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nmz-archiv
nmz 2004/12 | Seite 30
53. Jahrgang | Dez./Jan.
Deutscher
Tonkünstler Verband
Es geht um die Zukunft unserer Kinder
Anmerkungen zu Markus Hebsackers Buch „Musikschulen in
der Sackgasse?“
Markus Hebsacker schlägt in seinem Buch „Musikschulen
in der Sackgasse?“ das Herauslösen des Einzelunterrichts
aus dem Unterrichtsangebot der öffentlichen Musikschulen und
die Beschränkung auf den Elementarbereich, zeitlich befristeten
Gruppenunterricht und Ensemblespiel vor. Kinder, die vom Gruppenunterricht
in den Einzelunterricht wechseln wollen, sollen die Musikschule
verlassen und vom Privatmusiklehrer unterrichtet werden.
Als stellvertretender Leiter der Stuttgarter Musikschule, als Dozent
in der Berufsausbildung von Musikstudenten an der Musikhochschule
in Stuttgart und als Vater zweier Kinder möchte ich vor allem
aus pädagogischer Sicht dazu Stellung beziehen.
Als Instrumentallehrer versuche ich, meine Schüler in der
für sie passenden Unterrichtsform zu unterrichten. Hier sind
es ausschließlich pädagogische Gründe, die mich
in der Entscheidung leiten, ob etwa ein Kind aus dem Gruppen- in
den Einzelunterricht wechseln soll oder umgekehrt oder ob vielleicht
sogar eine Kombination von beidem für diesen Schüler die
ideale Form ist. Es ist für mich und für den Schüler
überhaupt nicht nachvollziehbar, diese pädagogische Entscheidung
mit einem Lehrerwechsel zu quittieren.
Gute, methodisch präzise Aufbauarbeit verlangt einen Lehrer,
der genau weiß, aus welchen Bausteinen sich eine fundierte
Ausbildung zusammensetzt. Dieser Lehrer muss das Ziel kennen und
in der Lage sein, Kinder von Beginn an systematisch bis zu ihren
persönlichen Grenzen zu führen. Er achtet darauf, dass
in seiner Klasse ein vernünftiges Verhältnis zwischen
Nachwuchs und Spitze besteht. Eine Aufteilung dieser Klassen nach
dem Motto „dieser Lehrer unterrichtet die Anfänger im
Gruppenunterricht, der andere die Fortgeschrittenen im Einzelunterricht“
ist pädagogisch wenig sinnvoll. Jeder weiß, wie wertvoll
und wichtig die enge Zusammenarbeit zwischen Instrumental- und Ensembleleiter
ist und welche enormen Vorteile und welchen Synergieeffekt es mit
sich bringt, wenn Kollegen in einem Gebäude zusammen arbeiten
können und ihre pädagogische Arbeit zum Wohle des Kindes
aufeinander abstimmen.
Ein paar Gedanken zum Thema Hochschulvorbereitung: wer erlebt,
wie sich junge Musiker entfalten, wenn eine Musikschule die studienvorbereitende
Ausbildung konsequent aufbaut und weiterentwickelt, wird nicht im
entferntesten daran denken, diese Schüler zu vereinzeln. Das
Umfeld einer wirklichen Leistungsspitze verbunden mit all den Möglichkeiten,
die nur eine institutionelle Förderung gewährleisten kann
(Vorspielmöglichkeiten, Kammermusik, Theorie, und so weiter)
sind der ideale Nährboden für die individuelle Entwicklung.
Für diese Jugendlichen geht es um die Machbarkeit der Verbindung
von schulischer Bildung und Eliteförderung. Selbst die Fußball-Bundesliga
hat diese Entwicklung verstanden und plant für den sportlichen
Nachwuchs eine Kombination aus Sportschule und Gymnasium. Es ist
nicht sinnvoll, diese Kinder und Jugendlichen zwanghaft auf Privatlehrer
zu verteilen, da diese Schüler sich sowieso die geeigneten
Lehrer suchen, unabhängig, welchem Verband oder welcher Institution
diese angehören.
Im Gegenteil, alle Beteiligten, die Musikschulen, die Vorklassen
der Hochschulen und die Privatlehrer sollten sich gemeinsam überlegen,
wie sie unseren künftigen Musikstudenten die bestmögliche
Ausbildung zukommen lassen können und ihre Kompetenz mit einbringen.
In einer Zeit, in der es knallhart um die Verteilung von Steuermitteln
geht, muss auch eine öffentlich geförderte Musikschule
selbstverständlich beweisen, dass sie die ihr zur Verfügung
gestellten Mittel optimal einsetzt. Hier sind die Schulen gefragt,
die Kriterien für den hoch subventionierten Einzelunterricht
zu definieren, offen zu legen und zu überwachen.
Wir alle, die für die musikalische Bildung unserer Kinder Verantwortung
tragen, stehen im Augenblick großen gesellschaftlichen Veränderungen
gegenüber. Wir müssen uns in die Diskussion einbringen,
wie die musische Bildung und guter Instrumentalunterricht im Zeitalter
der verlässlichen Grundschule, der Ganztagsschule und des G8
gewährleistet bleiben kann. Hier bedarf es eines breiten gesellschaftlichen
Schulterschlusses aller am Prozess Beteiligten, um bei Politikern,
Eltern und auch in den öffentlichen Schulen die notwendige
Sensibilität zu fördern.