[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2004/07 | Seite 42
53. Jahrgang | Juli/Aug.
Noten
Musikalische Sträuße, locker gebunden
Verschiedene Notenbearbeitung der Familie Johann Strauß
Johann Strauß (Sohn): Einzugsmarsch o. op., hrsg. v.
Norbert Linke; Eijen a Magyär! Polka schnell op. 332, hrsg.
v. Norbert Nischkauer; Glücklich ist, wer vergisst! Polka Mazurka
nach Motiven der Operette ~Die Fledermaus” op. 368, hrsg.
v. Isabella Sommer; Persischer Marsch op. 289, hrsg. v. Thomas Aigner;
Pizzicato-Polka, Polka francaise (1. Fassung) o. op. hrsg. v. Norbert
Rubey; Seid umschlungen Millionen! Walzer op. 443, hrsg. v. Norbert
Rubey (alle bei Diletto musicale; Doblingers Johann Strauß
Gesamtausgabe in Zusammenarbeit mit dem Wiener Institut für
Strauß-Forschung).
Ders.: Im Krapfenwaldl, Polka francaise op. 336, hrsg.
v. Fritz Racek; Louischen, Polka francaise op. 339, hrsg. v. Fritz
Racek (alle bei Johann-Strauß-Gesellschaft-Wien Doblinger-Universal-Edition).
Ders.: Alliance-Marsch op. 158, hrsg. v. Michael Rot; Champagner-Polka.
Musikalischer Scherz op. 211, hrsg. v. Michael Rot (alle bei
Neue Johann Strauß Gesamtausgabe, Strauß Edition Wien,
Kassel).
Johann Strauß (Vater): Ballnacht-Galopp op. 86; Die Friedensboten.
Walzer op. 241; Johann Strauß (Sohn: Heski Holki-Polka op.
80; Von der Börde, Polka francaise op. 337 (alle bearbeitet
von P. Totzauer für 2 Violinen, Viola und Kontrabass in der
Reihe ~Wiener Melange”, Doblinger Wien.
Wiederholt hat Johann Strauß Sohn (1825–1899) den Wunsch
geäußert, seine Werke und die seines Vaters (1804–1849)
in einer Gesamtausgabe zu veröffentlichen. Dieser Wunsch war
weder ungewöhnlich noch unbescheiden angesichts der zu seinen
Lebzeiten einsetzenden Gesamtausgaben der Werke von J.S. Bach (ab
1850), G.F. Händel (ab 1858), W.A. Mozart (ab 1867) et cetera,
die der Komponist mit Interesse verfolgte. Auch hatte Strauß
bereits zu seinen Lebzeiten einen Bekanntheitsgrad und eine Bedeutung
in der Weltöffentlichkeit erlangt wie vor ihm wohl kein anderer
Komponist. Doch die gewünschte Gesamtausgabe, die für
die Rezeption nicht nur seiner Werke, sondern auch jener der anderen
komponierenden Mitglieder der Strauß-Familie von größter
Bedeutung gewesen wäre, fand nicht statt. Strauß’
Kompositionen und die seiner Brüder erschienen in einer Reihe
größerer und kleinerer Verlage, häufig von vorneherein
als Bearbeitungen für Klavier oder für reduzierte Instrumentalbesetzungen.
Johann Strauß gelang es lediglich, im Jahre 1889 eine Gesamtausgabe
der Werke seines Vaters (für Klavier) in 7 Bänden herauszubringen.
Eine weitere Aufarbeitung des äußerst umfangreichen Gesamtwerks
der Strauß-Familie wurde zusätzlich noch durch Erbauseinandersetzungen,
eifersüchtig gehütete Privatsammlungen, Verluste und schließlich
durch die geradezu herostratische Tat des jüngeren Bruders
Eduard Strauß (1835–1916) behindert, der das „drei
Wagenladungen“ umfassende Archiv der Strauß-Kapelle,
die immerhin 78 Jahre (1834–1902) bestanden hatte, im Jahre
1907 verbrennen ließ. Damit war die wohl wichtigste Quelle
für unterschiedliche Fassungen, nachträgliche Verbesserungen
aus dem praktischen Umgang mit den Werken inklusive späterer
Instrumentations-Retuschen für immer zerstört. Das ohnehin
recht unübersichtliche Feld der Werkveröffentlichungen,
bei denen nicht immer feststand, welcher Teil der Strauß-Familie
das jeweilige Werk komponiert hatte (mehrere Werke entstanden auch
in Zusammenarbeit wie etwa die berühmte „Pizzicato-Polka“),
wurde noch weiter durch eine Unzahl von Ausgaben anderer Verlage
für die unterschiedlichsten Besetzungen vom Salontrio bis hin
zur Militärmusik verwirrt.
Immerhin hatte sich die österreichische Musikwissenschaft
schon bald nach dem Tode von Johann Strauß Sohn um eine Aufarbeitung
des Bestandes bemüht. Viktor Keldorfer (1873–1959) besorgte
in den Denkmälern der Tonkunst in Österreich sowie in
sorgfältig redigierten Taschenpartitur-Ausgaben die Veröffentlichung
von besonders bekannten Werken. Als weitere wichtige Ausgabe ist
schließlich „Die Fledermaus“ (Zürich 1968)
von Hans Swarowsky zu erwähnen, die weitgehend modernen Editionsmethoden
entspricht. Daneben sind weiterhin alte mit zahlreichen Fehlern
behaftete Ausgaben in praktischem Gebrauch. Der Verbreitung, Veröffentlichung
und Aufführung der Werke der Strauß-Dynastie widmet sich
heute ein über die Welt gebreitetes Netz von Strauß-Gesellschaften,
Vereinen und Klangkörpern, das durch ständige Neu-gründungen
immer dichter wird.
Hier seien die Johann-Strauß-Gesellschaft Wien (gegründet
1936), und das Wiener Institut für Strauß-Forschung herausgegriffen.
Folgende Ziele werden verfolgt: eine neue Strauss-
Gesamtausgabe, der Aufbau einer Johann Strauß Datenbank und
die Herausgabe sämtlicher Briefe und Dokumente von Johann Strauß
Sohn bei Schneider in Tutzing. Eine Gesamtaufnahme seiner Werke
auf 52 CDs wurde bereits 1997 abgeschlossen.
Die in Doblingers Reihe „Diletto Musicale“ in Zusammenarbeit
mit dem Wiener Institut für Strauß-Forschung erschienene
Werkgruppe (siehe oben) vereinigt sinnvoll wissenschaftliche Aufbereitung
(Vorwort deutsch/englisch, Revisionsbericht) mit Praxisbezogenheit.
Eine erfreuliche Zutat stellen die reproduzierten Titelblätter
der Erstausgaben dar, die den Glanz der Strauß-Epoche atmen.
Die beiden Polkas „Louischen“ und „Im Krapfenwaldl“
(letztere ursprünglich „Im Pawlowsk-Walde“ tituliert),
innerhalb der Johann Strauß Gesamtausgabe von der Johann-Strauß-Gesellschaft
Wien betreut und in Kooperation von Doblinger und Universal-Edition
publiziert, sind noch von dem Strauß-Pionier Fritz Racek herausgegeben,
der 1965 mit der Leitung der Johann Strauß Gesamtausgabe betraut
wurde. Hier fällt an den Partituren die Auseinanderlegung der
einzelnen Blechbläserstimmen ins Auge, ein Aufwand, der angesichts
der eher schlichten Stimmbewegungen entbehrlich ist und lediglich
das Rastral verkleinert. Ein detaillierter Editionsbericht ist durch
einen Artikel „Zur Edition“ ersetzt. Ansonsten ist diese
Ausgabe in Ausstattung und Qualität mit der vorigen identisch.
Die Ausgaben der „Champagner-Polka“ und des „Allianz-Marsch“
verantwortet die Strauß Edition Wien in Zusammenarbeit mit
dem Bärenreiter-Verlag und der Johann Strauß-Gesellschaft
Wien. Diese Reihe, unter der Patronanz der Wiener Philharmoniker
stehend, hebt sich nicht nur durch die Aufzählung prominenter
Förderer von den anderen Ausgaben ab. Ein Vorwort (Monika Fink,
Walter Pass) behandelt die Geschichte der Werkentstehung. Statt
der historischen Titelblätter erscheinen allerdings Faksimiles
von Abschriften fremder Hand, was wohl nur dem flüchtigen Beschauer
den Eindruck von Authentizität zu vermitteln vermag; die eingehenden
Revisionsberichte versöhnen jedoch wieder. Mit den in der Doblinger-Reihe
„Wiener Melange“ veröf-fentlichten Stücken
beschreitet der Verlag den historisch vorgezeichneten Weg der Strauß-Bearbeitung
weiter, wobei diese Ausgabe dem „Ensemble Wien“ verpflichtet
ist, das in der angegebenen Besetzung (2 Violinen, Viola und Kontrabass)
spielt. Der im Nachwort von Peter Totzauer vertretenen Ansicht,
der Kontrabass wäre in der Strauß-Aera wegen seiner größeren
Klangstärke dem Violoncello als Bassinstrument vorgezogen worden,
könnte eine wesentlich schlichtere Begründung entgegengesetzt
werden: Die kleinen Ensembles spielten in dieser Epoche im Stehen
auf – da hätte ein sitzender Cellist nur gestört.