Zum 80. Geburtstag von Klaus Huber am 30. November
Die Rezeptionsmechanismen der Neuen Musik sind manchmal schwer
zu durchschauen. Einerseits gibt es den Königsweg der Großkomponisten,
deren runde Geburtstage in den Konzerthäusern der Republik
mit tagelangen Festivals zelebriert werden. Andererseits die mehr
verschlungenen Pfade für jene, die es sich und den andern immer
ein wenig schwerer gemacht haben. Warum der eine hier, der andere
dort landet, ist nicht immer leicht erklärbar – ebenso
wenig, warum die komplizierteren Fälle dann doch immer wieder
eine entscheidende Langzeitwirkung entfalten.
Klaus Huber. Foto: Charlotte
Oswald
Zur zweiten Kategorie von Komponisten gehört der nun 80-jährige
Klaus Huber. Ein unbequemer Zeitgenosse, der sich mit seiner künstlerischen
und politischen Intransigenz nicht nur Freunde gemacht hat. Seine
kompositorischen Qualitäten stellt indes niemand in Zweifel,
seinen visionären Anschauungen werden auch da respektiert,
wo sie zum Widerspruch herausfordern. Trotzdem nutzte nun kein Veranstalter
die Gelegenheit zu einer großen Werkschau, die eine Konfrontation
mit Hubers ebenso komplexer wie querständiger Gedankenwelt
ermöglicht hätte. Die Programmakzente etwa in Witten,
Strassburg (Ensemble Linea), Frankfurt und Berlin (Ensemble Modern)
machen das Defizit nicht wett.
In seiner Schweizer Heimat wurde Hubers Geburtstag, abgesehen
von der von Heinz Holliger initiierten Aufführung von „Die
Seele muss vom Reittier steigen...“ beim Lucerne Festival,
fast durchwegs missachtet. Nicht einmal die IGNM, deren Ehrenmitglied
Huber ist, fand es für nötig, bei den Weltmusiktagen in
der Schweiz etwas von ihm aufzuführen. Ein vom Warschauer Herbst
erwünschtes Gastspiel eines Schweizer Ensembles zerschlug sich
aufgrund organisatorischer Unfähigkeit der Eingeladenen. Ebenso
provinziell verhielt sich das Künstlerhaus Boswil, dessen internationaler
Ruf maßgeblich auf das 1969 von Huber gegründete Kompositionsseminar
zurückgeht. Doch seit Gottfried Keller weiß man ja eigentlich,
wie die Kulturnation Schweiz in solchen Fällen zu handeln pflegt:
inkompetent. Vor lauter „Geschäftlimachen“ geraten
die wichtigeren Dinge eben manchmal aus dem Blickfeld. Es blieb
Hubers Wahlheimat, der Hansestadt Bremen und ihrem Bürgermeister
Henning Scherf, vorbehalten, den zugereisten Komponisten mit einem
Senatsempfang angemessen zu würdigen.
Doch es gab trotz allem noch einige verstreute und von der Konzeption
her äußerst anregende Initiativen. So setzte die Heidelberger
Biennale einen Akzent mit Aufführungen und einem von der Universität
veranstalteten Symposium über den Zeitbegriff bei Huber und
Jean Barraqué. Und die kleine, aber rührige Musikhochschule
Trossingen veranstaltete auf Initiative von Hugo Noth und Florian
Hoelscher einen viertägigen Workshop, in dem Klaus Huber und
Younghi Pagh-Paan mit Studenten und Dozenten eine Auswahl ihrer
Kompositionen einstudierten und öffentlich aufführten,
flankiert von Werken anderer Schüler Hubers samt Roundtable
zur Rolle des Komponisten als Erzieher. Die hervorragend gelungenen
Interpretationen, darunter die Uraufführung einer neuen Reduktion
von „Die Seele muss vom Reittier steigen...“ für
Sopran, Cello, Bariton und vier Instrumentalisten, zeigten: Hubers
oft schwierige Werke sind eine Herausforderung, die junge Musiker
heute glänzend bewältigen. Anders als in den Köpfen
der Veranstalter gibt es auf dieser Ebene offensichtlich keine Rezeptionsprobleme.
Max Nyffeler
Der Ricordi-Verlag hat zum 80. Geburtstag von Klaus Huber eine
64-seitige Broschüre veröffentlicht, mit Originalbeiträgen
etwa von Hans Zender, Irvine Arditti, Heinz Holliger, Arturo Tamayo,
Michael Gielen, Wolfgang Rihm, André Richard und dem Herausgeber
Max Nyffeler. Sie ist kostenlos erhältlich bei info@ricordi.de