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nmz-archiv
nmz 2004/03 | Seite 20
53. Jahrgang | März
Rezensionen
Eine reizvolle Mixtur
Parsifal-Film auf DVD bei Arthaus Musik
Richard Wagner: Parsifal. The search for the Grail; Placido
Domingo, Violeta Urmana, Matti Salminen, Feodor Mojhaev u.a., Kirov
Chor und Orchester des Mariinsky Theaters, Valéry Gergiev;
Regie: Tony Palmer
ARTHAUS 10060010 (1 DVD)
Der Titel ist – trotz ergänzendem Untertitel: Die Suche
nach dem Gral – etwas verwirrend, denn nicht eine neue Gesamtaufnahme
des „Parsifal“ (die auch schwerlich auf eine DVD passen
würde) legt Arthaus Musik vor, sondern einen Film mit Kommentaren,
Assoziationen, filmischen Szenen und Ausschnitten einer Aufführung
des Mariinsky Theaters in St. Petersburg.
Hitlers Folgen auf die von Wagner selbst intendierte „Parsifal“-Deutung
als Rettung des arischen Blutes werden dabei keineswegs verschwiegen,
sondern geradezu gespenstisch deckungsgleich wird Wagners Marsch
der Gralsritter mit Bildern von Hitlers Triumphzug in Berlin und
NS-Trommlern verglichen oder die fanatische Hitler-Begeisterung
in Bayreuth mit jener der Gralsritter bei Enthüllung des Gralsgefäßes.
Ingmar Bergmans „Das siebte Siegel“, Steven Spielbergs
„Indiana Jones“, Harrison Fords „Der letzte Kreuzzug“
und Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ fügen
sich in das Gesamtbild der Deutungsversuche. Weiter verknüpft
die sehr britische Mixtur Aufnahmen russisch-orthodoxer Gläubiger
beim Abendmahl, verschiedenste Statements mit Szenen aus der abschreckend
kitschigen „Parsifal“-Inszenierung des Kirov-Theaters.
Geradezu leitmotivischen Charakter erhalten Sequenzen aus Tony Palmers
Filmepos „Richard Wagner“ mit Richard Burton, insbesondere
Szenen der Dresdener Revolution ergänzt durch filmische „Parsifal“-Spielszenen
als Außenaufnahmen in Ravello. Dass bei solcher Vielfalt dennoch
ein Kunstwerk eigener Provenienz entsteht, zeigt die Meisterschaft
des Regisseurs Tony Palmer. Als Opernführer mit verbindenden
und erläuternden Texten tritt Placido Domingo ins Bild. In
charakteristischen Ausschnitten mit Violeta Urmana als stimmgewaltiger
Kundry, Matti Salminen als erfreulich unpathetischen Gurnemanz,
einem um so pathetischeren Amfortas von Feodor Mojhaev und Nikolai
Putin als einem dämonischen Klingsor mit überlangen Fingernägeln
vermag Domingo als Interpret der Titelpartie stimmlich zu überzeugen,
während der Chor des Kirov-Theaters insbesondere mit deutschen
Diphtongen seine Schwierigkeiten hat. Als Kommentator verschweigt
auch Domingo nicht Wagners antisemitische Deutung, erklärt
aber die Intensivierung des Mitleids zur Liebe als treffliche Aussage
für unsere Gegenwart, in der – so Domingo – mehr
kriegerische Handlungen und rassische Vorurteile ihre Opfer fordern
als im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.