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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 39
53. Jahrgang | März
Jazz, Rock, Pop
Letzte Ausfahrt vor dem Dschungel
Bananafishbones landen mit „36qm²“ wieder im
angestammten Territorium
Ohne Berater und Millionenbudget gründeten Sebastian Horn
(Gesang, Bass), sein Bruder Peter Horn (Gitarre, Gesang) und Florian
Rein (Schlagzeug) die Bananafishbones. Nie mit der Absicht, der
Kommerzschiene zu folgen, ergab es sich dennoch, dass sie ihren
ersten Hit über eine C&A-TV-Werbung („Come to Sin“/1998)
landeten. Leider wurde diese Begebenheit allzu oft oberflächlich
und plakativ als „Bananafishbones-Stempel“ ausgelegt.
„Kommerzband“ lautete der Vorwurf und nicht selten kamen
„One Hit Wonder“-Abkanzelungen. So sind die strengen
glaubwürdigen Medien der Oberfläche, darunter paddeln
sie mit den Schwimmflügeln in der Nähe ihrer „pay
to play“-Anzeigenküsten.
Tatsächlich folgten seit 1998 weitere Singlehits (etwa „Easy
Day“, „Kids“ aus dem UNESCO-Kellog’s-TV-Spot),
drei Alben bei einer Majorplattenfirma, Auftritte mit Bryan Adams,
den Münchner Philharmonikern, Filmmusiken (unter anderem „Der
Bunker“, „Wilde Kerle“) und die Schirmherrschaft
ihres eigenen Open Air Festivals „Hillside“, bei dem
sie als Gastgeber für befreundete Bands, aber auch als Förderer
vieler Nachwuchskünstler fungieren.
Nun hat es aber auch das Tölzer Trio erwischt. Ihre Plattenfirma
setzt auf TV-Konzepte mit verlegbaren Dschungelsongs und babypopoglatte
Castingbands. Menschen mit der Fähigkeit zu musizieren und
popkulturell tätig zu sein, sind nicht mehr gefragt. Der Plattenvertrag
ist weg, die Bananafishbones frei vom flexiblen Diktat der Majorfirma.
Zeit zum Jammern gab es nicht. Gründe schon gar nicht. Vor
allem, „weil es sein musste“, meint Peter Horn. „Wir
haben uns in einer derart großen Maschinerie letztendlich
doch zu eingeschränkt gefühlt.“ Die Konsequenzen
waren schnell gezogen. Die Bananafishbones landeten wieder dort,
wo sie einst begannen.
Heißt: Plattenfirma gegründet, den „36qm²“
großen Keller von Schlagzeuger Florian Rein zum Studio umfunktioniert
und im Crashkurs mit der Aufnahmesoftware „Logic“ vertraut
gemacht. Das waren die „Presets“ für das am 1.
März erschienene Album „36qm²“. „Zusätzlich“,
ergänzt Sebastian Horn, „einigten wir uns auf das Credo,
,es gibt keinen Gedanken, der nicht nachvollzogen werden darf, jeder
Vorschlag ist es wert, ausprobiert zu werden’“.
So entstanden zwölf Songs, die in dieser Deutlichkeit bei
einem Major unumsetzbar gewesen wären. Songs, die Liebe zum
Detail offenbaren („Snoflake“) und trotzdem puristisch
wirken. Lieder, die straßenbegleitende Romantik ohne spröde
Melancholiezitate verbreiten („Palmers“, „Clue“),
Punkeinwürfe („Miracle“) von denen sich die hoch
gezüchteten deutschen „Gitarrenbands“ ein paar
credible Ideen abschneiden sollten, oder gar nicht so schlichte
Spinnereien („Funky Rabbits“). „Die Romantik kam
in der Tat auf der letzten Platte zu kurz“, meint auch Sebastian
Horn, „auch weil wir damals den Schwerpunkt auf die Härte
der Songs legten. Dieses mal haben wir auf gar nichts Wert gelegt,
nur dass uns der Song gefällt“.
So kommt es, dass „36qm²“ an die US-Bands „Barenaked
Ladies“ oder „Ween“ erinnert, die ähnlich
„planlos“ vorgehen. Es handelt aber um keine Kopie oder
musikalisches Anhimmeln, doch in Deutschland ist die Stillosigkeit
der Bananafishbones immer noch teils fremdartig für den radioverwöhnten
Konsumenten. Peter und Sebastian Horn hören den „Barenaked
Ladies“ Verweis nicht ungern. „Für uns sind die
Barenaked Ladies auch ganz groß, weil sie den Tiefgang mit
dem Spass in der Musik verbinden, ohne sich selbst zu wichtig zu
nehmen“.
Und damit sind die Charakterisierungsmerkmale der Bananafishbones
abgesteckt: Tiefgang, Spass und Texte unpathetisch mit Musik verbinden,
bescheiden bleiben und das Mögliche im Unmöglichen suchen.
So wie Sebastian Horn textlich Menschen sucht, die wie Socken im
Kalknirvana der Waschmaschine entschwundenen sind oder flüchtige
Brautmörder verfolgt oder Monsterattacken abwehrt oder Snowboarder
auf dem Weg zur Hölle begleitet.
Diese kalkulierte Unverbindlichkeit der Bananafishbones war stets
der Sympathie auslösende Interessensfaktor. Deshalb gab es
Erfolg vor dem Plattenvertrag und wird es Erfolg ohne Vertrag geben.
Denn Erfolg ist Definitionssache. „36qm²“ mögen
räumlich einschränken, erweitern aber die Perspektiven
aller Dimensionen. Würden doch nur sämtliche Plattenverträge
dieses Landes auslaufen.