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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 1
52. Jahrgang | November
Leitartikel
Baustelle
„Holzschnittartig“ – Vizepräsident und
Finanzminister Uli Kostenbader benützte dieses Adjektiv im
Rahmen seiner Bilanz-Berichterstattung bei der diesjährigen
Generalversammlung des Deutschen Musikrates in Bad Godesberg mindestens
acht Mal. Mit einem perspektivisch ausdifferenzierten Ölgemälde
hatte sicherlich auch niemand gerechnet: Dazu waren weder der Zustand
des Rates noch der Zeitpunkt seines Mitgliedertreffens sonderlich
geeignet. Ein knappes Jahr nach der Insolvenz steht Notstands-Verwalter
Ludger Westrick immer noch in Amt und Würden – angeblich
bis Jahresende – man wird sehen. Die Scharten seines Wirkens
sind tief. Sie resultieren freilich aus älteren Fehlern, deren
Ursachen man mittlerweile lieber anonym in den Fallgruben des Zuwendungsrechtes
verscharrt. Schuldige sind persönlich nicht mehr auszumachen.
Man will vergessen, Schwamm drüber und durchstarten.
Dieses Bemühen war dem präsidialen Rechenschaftsbericht
deutlich anzumerken. Viele altbekannte Gesichter strahlten in verantwortlichen
Positionen unter den Lobes-Pauschalen des Oberrates Martin Maria
Krüger, der die nach seiner Wahl häufig aufgeworfene Frage,
wer er denn eigentlich sei, mit Beispielen außerordentlicher
Verbindlichkeit beantwortete. Seine persönliche Kontur wird
er allerdings noch deutlich schärfen müssen, wenn er die
schweren Aufgabenpakete, die den Musikrat belasten, spürbar
weitertransportieren will.
Über allem hängt natürlich das Fallbeil des Geldmangels.
Erstaunlich, dass in einige Projekte trotzdem maßgebliche
öffentliche Mittel fließen, obwohl die Aufgaben durch
privatwirtschaftliches Engagement eigentlich schon erledigt wären.
Aber auch hier wird man haushaltsrechtliche Zwangsläufigkeiten
orten, die angeblich auch schon dazu geführt haben, dass ausgerechnet
die empfindliche Förderung Neuer Musik zugunsten des Deutschen
Laienorchester-Wettbewerbes im nächs-ten Jahr eine herbe Kürzung
um fast 150.000 Euro erfährt.
In einer Resolution äußerte die frisch gegründete
Fachgruppe für Neue Musik die „feste Überzeugung,
dass die nachfolgenden Generationen die Qualität des heutigen
Musikrates und seines Präsidiums an seinem verantwortungsvollen
Umgang mit dem künstlerischen Nachwuchs und der aktuellen Kunst
messen wird“. So sei es. Vorläufig kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, das geschäftsführende Präsidium
arbeite vor allem hart an der Poli-
tur des äußeren Erscheinungsbildes. Name-Dropping und
Event-Huberei scheinen viel Kraft zu kosten. Die Neubestimmung der
Inhalte, der vertretbaren Werte, wirkt weggeschoben in die fernen
Themenspeicher rar tagender Fachgruppen. Was aber nutzt das feinste
Mind-Mapping der Vizepräsidenten, wenn das genutzte Kartenwerk
so differenziert ist wie der Klappentext eines Bohlen-Buchs? Wir
werden die Baustelle Musikrat weiter ausleuchten.