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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 39
53. Jahrgang | März
Jazz, Rock, Pop
In Schönheit sterben
Ilya nehmen dem Tod die Freude
Es gibt Produktionen, die vom ersten Ton an ihre Herkunft schwer
verleugnen können. Bei Ilya, einem Trio aus Soundfricklern
und pathetisch Depressiven, war nach fünf Sekunden klar: kommen
aus England und ziemlich sicher aus Bristol. Die Stadt, die Drum’n’Bass
erfunden hat, die Sound designt und jeden möglichen Ton in
jedes nur denkbare Genre mischt.
Dort trafen sich Sängerin Jo Swan (Gesang), Dan Brown (Gitarre,
Programming) und Nick Pullin (alles). Noch als aktive Hochzeits-Coverband
fingen die drei an, ihre eigenen Songs zu entwerfen und konnten
die Invasion der Ideen kaum bändigen. „Eine schwierige
Sache“, wie Jo Swan zugibt. „Es entwickelt sich ein
Stil, den wir nicht beabsichtigt hatten. Dazu kommt, dass man plötzlich
die Tonne Musik, die man in seinem Leben gehört hat, verarbeiten
muss. Von dieser Spontaneität leben wir, aber nichts in unseren
Songs ist berechnend oder beabsichtigt“. Nun, Ilya müssen
Millionen Tonnen gehört haben.
In nahezu unaufgeräumten wie minimalistischen Klangfeldern
marschieren sie auf ihrem Album „They died for Beauty“
durch rücksichtsvolle Jazzakkorde, pflücken Chansonblümchen,
verwenden laminierte Melodiebögen und fahren eine leicht morbid
angehauchte Ernte ein. Dabei stolpert man unregelmäßig
über visuelle Effekte der Bristoler Klangwerkstatt. Diese Effekte
hört aber nur, wer in die Musik einfährt und lange verweilen
möchte. Denn Tod, Leben, Freude und Trauer sind bei Ilya nicht
mit Grenzpflöcken markiert. Jeder Film der Sparte „film
noir“ würde sich über diese Songs freuen, die so
unbeteiligt im Hintergrund plätschern, aber erst nach Ende
des Films im Kopf zu arbeiten beginnen. Das ist die großartige
Leistung der Soundlobbyisten von Ilya. Ein geschlossenes System
zu schaffen, das Jon Swan mit „Theaterproduktionen“
vergleicht. Und wenn die Bläserschneisen in die reine fast
ärmliche Bionatur der Songs einfallen und Lokatoren setzen,
die prägen, möchte man Jo Swan diese Geschichte mit der
Spontaneität nicht mehr abkaufen. Aber vielleicht belügen
wir uns ja alle selbst in unserer Unfehlbarkeit, denn trotz Ilya
wartet am Ende der Tod. Freudige Aussichten.