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nmz-archiv
nmz 2004/07 | Seite 12
53. Jahrgang | Juli/Aug.
Nachschlag
Ramadama
Lange hat er rührend den Freund der Independent Labels und
damit des Mittelstands gegeben. Letztendlich scheint EU-Wettbewerbskommissar
Mario Monti mit seiner Kommission keine Bedenken mehr zu haben,
der Fusion zwischen den Musiklabels Sony Music und BMG den europäischen
Segen zu erteilen. Natürlich auflagenfrei. Man möchte
die darbende Industrie ja moralisch subventionieren.
Ein Zusammenschluss mit Folgen: Die Fusion würde „Sony
BMG“ zum größten Musiklabel der Welt machen. Nach
aktuellen Zahlen der IFPI ist der Marktanteil des derzeitigen Weltmarktführers
Universal auf 23,5 Prozent gefallen. „Sony BMG“ hätte
miteinander 25,1 Prozent. Den Sinneswandel in der EU-Kommission
rief ein Treffen von Label-Vertretern und Wettbewerbsschützern
hervor. Offensichtlich ließen sich die Beamten von den Phonoindustriellen
einlullen und folgten der Argumentation des Jammerns: „Der
Musikmarkt sei durch illegale Downloads und der unsachgemäßen
Benutzung von CD-Brennern in einer schwierigen Situation“.
Gutgläubig folgte Montis Arbeitstrupp dem Armuts-Plädoyer,
das Einsparungen bis 400 Mio. Dollar nach sich ziehen soll.
Wie diese Rationalisierungen mit der von BMG-Präsident Maarten
Steinkamp angekündigten Wende in der Künstlerpolitik (Superstars
raus, frische Stars langfristig aufbauen) in Einklang zu bringen
sind, bleibt unklar. Denn: Wer weiß denn bei BMG noch, wie
Stars mit Potential über Jahre aufgebaut werden? Wo sind denn
die Produzenten und Komponisten, die Songs schreiben bzw. arrangieren
können aber wegen Bohlen nicht mehr durften? Welcher A&R
(Artist & Repertoire) hat im Haus Bertelsmann noch das Gespür
Talente zu sichten? In Zeiten des Casting-Wahns wurden jene Mitarbeiter
hinaus komplementiert. Diese Arbeitsplätze müssen im Sinn
der neuen BMG-Politik neu und durch Personalinvestitionen neu besetzt
werden. Künstleraufbau bedeutet nach wie vor zu investieren
und bleibt riskant. Zwar verweisen die Labels auf Cash-Cows wie
Jennifer Lopez (Sony) und Santana (BMG), aber sicher sind diese
Einnahmequellen nicht, betrachtet man die Verkaufseinbrüche
solcher Altstars wie George Michael, Michael Jackson.
Die Argumentations-Schwäche der Labels vor der EU bekommt
zudem einen faden Beigeschmack, weil der kapitalste, selbst verursachte
Fehler, unter den Verhandlungs-Tisch gekehrt wurde: Das Verschlafen
des digitalen Zeitalters. Sündhaft teure Download-Plattformen
veröden. Urheberrechts-Fragen warten auf Antworten (Stichwort
CeBit) und attraktive Preispolitik bleibt der Industrie getreu dem
Motto „Absahnen statt Abladen“ fremdartig. Da die EU
für diese Art der verfehlten Unternehmens-Politik immer ein
offenes Ohr hat, sind weitere Einwände bezüglich des Mergers
kaum zu erwarten.
Hilfesuchend blickt man also zu den Independent Labels dieser Welt.
Diesem Gallier Dorf der Phonobranche. Wie reagieren sie auf den
Zusammenschluss (Entscheidung am 22. Juli 2004) – schließlich
würde ihr Anteil am weltweiten Musikmarkt nach der Fusion von
27,1 auf 25,3 Prozent fallen. Zunächst einmal mit zaghaften
Pressemitteilungen der IMPALA (Zusammenschluss prominenter Independent
Labels): Man findet den Merger bedrohlich und klagt, falls die Genehmigung
ohne Auflagen erteilt wird, denn der Musikmarkt würde künftig
von zwei Großmächten beherrscht. Die alte Thesenkette
eben.
Schade, dass die Indie Labels immer noch keinen Weg gefunden haben
zu agieren statt auf Entwicklungen der Majors zu reagieren.
Vielleicht werden sie sich bald ärgern, nicht konsequenter
gehandelt (Vertriebsstrukturen, Marketingkonzepte) und nur hier
und da Synergien-Geplänkel initiiert zu haben. Dann, wenn den
Majors wieder eingefallen ist, wie man Stars á la Madonna
aufbaut. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die Gespräche
der Indie Labels mit den Wettbewerbshütern bringen. Vielleicht
fällt die Kommission noch einmal um. Vielleicht entschließt
man sich, Musik wieder in den Mittelpunkt zu stellen. EMI und Warner
haben unabwartend schon mal das Aufgebot bestellt.