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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 22
52. Jahrgang | November
Noten
Du kannst mehr als nur nach Noten spielen
Neue Noten und Bücher zum Thema Klavierspielen
Francis Schneider: In Tönen reden. HSB Nepomuk, Aarau
2003, 111 S.
Der Untertitel „Du kannst viel mehr als bloß nach
Noten spielen!“ lässt erraten, worauf der Autor hinaus
will: Klavierspielen beschränkt sich leider oft nur auf das
Abspielen, Üben, Erledigen von Hausaufgaben. Was tut man
aber, wenn man mal keine Lust hat zum Üben, einfach nur spielen
oder erforschen will, was man mit seinem Instrument Klavier überhaupt
machen kann? Dieser Frage ist Schneider nachgegangen und er kann
Hilfe anbieten all jenen, denen es bisher an Anleitung zum freien
Spiel fehlte. Er spricht in seinen Texten den Partner persönlich
an, gibt einen gut vorstellbaren Einstieg in die Szene, versetzt
ihn in eine bestimmte (auch meditative) Stimmung und Örtlichkeit,
gibt genaue Anweisungen zum Spiel, lässt Zeit zum Vertiefen,
gibt dann ein Tonmaterial (sparsame gestalterische Mittel, meist
figurativ für die linke Hand) vor und überlässt
die rechte Hand sich selbst. Dabei beschränkt er sich nicht
nur auf Dur und Moll, sondern verwendet auch mal Kirchentonarten,
Chromatik und Ganztonleitern. Das harmonische Verständnis
wird geschult, Gefühl für Lautstärke entwickelt,
es wird rhythmisch experimentiert. Sehr ansprechend sind die handgeschriebenen
Notenbeispiele, umrahmt von absolut stimmigen und schlichten Illustrationen
(Til Ottlik), die das Augenblickliche und Spontane unterstreichen.
Die Thematik umfasst 51 Stimmungsbilder, man erfährt Interessantes,
kann ohne Zwang auswählen, macht sich Gedanken, lässt
sich anregen und ist verblüfft: Man meint, ein anderes Instrument
vor sich zu haben, weil man die Saiten der 88 Tasten so noch nicht
zum Klingen (oder Schwingen) gebracht hat. Wer sich schwer tut,
kann die beiliegende CD zu Hilfe nehmen. Eigene Ideen stellen
sich schnell ein, man wird im eigenen Inneren fündig, bestenfalls
verspürt man eine positive Auswirkung auf das Klavierspiel
allgemein. Schneider wen-det sich an Klavierspieler mit einigen
Jahren Unterrichtserfahrung; Lehrer können in diesem Stil
auch mit Anfängern arbeiten.
Rudolf Kratzert: Technik des Klavierspiels, Bärenreiter,
Kassel 2002, 284 S., € 36,95, ISBN 3-7618-1600-6
„Wer also Bewegungen verbessern oder auch nur genauer kennen
lernen will, der muss zuerst sein Denken in Bezug auf Bewegungen
ausbilden“. Dieses Zitat sei dem Handbuch für Pianisten
einmal vorangestellt, denn es verrät die pädagogische
Absicht des Autors: Denken lässt sich durch Tun nicht ersetzen,
Körper und Psyche lassen sich nicht trennen, man spielt also
immer als ganze Person Klavier. Kratzerts Arbeit orientiert sich
erkennbar an der Alexander-Technik. Begriffe wie „Spielapparat“
oder „entspannte Bewegungen“ umgeht er. Technik des
Klavierspiels ist also in erster Linie ein Denken in Bewegungsfunktionen
und schließlich deren ungehinderter Anwendung. Anhand unzähliger,
ausführlich beschriebener Experimente lassen sich eigene
Spielbewegungen kritisch überprüfen. Gleichzeitig kann
dieses Handbuch wie eine Klavierschule verwendet werden; es gibt
Klavierlehrern Hilfestellung im Anfangsunterricht und erläutert
die Grundlagen der Klaviertechnik. Kratzert wendet sich aber auch
an Klavierstudenten und konzertierende Pianisten. Ihnen widmet
er mehrere Kapitel, versehen mit umfangreichen Notenbeispielen
aus der Klavierliteratur und anschaulichen Erläuterungen.
Raum gibt es auch für die Technik des Übens und des
Vortrags – immer auf der Basis einer Selbsteinschätzung
und des sich Bewusstmachens allen Tuns. Es ist zu empfehlen, das
Buch im Ganzen durchzuarbeiten, alle Experimente auszuführen
und zu verinnerlichen. Nur so macht ein Nachschlagen im Bedarfsfall
Sinn.