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nmz-archiv
nmz 2003/11 | Seite 30
52. Jahrgang | November
ver.die
Fachgruppe Musik
Ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang
Zentralisierung der Theater-Werkstätten als Sparpotenzial
einer neuen Service-GmbH
Die Strukturreform der Berliner Opern-häuser soll zur Gründung
einer hauptstädtischen Opernstiftung führen. Werkstatt-
und andere Leistungen will man bei einer privatwirtschaftlich organisierten
Bühnenservicegesellschaft zentralisieren. Die Firma ICG culturplan
aus Krefeld, die schon die Gründung der Werkstatt-Holding in
Wien begleitete, schlägt in einem vom Kultursenat teuer bezahlten
Gutachten fünf Modelle für die künftige Strukturierung
der Theater-Dekorationswerkstätten vor. Von der Beibehaltung
des Status Quo bis zum Neubau reichen die Varianten.
Im Bild der Malsaal innerhalb
der Werkstätten der Deutschen Staatsoper Berlin. Dirk
Seesemann praktiziert die Sägespänetechnik. Hier
für Prospekte, die für die bevorstehende „Eugen-Onegin“-Inszenierung
produziert werden.
Foto: Chr. v. Polentz/transit-berlin
Anfangs sollte die Service-GmbH noch mehr Querschnittbereiche „nichtkünstlerischer
Art“ umfassen. Doch alles, was mit Finanzen zu tun hat, wollten
sich die Intendanten nicht entziehen lassen. Auch das Marketing
wird inzwischen als „strategische Aufgabe der Stiftung“
selbst gesehen. Übrig bleiben Werkstatt- und Transportleistungen
sowie EDV. Ein wirtschaftliches Abenteuer mit ungewissem Ausgang?
Dafür sprechen zumindest Indizien. Die Gutachter gehen nach
den Wiener Erfahrungen davon aus, dass „die Nachfrage nach
Werkstattleistungen... abnehmen wird“ und dass der jetzige
Personalstand „gemessen am Bedarf der beteiligten Häuser“
– den man aber nicht genau bestimmen kann – „noch
zu hoch liegt“. Nach Berechnung aller Varianten „empfiehlt“
man „den Neubau von Dekorationswerkstätten“. Praktiker
fürchten Schlimmes. „Der künstlerische Arbeitsprozess
muss als Ganzes gesehen werden, wir sind nicht abzulösen vom
Rest“, empört sich Frank Mittmann. Der Leiter der „Volksbühne“-Werkstätten
in der Thulestraße sieht sich als Chef manufaktuell arbeitender
Gewerke, die ganz der Spezifik ihres Theaters dienen.“
Die Volksbühne lebt von Spontaneität, reagiert oft schnell
auf aktuelle Ereignisse. Dann müssen auch wir uns ändern,
sozusagen als mobile Einheit. Unser Chefbühnenbildner hat uns
kürzlich als seine ‚Familie‘ bezeichnet. So sehen
wir uns auch.“ Hinter allen Konzepten zu Zentralisierung und
„Verschlankung“ sieht Mittmann viel Unehrlichkeit und
wenig Sachkunde.
Dass es möglich, aber nicht einfach ist, für mehre Bühnen
zu arbeiten, hat die Staatsopernwerkstatt über Jahrzehnte bewiesen.
Auf dem 1.500-Quadratmeter-Komplex an der Chausseestraße in
Berlin-Mitte wurden sowohl die Deutsche Staatsoper als auch das
Deutsche Theater und das Berliner Ensemble bedient.
Opernarbeit hat lange Vorlaufzeiten. Die Sprechtheater, zuletzt
nur noch das DT, benötigen flexibleres Reagieren, fühlten
sich wohl auch ein wenig zurückgesetzt. Baulich ist man hier
jedoch auf mehrere Kunden eingerichtet. Malsaal-Chef Thomas Feig
betont weitere Standortvorzüge: „Die ideale Lage, sehr
gut ausgebildetes Personal und ein sehr guter Maschinenpark.“
Die Variante, die Staatsopernwerkstätten zu Zentralwerkstätten
auszubauen, verwerfen die Gutachter mit dem Verweis auf vermeintliche
60 Millionen Euro Umbaukosten.
Eine zentrale Werkstatt als GmbH an einem Neubaustandort –
38 Millionen veranschlagen hierfür die Befürworter –
hält Feig für die schlechteste Lösung: „Wenn
man die Werkstätten von den Häusern löst, sie privatwirtschaftlich
abrechnen lässt, bindet das Zeit und Arbeitskräfte, die
nicht kreativ sind. Der Verwaltungsaufwand wird wachsen.“
„Eine Ausgliederung der Werkstätten als GmbH macht
keinen Sinn“, bringt es Klaus Grunow, ver.di-Fachgruppenvorsitzender
im Landesbezirk, auf den Punkt. Künstlerisch sei sie kontraproduktiv.
Doch die Theater würden auch nicht preiswerter kommen, wenn
ihnen künftig vom Strom bis zum letzen Nagel volle Preise in
Rechnung gestellt würden. Die Wiener Holding und ihre Auslastungsprobleme
belegten das. Synergien seien schließlich auch über verstärkte
Kooperation bei Einkauf, Lagerhaltung, Transporten denkbar –
„es sei denn, man will nur in diesen Größenordnungen
Personal abbauen und an der Tarifschraube drehen“.