[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 36
53. Jahrgang | März
Oper & Konzert
Geburtshelfer zeitgenössischen Musiktheaters
Die Kammeroper Schloss Rheinsberg im Sommer 2004
Seit der Gründung durch den Berliner Komponisten Professor
Siegfried Matthus im Jahr 1990 leistet die Kammeroper Schloss Rheinsberg
einen wichtigen Beitrag für das Genre Oper. Über 350 internationale
junge Sänger und Sängerinnen konnten in 34 bisherigen
Opernproduktionen unter fachkundiger Anleitung Partien erarbeiten
und im Ensemble auf der Bühne vor großem Publikum –
jeden Sommer zählt man etwa 20.000 Besucher – präsentieren.
Für die Wettbewerbssieger vergibt die Jury keine Preisgelder,
sondern die Übernahme der ausgeschriebenen Partien in den Rheinsberger
Aufführungen. Der Wettbewerb findet jährlich im Februar
statt. Namhafte und erfahrene Dirigenten, Regisseure und Gesangspädagogen
erarbeiten mit dem Sängernachwuchs während der vierwöchigen
Proben die Partien der ausgewählten Opern. Das geschieht unter
professionellen Bedingungen in einer pädagogisch orientierten,
von Terminzwängen freien Atmosphäre. Gerade darum besitzt
das Rheinsberger Opernfestival nicht nur ein großes internationales
Renommee, sondern kann auch beachtliche Erfolge aufweisen. So trifft
man mittlerweile in fast allen deutschen Musiktheatern, an der New
Yorker Met, in Athen, Stockholm oder Sydney auf „Rheinsberger“
Sänger.
Seit 2001 wird in Rheinsberg auch eine Opernwerkstatt öffentlich
ausgeschrieben. Da das Komponieren von Opern nirgendwo gelehrt wird,
junge Autoren aber Praxisbezug brauchen, um sich die speziellen
Kenntnisse des Komponierens für das Musiktheater anzueignen,
macht Rheinsberg damit ein einzigartiges Lehr- und Lernangebot.
Neben der Vermittlung des praktischen Know-how durch erfahrene Komponisten,
Liberettisten, Musiktheaterdramaturgen und Musikkritiker will die
Opernwerkstatt „Geburtshelfer“ sein. Neue Musiktheaterwerke,
die die Bedürfnisse und Anliegen unserer Zeit widerspiegeln,
sollen das Licht der Welt erblicken. Darüber hinaus sollen
die neuen Opern in Auszügen aufgeführt und so den internationalen
Opernhäusern schmackhaft gemacht und ans Herz gelegt werden.
In diesem Jahr haben 530 Sänger und Sängerinnen –
so viel wie noch nie – am internationalen Gesangswettbewerb
in Rheinsberg teilgenommen. Der Wettbewerb fand an zwei Orten, in
Berlin und Budapest, statt. 40 Preisträger sind ermittelt,
die in den Opernaufführungen, der Operngala und den Konzerten
zu hören sein werden. Das Festival findet vom 26. Juni bis
zum 14. August statt. 28 Aufführungen und Konzerte sind geplant.
Im Schlosshof gibt es die konzertante Aufführung von Gaetano
Donizettis „Lucia di Lammermoor“ und dreimal die Operngala.
Im Schlosstheater inszeniert der langjährige Chefregisseur
der Komischen Oper Berlin, Harry Kupfer, Georg Friedrich Händels
äußerst selten gespielte Oper „Otto und Teofane“.
Ebenfalls im Schlosstheater werden ein Peter-Hacks-Abend, die Konzerte
und die Uraufführung der Opernszenen junger Komponisten stattfinden.
Schlussendlich redet man immer vom Geld. 2004 ist für das
Festival Rheinsberg finanziell ein besonders schwieriges Jahr. Zwei
wesentliche Sponsoren haben ihre Unterstützung eingestellt,
die öffentlichen Gelder aus dem Landkreis sind vorerst nur
unverbindlich zugesagt. Da die Kosten für die Unterbringung
und Verpflegung der zahlreich angereisten Künstler jedoch spürbar
gestiegen sind, hat sich die Festivalleitung bei den Eintrittskarten
erstmals für ein differenziertes Preissystem entschieden: unter
der Woche sind die Preise niedriger als den an begehrten Wochenenden.
Die Veranstalter rechnen mit dem Verständnis der Besucher für
diese notwendige Neuerung und hoffen, ebenso viele Musikliebhaber
in Rheinsberg begrüßen zu können wie bisher.
Hier, wo König Friedrich II. als Kronprinz die „glücklichsten
Jahre seines Lebens“ verbrachte, hat er für kurze Zeit
seinen Traum von einem Musenhof verwirklicht. In dem von seinem
Freund Knobelsdorff umgebauten Schloss umgab er sich mit Künstlern
und Philosophen, diskutierte, musizierte und dichtete, noch unbelastet
von den Sorgen der Staatsführung. Er vollendete die Parkanlagen,
ließ das Heckentheater und das Schlosstheater bauen und hinterließ
damit ein Pfund, mit dem das Rheinberger Festival wuchern kann.