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nmz-archiv
nmz 2005/02 | Seite 44
54. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Plattform für den musikalischen Nachwuchs
Londons Park Lane Group mit regelmäßigen Konzertserien
Im London der 50er des zurückliegenden Jahrhunderts gab es
keinerlei Organisation, die den Nachwuchs vorstellte und ihm die
Chance bot, sich einem Publikum zu präsentieren. Mit dem festen
Willen, ein Forum für sich und andere zu schaffen, trafen daher
1956 drei Studenten der Guildhall School of Music and Drama einen
gewissen Mr. GP Catchpole in dessen Londoner Stadtpalais Park Lane
House an Londons berühmter Park Lane gegenüber der Ostseite
des Hyde Park. Bei ihm fanden sie offene Ohren und tatkräftige
Mithilfe, verfügte er in seinem leider inzwischen abgerissenen
Haus doch über ein kleines Theater mit 150 Plätzen und
einen ebenso großen Saal.
Da besagter Mr. Catchpole häufig verreiste, schlug er den
Studenten vor, während seiner Abwesenheit hier ihr Vorhaben
zu verwirklichen – und dies kostenlos; lediglich für
den Strom mussten sie selber aufkommen. Damit schlug die Geburtsstunde
der Park Lane Group(PLG), die hier bis 1960 ein festes Zuhause hatte
und jährlich mit vier Konzertserien noch unbekannte Musiker
in London zum ersten Mal vorstellte, darunter schon 1956 etwa den
Klarinettisten Alan Hacker, die Sopranistin Gwyneth Jones und den
Pianisten John Ogdon. Der wachsende Erfolg führte zu einer
ständigen Erweiterung der Aktivitäten; doch mit dem Auszug
aus Park Lane House 1961 blieb nichts anderes übrig, als kleinere
Londoner Konzertsäle zu mieten, was die jährlichen Kosten
erheblich steigerte. Für die Vision der PLG, eine prominente
Plattform für hervorragende junge Musiker zu bieten, gewichtige
und fantasievolle musikalische Anlässe zu organisieren und
das Leben und Werk bedeutender Musiker zu feiern, steht gegenwärtig
ein jährliches Budget von rund 250.000 Euro zur Verfügung,
wozu allerdings der Arts Council of England inzwischen nichts mehr
beiträgt. Vielmehr ist die PLG auf Musik orientierte Trusts,
gemeinnützige Stiftungen und auf Gelder aus Industrie und Wirtschaft
angewiesen, während der Freundeskreis der PLG einen weiteren
nicht unerheblichen Beitrag leistet und einen so genannten „Endowment
Fund“, ein Stiftungskapital, zur Stabilisierung beiträgt.
Die seit Jahrzehnten am stärksten im öffentlichen Bewussstein
verankerte Konzertreihe „New Year Series“ findet die
zweite Januarwoche über im Purcell Room an Londons Southbank
Arts Centre statt. Von Montag bis Freitag stellen sich täglich
in einem einstündigen Rezital um 18 Uhr und einem zweiteiligen
Konzert um 19.30 Uhr junge Künstler vor, die nach ihrer Bewerbung
und einem überstandenen Vorspiel ebenfalls im Purcell Room
in den Monaten Februar, März und April des Vorjahres als besonders
förderungswürdig augesiebt worden waren. Dabei gelten
als Bedingungen ein maximales Alter von 29 Jahren beim Vorspiel,
das gegenwärtige Studium an einer britischen Musikhochschule
oder das Engagement in einem in Großbritannien beheimateten
Orchester/Ensemble. Allerdings können die für würdig
befundenen Künstler ihre Stücke nicht selbst bestimmen.
Dies unterliegt einem zwölf-köpfigen Programmkomitee,
das sich der zeitgenössischen Musik verpflichtet sieht, an
Kontrasten und innerer Homogenität der Konzerte interessiert
ist und zugleich einen Komponisten bestimmt, dessen Œuvre besonders
herausgestellt wird – zumeist jener zeitgenössische Komponist,
der im Repertoire der Finalisten am häufigsten auftaucht.
In diesem Jahr hatten sich für das Marathon aus 10 Konzerten
166 Musiker beworben. Reduziert auf 26 Mitwirkende sah man sich
mit Streichquartett, Streichtrio, Harfenduo, Klavier zu vier Händen,
Klavierduett, Fagott, Querflöte, Violine, Violoncello, Sopran
und Klavier sowie der Interpretation von 58 Werken konfrontiert.
Die Rolle des so genannten „featured composer“ kam dem
1977 in Osaka geborenen und gegenwärtig bei George Benjamin
am King’s College in London studierenden Japaner Dai Fujkura
zu. Mit insgesamt sechs Kompositionen legte er eine erstaunliche
stilistische Vielfalt an den Tag, ohne allerdings bereits zu überzeugen.
In Anbetracht des 100. Geburtstags von Michael Tippett kamen zusätzlich
seine vier Klaviersonaten zur Aufführung. Die 17-jährige
attraktive Alissa Firsova, die Tochter von Elena Firsova und Dmitri
Smirnov, unterzog Nr. 1 einer russischen Gehirnwäsche, was
diesem Jugendwerk schlecht zu Gehör stand; Nr. 2 stand im Zentrum
eines ausschließlich von extremer Technik diktierten, wenig
erquicklichen Rezitals der 24-jährigen Mei Yi Foo aus Malaysien;
die 28-jährige Schottin Christina Lawrie bewies in Nr. 4 einen
erstaunlichen Nuancenreichtum, meisterte jedoch die Spannungsbögen
dieses inhaltlich extrem diffizilen Werks nur bedingt; letztlich
blieb es dem 27-jährigen Engländer David Alexander vorbehalten,
Tippett in überzeugendster Manier eine begeisternde Referenz
zu erweisen. Aus dem Rahmen fielen weiter das Elysian Streichquartett,
der Fagottist Adam Mackenzie, der Flötist Richard Craig, die
Cellistin Marie McLeod, das Harfenduo Keziah Thomas und Eleanor
Turner(unter anderem mit dem Concertino per Due Arpe des Holländers
Lex Van Delden – 1919-1988) und das Kesh Piano Duo –
allesamt vielversprechende junge Künstler, deren Namen es zu
registrieren gilt. Eine inspirierende Tour de force.