[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 48
53. Jahrgang | März
Nachschlag
Von Popstars zur Gurkentruppe
Das Popkarussell dreht sich verdammt schnell. Die Gegenwart ist
passé, es geht sofort in die Vergangenheit, die blöderweise
Zukunft heißt. Schon die zweiten Auflagen der Castingshows
„Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) oder „Popstars“
beginnen in der Zukunft. Bands wie Preluders oder Overground müssen
nach einem halben Jahr kaum nachvollziehbaren Daseins im Rahmenprogramm
diverser Go-Kart-Clubs um den „Wanne-Eickel“-Cup auftreten,
um im Geschäft zu bleiben. Ein Szenario, das Jürgen Drews
immerhin erst nach drei Jahren Karriere kennenlernte. Von den Nachfolgern
der finanziell vergewaltigten „No Angels“, „Bro’Sis“,
hört man berechtigterweise gar nichts mehr. Andere wie Juliette
Schoppmann oder Vanessa S. von DSDS Teil 1, bringen zwar Alben auf
den Markt, aber ohne tiefes Dekolleté geht es eben überhaupt
nicht.
Alex K., der erste „Deutschland sucht den Superstar“-Sieger,
wird demnächst im Schmalz seiner einstudierten Pathosgesten
ersaufen oder sich selbst erwürgen. Und mit Daniel Küblböck,
dem modernen Kaspar Hauser, hat man ein Schlagzeilenmonster aus
Niederbayern auf die Öffentlichkeit gejagt, das quer durch
alle Medien und ohne Führerschein – wer sollte ihm den
schon geben? – durch Niederbayern gurkt. „Ja mei,“
wird Küblböck mit seiner Leierkastenleiste sagen, „ich
bin halt voll nach rechts abgebogen und hab mir gedacht, gell, da
kommt bestimmt noch der Alex, der seine Arme nach vorn schmeißt
und den Lastwagen anhält“. Resultat: Künstliches
Koma. Welch Ironie.
Schuld sind wir und die. Wir, weil wir Küblböck &
Konsorten zuhören, die Popmanager, weil sie vor lauter TV-Konzepten
seit Jahren im nachhaltigen Künstleraufbau versagen. Jedes
Jahr rationalisiert ein Küblböck eine weitere Abteilung
in den Klagemauern der Plattenfirmen, die aber dann schwarze Zahlen
schreiben.
Was aber bedeutet das für die aktuelle Staffel von DSDS, also
für die Vergangenheit der beiden Finalistinnen Denise und Elli?
Zunächst einmal, dass es keinen Plattenvertrag gibt. Nach
dem Finale werden beide in die örtliche Müllentsorgungsanlage
gefahren, um die Show „Ich werde ein Star – entsorgt
mich sofort“ zu eröffnen. Anschließend wartet eine
Tour als grüne Punkte (vielleicht kann Bundespräsident
Rau noch seinen Handsegen für die Jugend geben) durch die nationalen
Kläranlagen, denn Bohlen-Songs finden beide sowieso bekackt.
Die Tour endet in Eggenfelden mit einem sozialen Jahr an Küblböcks
Krankenbett (Standort unerheblich) und die Gurkenfracht, die er
per Unfall kompottiert hat, wird von Elli und Denise in der Sendung
„Deutschland sucht den Superkoch“ in täglich wechselnden
Gerichten aufgekocht.
Dabei werden beide mit Dioden verkabelt, die ihnen beim kleinsten
Gedanken an Dieter Bohlen einen 1.000 Volt Stromstoß verpassen.
Und wenn das den Traum Popstar zu werden immer noch nicht zerstört,
ist die bittere Pille unumgänglich: Eine Injektion Jürgen
Drews, ein Flug nach Malle und ein Auftritt im „Oberbayern“.
Sicher schmerzhaft, aber lehrreich. Auch Elli und Denise werden
einsehen: Ein Popstar reicht.