirmherrschaft für
den Wettbewerb zu übernehmen.
Das Wettbewerbskonzept stimmt: Was wohl kann Jugendorchester mehr
motivieren als ihnen eigene Produktionen abzuverlangen? Dabei wachsen
neben Initiative und Teamgeist auch die kreativen Möglichkeiten
– und der Gestaltungsprozess geht weit über den Aufbau
eines rein musikalischen Programmes hinaus. Die Dokumentationen
der Projekte, die bei der Preisverleihung im Weikersheimer Gärtnerhaus
zu sehen waren, gestalteten die Jugendorchester ebenfalls selbst.
Wie vielfältig die jungen Musiker die Herausforderung annahmen,
zeigten die Präsentationen von drei exemplarischen Konzertprojekten.
Etwa das Bayerische Landesjugendzitherorchester, das mit der „Suche
nach der Zauberharfe“ nicht nur ein Stück auf die Bühne
brachte, sondern auch Kinder mit der Zither vertraut machte.
Beispielhaft ist auch die Konzertidee des Jugendsinfonieorchesters
Bad Mergentheim, das die Umsetzung eines Kinderbuches präsentierte:
Das „Haus voll Musik” setzte sich inhaltlich mit Musikinstrumenten
und der Frage nach der Harmonie auseinander, das Kinderpublikum
war eingeladen, sich durch szenische Umsetzungen aktiv am Konzert
zu beteiligen. Neun Ausschüsse des Orchesters entwickelten
die Ideen, sieben Kindergärten waren an den Vorbereitungen
beteiligt, die Kindergartenkids lernten die Instrumente kennen und
beteiligten sich mit ihren Bildern an der Deko der Halle.
Spritzig umgesetzt hat das Querflötenorchester Lauf die Idee,
die Farbenlehre nach der Vorlage von Eva Heller musikalisch aufzubereiteten.
Bei „Colours with Music“ organisiert sich aus anfänglichem
Chaos das Orchester als Farbenkreis – selbstverständlich
in korrekter musikalischer Zuordnung. Die kreative Vielfalt der
Wettbewerbsteilnehmer beweist, dass es „keineswegs nur die
Preisträger sind, die gewonnen haben“, wie Weikersheims
Bürgermeister Kornberger formulierte.
Martin Christoph Redel, JMD-Bundesvorsitzender, lobte die vielen
innovativen Impulse, die von der Weikersheimer JMD ausgehen: Manches
ist von hier ausgegangen, auch dass sich im Main-Tauber-Kreis vieles
um Musik dreht. Er kann sich auch weiterhin auf die Kommune stützen:
Für Kornberger ist Kultur nicht mögliches Einsparpotential,
sondern wesentlicher Imagefaktor seiner Stadt. Uli Kostenbader,
Vizepräsident des Deutschen Musikrats, freute sich, Kultur-
und Musikförderung ganz real zu erleben – und das „auf
ausgezeichnetem Niveau“. Die Weikersheimer JMD mit ihrer international
anerkannten Qualität lobte er als „Juwel musikpädagogischer
Tätigkeit“, die kulturpolitische Identität präge
und schaffe.
Den musikalischen Rahmen schuf die Jugendtagung, die sich eine
Uraufführung vorgenommen hatte: Mit „Himmelsbaum, Layers“
wurde das erste komplett in Weikersheim entstandene Stück der
Weikersheimer Stadtkomponistin Charlotte Seither erstmals öffentlich
präsentiert. Ganz zart blüht da der Himmelsbaum, in dem
leise Glöckchen klingeln, ein Kuckuck durchs Geäst ruft
und eine Spielorgel ihr feines Zirpen klingen lässt –
eine Komposition als Schule des Hörens, aus der dann Klänge
wie Säulen wachsen, sich zurückziehen, neu ausknospen.
Nicht nur das Publikum, auch die Musiker hatten sichtbar ihren Spaß
an der vielschichtigen Komposition, die sie in kürzester Zeit
umsetzten. Dass die Vertreter der Jugendorchester nicht nur ganz
besonders die Ohren spitzten, sondern auch sehr kräftig Beifall
spendeten, darf Seither als klare Bestätigung ihrer Arbeit
werten. Es wird für die Region höchst spannend werden,
mehr von ihr zu hören, soviel ist nach der Uraufführung
des kurzen Konzeptstückes klar.