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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 50
53. Jahrgang | März
Dossier:
Bücher & Noten aktuell
Vorsicht vor Ludwig van Beethoven
Die Memoiren des russischen Star-Pianisten Lazar Berman
Lazar Berman: Schwarz und Weiß – Erinnerungen
und Gedanken eines Pianisten zwischen Ost und West, Staccato-Verlag,
Düsseldorf 2003, 218 S., € 28,00, ISBN 3-932976-22-3
Was
tun, wenn das Klavier plötzlich Beine bekommt und sich langsam
in Bewegung setzt? Einfach sich an den schwarzen Tasten festkrallen,
rät Lazar Berman aus eigener Erfahrung. Denn wer wie er seit
den 1970er-Jahren endlich auch international zum russischen Pianisten-Jetset
gehören durfte, der hat schon so manch ungeplante Situation
meistern müssen. Wie eben bei einem Konzert in der Universität
von Moskau, bei dem die Radbremsen am Flügel nicht angezogen
worden waren. Solche Tipps für die alltägliche Pianisten-Praxis
gibt es zuhauf in den Memoiren „Schwarz und Weiß“
von Lazar Berman. Wenngleich die nicht immer nur als amüsante
Anekdote verpackt sind. Berman, der mit Emil Gilels und Sviatoslav
Richter als legendäres Triumvirat an die große russische
Klaviertradition anknüpfte, gibt Selbstauskünfte über
sein Arbeiten und musikalisches Denken, die für nachfolgende
Pianistengenerationen durchaus wertvoll sein dürften. So widmet
er sich im Kapitel „Beruf ‘Klavierspiel’“
der Interpretation von Beethovens 4. Klavierkonzert, nimmt er Stellung
zu Kritikern, Wettbewerben sowie zu den Mentalitätsunterschieden
von russischen und deutschen Klavierpädagogen. Doch da Berman
Jahrgang 1930 ist, ist sein Rückblick nicht nur eine Würdigung
seiner Lehrer und Idole Alexander Goldweiser und Vladimir Sofronitzky.
Wie viele seiner prominenten Musikerkollegen hatte Berman mit offiziellen
Widerständen hinter dem Eisernen Vorhang zu kämpfen, den
er erst spät durchbrechen konnte, um in den westlichen Musikmetropolen
Karriere zu machen. Wobei ihm gerade die Zusammenarbeit mit Herbert
von Karajan 1975 half, mit dem er das Tschaikowsky-Konzert einspielte.
Neben den detaillierten Erinnerungen gibt es aber auch einen andere,
überraschende Facette von Berman zu entdecken. So sind Auszüge
aus Bermans Zeichenbüchern zu sehen, mit oftmals bissig skizzierten
Impressionen von Klavierwettbewerben, bei denen der Juror Berman
in den letzten Jahren zur festen Institution wurde. Da haben sich
Friedhöfe voll malträtierter Flügel gebildet, wird
ein Pianist von der Zahlenreihe „111“ aufgespießt
– als Warnung vor den möglichen Auswirkungen der höllisch
schweren Beethoven-Sonate opus 111! Diesen Risiken will sich Berman
aber nun nicht mehr aussetzten. Nach seinem Berliner Recital, das
er im vergangenen Oktober anlässlich der Buch-Präsentation
gab, hat er jetzt endgültig beschlossen, dass das sein letztes
Konzert gewesen sein wird. Immerhin gibt es ja noch von Berman einen
reichen, wenngleich weitverstreuten Nachlass an Schallplatten-Aufnahmen.
Sowie seine Autobiografie, die in ihrer idealtypischen Form diesem
Genre alle Ehre macht.