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nmz-archiv
nmz 2004/07 | Seite 39
53. Jahrgang | Juli/Aug.
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
Conlon Nancarrow: Studies and Solos; Bugallo-Williams Klavierduo
Wergo 6670 2
Nancarrow
hat viele seiner Stücke für das Player-Piano geschrieben
– weil sie auf dem Klavier von menschlicher Hand nicht aufzuführen
waren. Jetzt werden sie dennoch von ihr eingeholt. Eine beachtliche
Leistung, auch wenn Helena Bugallo und Amy Williams die Studien
doch sehr moderat angehen (müssen). Die Klaviermaschinen
werden wir in den nächsten Jahrzehnten vielleicht vergessen
können.
Alles Theater – Werke von Berio, Hidalgo, Aperghis, Perezzani,
Ronchetti und Bauckholt; Neue Vocalsolisten Stuttgart
Stradivarius 33680
Das deutsche (weltweite) Spitzenensemble in Sachen solistischer
Gesangsensemblemusik blättert sein Können auf. Sprach-
und Sinnverwirrungen auf höchstem Niveau! Eine interpretatorische
Qualität, hinter der die Substanz mancher Stücke (Perezzani,
Ronchetti) nicht immer mühelos mitkommt.
Helmut Lachenmann: Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
(Tokyo-Fassung); SWR Sinfonieorchester, Sylvain Cambreling.
ECM 1858/59 (4761283)
Am bahnbrechenden Opernwerk der letzten 20 Jahre wirkte allenfalls
der große Leonardo-Einschub (das schon davor existierende
Stück „...zwei Gefühle...“) ein wenig irritierend,
da er das Geschehen beiseite rückt und selbst, als mache
der Opernverlauf Urlaub in vulkanischer Landschaft im Süden,
eigene Manifestation beansprucht. Der Einschub selbst ist dramaturgisch
höchst berechtigt, öffnet er doch die inhaltliche Seite
ins Allgemeine. Lachenmann machte ihn nun kürzer und erratischer
– ein reflektierender Erzählblock auf einer Leitklangbasis.
Insgesamt wirkt das konsequenter, die Leonardo-Episode ist als
Vision hin auf andere Rätsel- und Erkenntniswelten zu begreifen.
Die Interpretation durch Cambreling ist höchst durchsichtig
und angespannt – großartig!
Hans-Joachim Hespos: kaleidoskopes luftsilber, spirits to akkordeon,
e-bass und elektroakustische wandler; Sven Hermann, electrified
accordeon; Matthias Hettmer, electric bass
artists own AOL 3003 (www.interzone-perceptibile.de,
vertrieben von nrw vertrieb, www.nrwvertrieb.de)
54 Minuten Krausgänge des Klingens über alle Erfahrung
hinaus. Unkenntlichkeit der Instrumente in gewaltiger Verzerrung,
Dichte und Weite, Protuberanzen, Konvulsionen, Explosionen, Innenlandschaften
unter Pressdruck, Zusammenbrüche, irritierende Stillstände.
Maßloses.
Roman Haubenstock-Ramati: Cathédrale I (für Soloharfe)
und II (für Harfe und Tonband); Giovanna Reitano, Harfe
col legno WWE 1 CD 20220
Der utopische spektrale Farbsinn von Haubenstock-Ramati ist
aus jedem Klang dieser beiden 1988, sechs Jahre vor seinem Tod,
geschriebenen großen Harfenkompositionen. Strukturelle Musik
von höchster gläserner Sinnlichkeit.