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nmz-archiv
nmz 2004/12 | Seite 13-14
53. Jahrgang | Dez./Jan.
Kulturpolitik
Musikschulen als Faktor im Wirtschaftsgefüge?
Diplomarbeit an der Hochschule Harz (Wernigerode) belegt ökonomische
Effekte
Mit dem Begriff „Musikschule“ wird vorrangig eine
spezielle Bildungseinrichtung zur Musikerziehung und Vermittlung
besonders des Instrumentalspiels verbunden. Das Wort „Ökonomie“
hingegen wird in diesem Zusammenhang eher ungewohnt, wenn nicht
sogar verfehlt klingen. Der Versuch zwischen beiden eine Verbindung
herzustellen, könnte als Provokation aufgefasst werden –
dies wäre jedoch eine voreilige Schlussfolgerung, denn es geht
nicht um die Ökonomisierung musikalischer Bildung oder der
Musikkunst. Vielmehr soll diese Betrachtung den Leser dafür
sensibilisieren, dass selbst Musikschulen keine isolierte Position
im Wirtschaftsgefüge der Gesellschaft einnehmen, sondern eine
klare Bedeutung für tangierende Wirtschaftssektoren und das
regionale Umfeld haben.
So wie sich verschiedene Unternehmen auf dem Markt durch Abhängigkeiten
und Konkurrenzen beeinflussen, gehen auch von Musikschulen Wirkungsketten
(so genannte Multiplikatoren) aus. Das bedeutet, dass der Besuch
einer Musikschule nachfragesteigernd wirkt. Dabei stehen finanzielle
Aufwendungen im Vordergrund, welche in direktem Zusammenhang mit
dem Erlernen des Instrumentalspiels stehen. Dies trifft vor allem
auf Fahrdienstleistungen, Noten, Musikinstrumente, deren Pflege
und Zubehör sowie auf Konzertkleidung und gegebenenfalls Kosmetikartikel
zu. Somit würde eine Erhöhung der Schülerzahlen zu
Nachfragesteigerungen im Bereich von Produktion und Handel führen.
Ebenso wäre entsprechend zusätzliches Lehrpersonal notwendig.
Nach eigenen Hochrechnungen würde sich für das Bundesland
Sachsen-Anhalt ein positiver Multiplikatorwert ergeben.
Dies bedeutet, dass eine Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse
für Musikschulen das 1,3fache an zusätzlichem Einkommen
induzieren könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
über verschiedene Stufen des Wirtschaftskreislaufes Einnahmen
in Form von Steuergeldern (etwa Lohnsteuer des Lehrpersonals, Mehrwertsteuer
im Bereich des Musikalienhandels) an die öffentliche Hand fließen.
Außerdem verfügt das Lehrpersonal über nachfragewirksames
Einkommen, welches für den Wirtschaftskreislauf allgemein von
stimulierender Bedeutung ist. Da über 85 Prozent der Ausgaben
von Musikschulen Personalausgaben sind, bedeutet jede Kürzung
öffentlicher Zuschüsse Einsparungen beim Personal, wenn
kein Ausgleich über Gebühren möglich ist. Somit sind
Entscheidungen über öffentliche finanzielle Mittel wesentlich
komplexer, denn es sollte vorrangige Zielsetzung sein, Arbeitsplätze
zu erhalten.
Neben der musikalischen Ausbildung haben Musikschulen als Kultureinrichtungen
positive Streueffekte (sogenannte Externe Effekte) auf ihr lokales
Umfeld. So nutzt ein Großteil der Eltern, die ihr Kind zur
Musikschule bringen, die Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer
Nähe, um die Wartezeit zu überbrücken.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass der benachbarte Einzelhandel
tatsächlich von der Musikschule profitiert, da diese Einkäufe
sonst in Wohnortnähe getätigt werden. Außerdem ergibt
sich positiver Zusatznutzen für den örtlichen ÖPNV
sowie ansässige Musikalienhändler, Unternehmen und Institutionen
in Form von finanziellen Einnahmen und immateriellen Leistungen
wie Mitgestaltung feierlicher Anlässe durch Musikschulschüler
und öffentliche Konzerte.
Bemerkenswert ist dabei auch der positive Effekt für benachbarte
Gastronomiebetriebe, da deren Angebote oft von Lehrern, Schülern
und Eltern zum Beispiel im Anschluss an Wettbewerbe oder Konzerte
angenommen werden.
Obwohl diese überaus positiven Wirkungen nachweislich bestehen,
werden sie nicht unbedingt als solche wahrgenommen, sondern sie
würden vielmehr auffallen, würde die Bildungseinrichtung
geschlossen werden und die damit verbundenen Effekte wegfallen.
Sicherlich können von anderen Institutionen und Unternehmen
entsprechend größere ökonomische Effekte ausgehen,
welches vor allem durch marktwirtschaftliche Aktivitäten bedingt
wird. Viel bemerkenswerter ist es daher, dass Musikschulen, deren
Aufgabe die Vermittlung musikalischer Bildung ist, zusätzlich
positive ökonomische Nebeneffekte induzieren. Eine nicht zu
unterschätzende Bedeutung der musikalischen Ausbildung vor
allem von Kindern und Jugendlichen besteht in der Prägung des
zukünftigen Konsumverhaltens bezüglich des Kunst- und
Kultursektors. Es ist logisch, dass Menschen, denen der Zugang zu
verschiedenen Musikkategorien nicht vermittelt werden konnte, kaum
ein Interesse dafür zeigen werden.
Als Folge ergibt sich daraus eine sinkende Nachfrage, da eine Wertschätzung
für den Konsum von beispielsweise sogenannter Hochkultur fehlt.
Dies spielt nicht nur für die öffentlich mitfinanzierte
Kulturlandschaft eine umfassende Rolle sondern hat vielmehr noch
Auswirkungen auf den komplexen Sektor der Musikwirtschaft.
Nicht zuletzt haben öffentliche Musikschulen auch eine große
Bedeutung für die Gesellschaft.
Diese besteht auf der einen Seite unter anderem in der Ausbildung
des Künstlernachwuchses und auf der anderen Seite in der Prägung
des Sozialverhaltens eines Menschen, somit einer Bildung des Humankapitals.
Um besonders vielen Interessierten einen Zugang zu einer aktiven
Musikgestaltung zu ermöglichen und ein breites Angebot im Rahmen
der Kulturpflege bereitzuhalten, engagiert sich der Staat über
die Mitfinanzierung der öffentlichen Musikschulen auf diesem
Sektor.
Die öffentliche Hand kommt somit Aufgaben der staatlichen
Grundversorgung nach, da die privaten Musikschulen dies entweder
nicht im gleichen Umfang oder zu gleichen Beitragskonditionen leisten
können.
Wird das Engagement des Staates in Zeiten überaus angespannter
Finanzlagen der öffentlichen Haushalte in Frage gestellt, so
kann diesem nur entschieden entgegen getreten werden. Sowohl die
musikalische Bildung an sich, unter anderem für das Erlangen
sozialer Kompetenzen und für die Erhaltung der Kulturvielfalt,
als auch die Musikschule als Bildungseinrichtung, eingebunden in
ökonomische Verflechtungen der Gesellschaft, sind überaus
bedeutend.