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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 36
53. Jahrgang | März
Oper & Konzert
Auf den Leib geschrieben
Deutsche Ensemble Akademie: Nachwuchsforum
„Musik und Sprache“: An dem Thema des mittlerweile
siebten Nachwuchsforums der Gesellschaft für Neue Musik und
des Ensemble Modern in der Deutschen Ensemble Akademie haben sich
schon Generationen von Philosophen, Wissenschaftlern und nicht zuletzt
von Komponisten abgearbeitet. Denn die Konjunktion ist unterschwellig
auch eine Gleichung: Musik ist Sprache, nämlich ihre eigene
und als solche erst einmal sich selbst genug. „Das Verhältnis
zum Text“, wie Arnold Schönberg seinen epochalen Aufsatz
im „Blauen Reiter“ überschrieb, war in der Deutschen
Ensemble Akademie an diesem ereignisdichten, wissenschaftlich und
künstlerisch hochwertigen Wochenende demnach auch nur einer
von vielen tatsächlich zur Sprache und zu Gehör gekommenen
Aspekten. Insgesamt erfreute das durchweg erkennbare Problem- mitunter
sogar wieder Krisenbewusstsein der vortragenden Musikologen und
aufgeführten Werke sehr: Glückwunsch an die Auswahlgremien.
Die Ausnahme von der Regel war Axel Baunis Referat über das
zeitgenössische Klavierlied. Der Nachfolger Aribert Reimanns
auf dem Berliner Lehrstuhl für Liedinterpretation und Kurator
des großen Liedstrahl-Projekts der Expo 2000 enttäuschte
mit läppisch kommentierten Hörbeispielen. Auf welchem
Niveau das Thema tatsächlich reflektiert werden kann, zeigte
die Doktorandin Annika Lindemann (Bonn) mit ihrer Analyse des phonetischen
Materials in György Ligetis Semantik-Nonsemantik-Klassiker
„Aventures“, vor gut 40 Jahren entstanden. Bestens dazu
passte das Gesprächskonzert mit dem griechischstämmigen
Franzosen Georges Aperghis. Dessen Ein-Frau-Oper „Récitations“,
in der Sprache in Musik umgewandelt wird, läuft gerade mit
ziemlichem Erfolg in Darmstadt. Robin Hoffmann schrieb einem Interpreten
Musik tatsächlich und nicht nur sprichwörtlich auf den
Leib in seiner „An-Sprache“ für Bodypercussionisten.
Ältere Semester konnten sich bei Olga Rajewas „Intermezzo“
für Klarinette, Violoncello und Klavier nostalgisch freuen.
Was wie eine instrumental improvisierte Publikumsbeschimpfung mit
Fragmenten aus der Mao-Bibel schien, war indes ein streng durchkonstruierter
Rekurs auf Texte von Wladimir Sorokin. Die 1971 geborene Komponistin
schafft es in der Tat, Wortlaut und Wortbedeutung ständig in
der Schwebe zu halten – Narrheit, narrativ. Steingrimur Rohloffs
„Pont du monologue“ für Frauenstimme, Gitarre und
elektronische Klänge am letzten Konzertabend kontrastierte
dazu mit lyrischen Überlagerungen, computertechnischen Klangerweiterungen,
Raumsimulationen und vor allem in der frappant ins Ohr springenden
Instrumentation und Balance zwischen elektronischer Bearbeitung
und deren Mutterklängen im Saal. Musik und Sprache war hier
die Rückführung der Musik auf ihren vokalen und wohl auch
rituellen Ursprung.