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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 6
52. Jahrgang | November
Musikwirtschaft
Das Angebot muss sich unterscheiden
Selbstmanagement-Serie Teil 3: Selbstständigkeit
In meiner Tasche befindet sich ein kleiner Zettel, auf ihm steht
ein Zauberwort. Es ist kurz und einprägsam, doch man kann mit
ihm glänzende Geschäfte machen. Still hole ich vor jeder
geschäftlichen Aktivität das Zettelchen aus der Tasche
und werfe einen kurzen Blick darauf. Erst dann hebe ich die Stimme,
blicke meinen Geschäftspartnern und Kunden in die Augen und
unterbreite meine Vorschläge. Das Zauberwort, mit dem ich die
Zutaten einer Business-Mixtur und jede berufliche Aktivität
prüfe, heißt NUTZEN. Der Kundennutzen benennt das Neue
oder Bessere eines Angebots gegenüber dem der Konkurrenz und
Alternativlösungen. Teil 3 der nmz-Selbstmanagement-Serie zum
Thema „Selbstständigkeit“ behandelt deshalb die
Formulierung des eigenen Kundennutzens als freischaffender Musiker
oder Dienstleistungsunternehmer der Musikwirtschaft.
Erfolgreiche geschäftliche Selbstständigkeit betreibt
man mit einem guten Team, mit Kapital für notwendige Investitionen
und einer glänzenden Geschäftsidee. Teambildung ist ein
schwieriger Prozess, aber in der Praxis hat sich dieser Schritt
beispielsweise für Musiklehrer oft bewährt. Für Wachstumsunternehmen
(Musikvertrieb, Instrumentenhersteller, Label) ist Teambildung generell
ein unvermeidbarer und langwieriger Schritt zur Gewährleistung
unternehmerischer Stabilität. Gehören Sie zu dieser Gruppe,
sollten Sie mit der Teambildung so früh wie möglich beginnen.
Geld ist für Unternehmensgründung jeglicher Größenordnung
unverzichtbar, egal ob Ich-AG oder wachstumsstarkes Start Up. Unterschiedliche
Phasen des Gründungsvorhabens fordern unterschiedliche Geldmengen,
weshalb wir die Quellen unterscheiden, aus denen wir Gelder schöpfen.
Vielleicht reicht zunächst eine Leihgabe der Großeltern,
von Freunden, Nachbarn oder Sponsoren zur Entwicklung eines Festivalkonzepts
. Erst wenn Sie in den Wettbewerb eintreten wollen, werden hohe
Investitionssummen in Form von Beteiligungen oder Krediten aktuell.
So notwendig Geld für Unternehmensgründungen ist, so reichlich
ist es in Europa und Deutschland vorhanden.
Die Stellung und Bedeutung der Geschäftsidee für den
Erfolg der Unternehmensgründung wird oft falsch beurteilt.
Denn mit einem genialen Einfall (siehe Kapitel eins der nmz-Serie
Selbstmanagement „Kreativitätstechniken“) beginnt
erst der Prozess der Ideenfindung. Die Idee ist der Anstoß
zu einer langen Phase konzeptioneller Arbeit mit vielen Irrungen
und Wirrungen bis zum marktreifen Geschäftsmodell. Die Liebe
zur eigenen Idee (Demo-CD oder Ladeneinrichtung) wirkt sich dabei
oft behindernd auf eine selbstkritische Auseinandersetzung aus.
Für eine Finanzierung von außen ist die Perfektion Ihrer
Unternehmensidee allerdings unabdingbar.
Richten Sie deshalb bei Ihrer Unternehmensgründung oder auf
Ihrem Weg in die Selbständigkeit alles Geschäftliche auf
den Blickwinkel Ihres Gegenübers aus, seien es Kunden, Publikum
oder Geldgeber (im Zweifelsfall auf alle). Entwickeln Sie zunächst
eine Geschäftsidee und diskutieren Sie diese tabulos mit Freunden,
Bekannten und Experten. Wecken Sie mit einer kurzen schriftlichen
Vorlage das Interesse Ihrer Geldgeber und Geschäftspartner
(im Falle einer Musikperformance könnte dies beispielsweise
ein Theaterhaus sein). Signalisiert Ihr Gegenüber Interesse,
dann formulieren Sie Ihre Geschäftsidee in einen Businessplan
um, der alle relevanten Fakten, Zahlen, Personalien und Illustrationen
im Detail erfasst.
Erfolgreiche Unternehmensgründungen und erfolgreiche Selbständigkeit
basiert häufig auf langjähriger Branchenerfahrung. Doch
auch wenn Sie diese Voraussetzung nicht erfüllen, sollte Ihnen
nicht bange sein. John Lennon hat mit Apple-Erfinder Steve Jobs
gemeinsam, dass beide weder eine abgeschlossene Ausbildung noch
langjährige Berufserfolge benötigten, um eine sensationelle
Karriere zu starten. Branchenkennern nützen Ihre Kenntnisse
allerdings in dem Augenblick, wenn sie herausfinden möchten,
welcher Bedarf in Ihrem Marktsegment (Rock, Pop, Alte Musik, Neue
Musik und andere) bisher nicht zufriedenstellend gedeckt wird und
mit welchem Angebot Sie sich als „Problemlösung“
etablieren können.
Aufgabe Nummer 1
Problembeschreibung
Welches Problem können Sie besser lösen als Ihre Konkurrenten?
Beschreiben Sie den Bedarf, den Sie zukünftig abdecken wollen.
Achtung: Beschreiben Sie nicht Ihre Probleme bei der Umsetzung Ihrer
Geschäftsidee, sondern die Probleme Ihrer Kunden, Ihrer Partner
oder Ihres Publikums, die Sie lösen werden.
Wenn Sie sich vielleicht in Ihrer Heimatstadt als Pianist betätigen
wollen, wissen Sie alles über mögliche Veranstaltungsorte
und konkurrierende Künstler. Wirtschaftlich gesehen besteht
kein Unterschied zum Schuhhändler, der sich zwischen vier anderen
Schuhläden auf der Hauptstrasse etablieren will. Ihr Angebot
muss sich unterscheiden: in Qualität, Design, Konditionen,
Zielgruppe, Charakter oder Zusatzleistungen. Im drastischsten Fall
variieren Sie das Instrument. Barbara Dennerlein hat sich in den
frühen 80ern als Frau mit Hammondorgel einen einzigartigen
Ruf erspielt. Dabei spielt Dennerlein kein gewöhnliches Instrument,
sie hat ein eigenes Pedalsystem für einen vollkommen individuellen
Sound entwickelt. In den späten 90ern besetzte sie eine neue
Marktnische mit dem Spiel von Jazzmusik auf großen Kirchenorgeln.
Aufgabe Nummer 2
Problemlösung
Mit welcher einzigartigen Lösung wollen Sie den in Aufgabe
eins von Ihnen beschriebenen Bedarf abdecken, das Problem konkret
lösen? Der Erfolg bleibt Barbara Dennerlein deshalb treu, weil
sie über eine sogenannte USP (Unique Selling Proposition),
ein „einzigartiges Verkaufsangebot“, das heißt,
ein schlagendes Verkaufsargument oder eine spezielle Eigenschaft
verfügt, welche ihrer Dienstleistung einen größeren
Kundennutzen verschafft. Diese USP wirkt sich positiv auf Publikum
und deshalb Veranstalter, zuletzt sogar auf Plattenfirmen aus. In
ihrem ganzen Wirken hat sich Barbara Dennerlein nicht nur als phantastische
Organistin, sondern auch als Virtuosin des Selbstmanagements erwiesen.
Als eine der wenigen deutschen Jazzmusikerinnen erfreut sie sich
nach eigener Aussage steter Selbstverwirklichung, unterstützt
durch eine Majorschallplattenfirma.
Ist es die Einzigartigkeit Ihrer Geschäftsidee, die über
Weh und Wohl ihres Erfolgs entscheidet, so ist es der Markt, der
den Umfang Ihres Erfolgs bestimmt. Deshalb untersuchen und analysieren
Sie Ihren Zielmarkt und die Stärken und Schwächen der
Konkurrenten. (Literaturtipp: Die Kulturwissenschaftlerin Annette
Babinski-Mintel hat eine höchst anschauliche Marktanalyse für
freiberufliche Musikpädagogen vorgelegt). Anschließend
wählen Sie im Markt die Kundengruppen (Marktsegmente) aus,
deren Bedürfnisse Sie am besten befriedigen. Außerdem
definieren Sie, wie Sie sich von den Konkurrenten abheben. Zuletzt
fixieren Sie für Ihr Angebot eine Form, einen Preis, Vertriebswege
und das so genannte Corporate Design. Wie wollen Sie nach außen
wirken, wie mit Ihren Kunden reden und wie sollen Sie erreichbar
sein? Was für eine Bildform und welcher Sprachstil soll Sie
repräsentieren?
Aufgabe Nummer 3
Markt
Definieren Sie Ihren Markt: Zielgruppe, räumliche Abgrenzung,
Konkurrenz. Nennen Sie Namen und Zahlen. Holen Sie Erkundigungen
per Internet und per Telefon ein.
Ihre Gewinnrechnung ergibt sich in vereinfachter Darstellung einerseits
aus Ihren Kosten und andererseits aus Ihren Einnahmen. Möglicherweise
müssen Sie für Ihren Geschäftsbetrieb Waren und Dienstleistungen
zukaufen, in jedem Fall tätigen Sie diverse fixe und variable
Aufwendungen (Proberäume, Gewerberäume, Instrumente oder
Computer). Dem stehen Ihre Erträge gegenüber, die Sie
vor einer Geschäftsgründung detailliert abschätzen
müssen.
Aufgabe Nummer 4
Ertragsmechanik
Nennen Sie Ihre Kostenfaktoren und die Quellen Ihrer Einnahmen.
Summieren Sie die Einzelposten in grobe Oberbegriffe. Stellen Sie
eine geschätzte Einnahme-Ausgabenrechnung über einen mittelfristigen
Zeitraum (drei Jahre) auf. Unternehmensgründungen größeren
Umfangs sollen sich, so lautet die Faustregel, nach fünf Jahren
rechnen. Oft werden Firmen zu diesem Zeitpunkt an die Börse
geführt oder gewinnbringend verkauft. Auch Einzelunternehmer
brauchen einen Vorlauf, um beruflich Fuß zu fassen. Planen
Sie Ihren Berufsweg unbedingt langfristig, insbesondere wenn Sie
als Solokünstler oder Band reüssieren wollen. Unterscheiden
Sie notwendige Investitionen (in Zeit, Fähigkeiten oder Netzwerke)
von Planungen, die an echtem Bedarf vorbeilaufen. Analysieren Sie
positive und negative Reaktionen Ihrer Kunden, Ihres Publikums und
Ihrer beruflichen Partner. Konnten Sie Ihre Gegenüber vom Nutzen
Ihres Angebots überzeugen?
Literatur
• Annette Babinski-Mintel: Selbstmanagement für Musiker
am Beispiel des freiberuflichen Musikpädagogen, Lit Verlag
2000.
• Martin Heucher u.a.: Planen, Gründen, Wachsen, Ueberreuter
Wirtschaftsverlag 2002.
• Stefan Lindemann: Marketing und Management für Musikpädagogen,
Gustav Bosse Verlag 2002.
• Götz Buchholz: Ratgeber Freie, IG Medien Verlag 1998.
• Bill Drummond/Jimmy Cauty (a.k.a. The KLF): Das Handbuch.
Der schnelle Weg zum Nr. 1 Hit, Die Gestalten Verlag 1988.