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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 15
53. Jahrgang | März
Deutscher Kulturrat
Kommentar
Wunderglaube
Künstlerinnen und Künstler verfügen über ein
durchschnittliches Jahreseinkommen von rund 11.100 Euro, das ist
nur ein Drittel des Einkommens eines normalen Arbeitnehmers. Den
Vergleich zu anderen freiberuflich arbeitenden Berufsgruppen wie
Rechtsanwälten, Steuerberatern und Ärzten will ich erst
gar nicht anstellen. Das geringe Einkommen der Künstler zieht
automatisch eine kleine Rente nach sich. Nach vierzig Versicherungsjahren
können Künstler mit einer Rente von rund 400 Euro im Monat
rechnen. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Noch bedrückender
ist die Lage der Künstlergeneration, die jetzt und in den kommenden
Jahren das Rentenalter erreichen. Sie können die geforderten
vierzig Versicherungsjahre gar nicht erreichen, da die Künstlersozialversicherung
erst 1983 gegründet wurde. Sie müssen mit durchschnittlich
200 Euro im Monat auskommen und sind auf die staatliche Grundsicherung
angewiesen.
Bei der Altersabsicherung hat die Künstlersozialversicherung
im Gegensatz zur Krankenabsicherung den entscheidenden sozialen
Durchbruch für Künstlerinnen und Künstler nicht gebracht.
Ging man bei der Gründung der Künstlersozialkasse noch
davon aus, dass die Altersarmut von Künstlern ein zeitlich
begrenzter Umstand sei, ist heute festzustellen, dass das Problem
der Altersarmut nach wie vor besteht und sich für die Generation
der heute 45- bis 65-jährigen Künstlerinnen und Künstler,
wegen der zu geringen Versicherungszeit zu einem immer größer
werdenden sozialen Problem entwickelt.
Eine Rettung vom Staat für diese von der Politik schmeichelhaft
genannten „Altlasten“ ist kaum zu erwarten. Die aktuelle
sozialpolitische Diskussion ist dadurch geprägt, dass über
Leistungskürzungen und nicht über eine Ausweitung der
Sozialleistungen diskutiert wird. Alle Bevölkerungs- und Berufsgruppen
müssen zur Zeit massive Einschnitte in den sozialen Sicherungssystemen
wie der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und der Rentenversicherung
hinnehmen. Bezieher geringer Einkommen, so auch Künstler, treffen
diese Einschnitte besonders hart. Vor dem Hintergrund dieser Debatten
wird es äußerst schwer sein, neue zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen
in der Sozialgesetzgebung für Künstler zu erreichen. Die
Bundesregierung hat gerade erst unmissverständlich erklärt,
dass sie in dieser Legislaturperiode keine Maßnahmen in der
Sozialgesetzgebung plant, um die soziale Lage der Künstler
zu verbessern. Trotzdem muss jetzt gehandelt werden. Wir brauchen
einen Rentenfonds, der dauerhaft Künstlern Hilfe zum Lebensunterhalt
im Alter gewährt. Die Mittel könnten aus Sondermarken,
ähnlich der Sondermarke „Für den Sport“, und
aus Sondermünzprägungen erwirtschaftet werden. Auch könnte
der Erlös aus speziellen Kulturveranstaltungen an den Rentenfonds
gehen. Zu denken ist an Konzerte und Galas, deren Erlöse zu
Gunsten des Fonds gehen, oder dass an einem Tag im Jahr die Einnahmen
aus allen Theater- und Konzertveranstaltungen sowie der Eintritt
in Museen und auch in Kinos an den Fonds fließen. Um die finanzielle
Katastrophe für die alten Künstlerinnen und Künstler
zu verhindern, darf nicht weiter auf ein Wunder gehofft werden.