[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/07 | Seite 21
53. Jahrgang | Juli/Aug.
Forum Musikpädagogik
Vorschulförderung auch in der Musikschule?
Der Trend zu mehr Bildungsinhalten im Vorschulalter und die musikalische
Früherziehung
Es ist klar erkennbar: Nicht mehr mit dem ersten Schultag, sondern
schon viel früher soll die Bildung unserer Kinder beginnen.
Schon im Kindergarten sollen den Kleinen deutlich mehr Kenntnisse
und Fertigkeiten in den Bereichen Sprache, Naturwissenschaften,
Mathematik, Musik, körperliche Bewegung und anderen vermittelt
werden. Die Arbeit mit Vorschulkindern wird also zukünftig
ein umfangreicheres Bildungsspektrum abdecken. Im Zuge dieses Trends
könnte die musikalische Früherziehung sich ebenfalls weiterentwickeln
und mit zusätzlichen erzieherischen Inhalten eine adäquate
Ergänzung zur angestrebten neuen Vorschulförderung sein
– eine neue Chance für die Musikschulen?
Kein Zweifel – Bildung ist „in“. Die nicht gerade
schmeichelhaften Ergebnisse, die die deutschen Schüler in der
so genannten PISA-Studie erzielten, haben hierzulande zu vielerlei
Debatten über mögliche Wege aus der Bildungsmisere geführt.
Unsere Kinder sollen mehr und besser lernen, und – das sind
die neuen Pläne – sie sollen früher lernen. Nicht
erst in der Schule, sondern bereits im Kindergartenalter soll Bildung
beginnen.
Der Trend der neuen Bildungs- und Erziehungspläne geht daher
trotz unterschiedlicher Schwerpunkte der jeweiligen Bundesländer
eindeutig in die Richtung, den Kindern bereits im Vorschulalter
mehr Bildungsinhalte zu vermitteln: Sprache, Mathematik, Naturwissenschaften,
Bewegungserziehung, Gesundheit, Musik, der bildnerische Bereich
und andere Bildungs- und Förderungsbereiche gehören zum
Bildungsspektrum, das den Kindergartenkindern in Zukunft angeboten
werden soll. Dieser Anspruch setzt neue Maßstäbe für
das Lernen mit Kindern im Vorschulalter – nicht nur im Kindergarten,
sondern vermutlich auch für diesem Alter entsprechende Bildungseinrichtungen
im privaten Bereich. Und damit sind wir bei den Musikschulen.
Mit dem neuen „Bildungsideal“, das derzeit für
den Vorschulbereich im Entstehen ist, könnte sich sowohl für
die erzieherische Rolle als auch für das pädagogische
Selbstverständnis der musikalischen Früherziehung ein
neues Zusatzspektrum vorschulischer Bildungsaufgaben auftun. Die
Musikschulen hätten die Chance, als adäquate Ergänzung
zum nunmehr breiter gefächerten und anspruchsvolleren Bildungsprogramm
in den Kindergärten die „klassische“ Musikerziehung
mit Vorschulförderung zu verbinden. Hierbei könnte der
Bogen sich von körperlicher Bewegung über spracherzieherische
Elemente bis hin zum kognitiven, sozialen und affektiven Bereich
spannen.
Die musikalischen Lerninhalte lassen sich in idealer Weise mit
den oben genannten verknüpfen: Körperliche Bewegung kann
etwa bei Tanzbewegungen, Gestik und Gebärden zur Musik praktiziert
und erfahren, die Feinmotorik durch Malen, Basteln und Gestalten
unterstützt werden. Durch die Beschäftigung mit Geräuschen
und Tönen werden die akustische Differenzierungsfähigkeit
und das Konzentrationsvermögen geschult. Das Vertrautwerden
mit Liedertexten, Anregungen zum „Weitertexten“ und
das Gespräch in der Gruppe können die sprachliche Entwicklung
fördern. Es gäbe sicher viele Möglichkeiten, die
Vorschulförderung in ihrem neuen pädagogischen Anspruch
zu ergänzen und damit den Kindern auch in der musikalischen
Früherziehung ein mit mehr allgemein erzieherischen Inhalten
angereichertes und damit umfassenderes Bildungsangebot zu bieten.
Gut möglich, dass eine derartig erweiterte „Bildungsleistung“
den Besuch einer Musikschule in den Augen vieler Eltern noch attraktiver
macht, da der Preis für die privat bezahlte musikalische Früherziehung
ja dann als Investition in ein Spektrum an Bildung und Förderung
des Kindes verstanden werden kann, das deutlich über die bloße
musikalische Förderung hinausgeht. Ein Konzept, in dem diese
Idee der Vereinigung von musikalischer Früherziehung und Vorschulförderung
umgesetzt wurde, ist bereits auf dem Markt („Mein Musimo:
Rhythmische Musikerziehung mit Vorschulförderung“, erschienen
im Schuh Verlag ) und wird erfolgreich im Unterricht angewendet.
Man darf gespannt sein, in welcher Weise und Geschwindigkeit das
Bildungswesen im Vorschulbereich sich in den nächsten Jahren
wandeln wird. Die derzeitigen Diskussionen und Änderungen in
diesem Feld werden in vielerlei Hinsicht ihre Auswirkungen auf die
weitere Entwicklung und den Stellenwert der Vorschulpädagogik
haben. Es liegt bei den Musikschulen, ihre Rolle hier zu überdenken
und sich gegebenenfalls im hart umkämpften Feld privater Bildungsangebote
neu zu positionieren – wie gesagt, Bildung ist „in“.