[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 7
52. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Die große Hoffnung ruht auf den Sponsoren
Zur Studie „Musikfestivals in Niedersachsen“ 2002
Die Städte Bayreuth, Bregenz oder Salzburg verbindet eigentlich
jeder Musikliebhaber sofort mit dem Wort „Festival“.
Alljährlich erleben dort Tausende von Opernfans Wagner &
Co für einen hohen Preis auf einem exzellenten Niveau. Dass
in dem niedersächsischen kleinstädtischen Lüneburg
jährlich mit ebenfalls beachtenswerter Qualität die „Lüneburger
Bachwoche“ stattfindet, ist weniger bekannt. So geht es vielen
kleineren, „handgestrickten“ Festivals – sie drohen
gegenüber den großen unterzugehen. Das Musikinformationszentrum
ist 2002 von 15 Festivals in Niedersachsen ausgegangen, die nun
durchgeführte Studie „Musikfestivals in Niedersachsen“
des Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und
Kultur konnte aber die bemerkenswerte Zahl von 106 Festivals in
insgesamt 550 Spielstätten darstellen.
Mit dieser Studie wurden nach einer Befragung der einzelnen Veranstalter
zu Organisation, Publikum, Finanzierung, Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit
sowie Veranstaltungsorten erstmals für ein Bundesland umfangreiche
Zahlen und Fakten zu Musikfestivals erhoben.
„Wir wollten mit dieser Studie herausfinden, wie viele Festivals
es eigentlich in unserem Bundesland gibt, wo die Besonderheiten
beziehungsweise Defizite unserer Festivallandschaft liegen und ob
wir andere Akzente in der Förderpolitik setzen müssen.
Es galt, das Vermittlungsangebot zu untersuchen und herauszufinden,
in welchem Kontext man die jeweiligen Konzerte sehen kann.“,
so Muchtar Al Ghusain vom Niedersächsischen Ministerium für
Wissenschaft und Kultur. Ziel sei es, eine stärkere Vernetzung
zwischen den einzelnen Festivals herzustellen. Insgesamt würde
das Thema Musikfestivals in der Kulturpolitik noch nicht angemessen
diskutiert. Viele Festivals, besonders die in einem nicht so großen
Rahmen stattfindenden werden von Teilzeit- und ehrenamtlichen Kräften
sowie freien Mitarbeitern bewältigt. Klassik-Festivals werden
erwartungsgemäß am häufigsten besucht, gefolgt von
Jazz und Rock/Pop.
Wichtige Schwerpunkte für die Festivalzukunft sind die Förderung
des Nachwuchses sowie die Stärkung von Innovation und Qualität.
Wie befürchtet liegen die größten Probleme bei der
Finanzierung. Das Budget dieser im Jahre 2001 von zirka 447.000
Festivalgästen besuchten 1.348 Veranstaltungen betrug zirka
15,5 Millionen Mark, wobei der Anteil an öffentlicher Förderung
einschließlich Stiftungen bei zirka 6,8 Millionen Mark (46
Prozent) lag, der Anteil der Eigeneinnahmen einschließlich
Sponsoren bei 8,4 Millionen Mark (54 Prozent). Große Hoffnung
ruhe also auf den Sponsoren. Die höchsten Kosten je Besucher
(290 Mark) bestanden bei einem Festival der Sparte Neue Musik, dicht
gefolgt von den Spartengruppen Alte Musik, Jazz, Klassik und Orgel,
deren Festivals ein Wert von über 100 Mark ergab. Bei den Sparten
Chor, Jazz, Orgel und Folk errechneten sich besonders geringe Kosten
je Besucher (20 Mark). „Niedersachsen hat nicht die Hochglanzfestivals,
die auch mit entsprechenden Budgets ausgestattet sind.
Ein Merkmal der niedersächsischen Kultur ist, dass sie überwiegend
dezentral stattfindet. Sie ist regional angebunden und zeichnet
sich zumeist nicht dadurch aus, dass sie das große Event inszeniert,
sondern dadurch, dass es sehr viele kleine Initiativen gibt. Die
Summe ist beeindruckend“, so Ghusain. Kulturpolitik sei nicht
nur das zur Verfügung stellen von regelmäßigen Budgets,
sondern auch das Ausschöpfen von Potenzialen, die hier vorhanden
seien, aber zu wenig genützt werden. „Zu oft ist Kulturpolitik
ein Feld, in dem nur aus dem Bauch heraus gehandelt wird. Für
eine seriöse Kulturpolitik ist es wichtig, mehr zu forschen
und sich auf empirisch abgesicherte Erkenntnisse zu stützen.“
Die Studie, so hofft er, habe auch bundesweit eine Impulsfunktion.
Wenn andere Bundesländer diese wahrnehmen, könne man die
Festivalstruktur bundesweit untersuchen und noch stärkere Netzwerke
schaffen.