Die neue Konzertreihe des Ensembles musikFabrik im WDR Köln
Noch geschehen Zeichen und Wunder und wird selbst in Köln
zu Zeiten von Einsparungen, Kürzungen, Schließungen wieder
einmal etwas Neues in Sachen Kultur und Musik auf den Weg gebracht.
Nachdem bereits Anfang der 1990er Jahre für die Zeit nach der
Renovierung des großen Sendesaals im WDR eine Öffnung
für externe Veranstalter angekündigt worden war, veranstaltet
das seit Ende 2002 in Köln ansässige Landesensemble musikFabrik
NRW jetzt in Kooperation mit dem WDR, der KölnMusik und der
Kunststiftung NRW seine erste von vorerst drei Spielzeiten mit einer
eigenen Aboreihe im Klaus von Bismarck-Saal des WDR Köln.
Nach der Eröffnung Anfang Dezember mit Werken von David Lang,
Mauricio Sotelo und Louis Andriessen sowie einem zweiten Abend mit
der vollständigen Aufführung von Wolfgang Rihms voluminösem
„Chiffre“-Zyklus Mitte März gab das Spitzenensemble
auch mit seinem dritten Konzert eine überzeugende Vorstellung
von seiner hohen Professionalität, technischen Präzision,
Energie und Spielfreude. Das Programm bestand durchgängig aus
virtuoser Konzertmusik und wirkte dadurch etwas homogen. Es verlangte
den Musikern, die ihre Programme selbstverantwortlich gestalten,
viel ab und erweckte den Eindruck, als hätten sie es bewusst
auf eine Demonstration ihrer glänzenden Fertigkeiten abgesehen
gehabt. Zuweilen wurden die hyper-polyphonen Texturen vom Dirigenten
Diego Masson jedoch nicht mit der nötigen dynamischen Differenzierung
herausgearbeitet, so dass die inneren Bewegungen und Färbungen
der einzelnen Stimmen gelegentlich hinter einem gleichmäßig
dichten Gewirr verschwanden. Im Fall der „Parts“ von
Hanspeter Kyburz war die undifferenzierte Verausgabung der Mittel
und Kräfte indes Teil der Komposition selbst, die nur Extreme
kennt und hinter einer zur Schau gestellten Virtuosität einen
formal traditionellen und wegen seiner Schematik wenig expressiv
wirkenden Wechsel von sehr lauten und schnellen Passagen mit sehr
leisen und langsamen erkennen lässt. Ähnliches gilt von
Michael Jarrels „…prisme/incidences II…“,
einem massiv instrumentierten Konzert für Ensemble mit obligater
Solo-Violine, das eine Aufstockung des Ensembles auf fast dreißig
Musiker erforderte und nach ruhigem Anfang und tumultösem Mittelteil
erst wieder am Schluss ein schmales Fenster für den valeurreichen
Klang des Soloinstruments öffnete (Hae-Sun Kang).
Neben Iannis Xenakis „Thalleïn“ von 1984, dessen
zupackende Schlagzeugeinlagen, unregelmäßige Tutti-Akzente
und frühlingshaftes Sujet („Aufblühen“) an
Igor Strawinskys „Sacre du Printemps“ erinnerten, erklang
als Uraufführung Alessandro Solbiatis „Nora“ für
Cimbalom und sieben Instrumente. Der hierzulande wenig bekannte
Italiener bot klangschöne Kombinationen des leicht metallisch
klirrenden Soloinstruments (Luigi Gaggero) mit Schlaginstrumenten
und geräuschhaft aufgerauten Streichern. Darüber hinaus
war sein Stück ein gut gemeinter, aber aufgesetzt wirkender
Versuch, anhand unvermittelt einfallender Jazz- und Walzereinlagen
die Grenzen der neuen Musik zu sprengen. In der Vergangenheit präsentierte
die musikFabrik bereits gelungenere Grenzgänge zu anderen Musikformen
und Sparten, zu Film und Theater.
So dankbar die neue Reihe in Köln angenommen wird, so wünschte
man sich bei der Programmgestaltung gelegentlich eine größere
Berücksichtigung des kompositorischen Nachwuchses. Bisher vertreten
sind fast ausnahmslos die mittlere und ältere Komponistengeneration.
Auch die Ergänzung der Programme um einen regionalen Akzent
könnte dem Landesensemble im internationalen Vergleich mit
anderen Formationen zu einem eigenständigeren Profil verhelfen,
ohne dass es sich damit gleich zum Büttel der in NRW und Köln
ansässigen Komponisten zu machen braucht. Stattdessen gibt
es mit Anton Webern, Heiner Goebbels und Beat Furrer Überschneidungen
mit den Vorlieben von ensemble modern und Klangforum Wien. Mit Andriessen,
David Lang und Kagel präsentiert die neue Reihe außerdem
einige Komponisten doppelt, was umso weniger zwingend erscheint,
als ausgerechnet der einzige Kölner Komponist in der Domstadt
ohnehin regelmäßig zu hören ist. Zu wünschen
wäre den Grenzgängern der musikFabrik daher etwas mehr
Mut zur Überschreitung der Grenzen im bzw. ins eigene Land
und hin zum kompositorischen Nachwuchs.