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nmz-archiv
nmz 2005/02 | Seite 32
54. Jahrgang | Februar
Jugend musiziert
Im Sextett ist Brahms am schönsten
Eine erfolgreiche Bilanz: der Drei-Jahres-Turnus in den Instrumentalkategorien
1996 wurden die Instrumentalkategorien bei „Jugend musiziert“
erweitert, der Drei-Jahres-Turnus beschlossen und das Ensemblespiel
forciert. Acht Jahre später ist die Bilanz beeindruckend und
positiv zugeich.
Am Ende des 33. Bundeswettbewerbes „Jugend musiziert“
zog der damalige Bundesgeschäftsführer Eckart Rohlfs Bilanz
und keinen Geringeren als Dante und sein berühmtes Werk „Divina
Comedia“ zum Vergleich heran: Dante habe sich, so Rohlfs,
mit 33 Jahren auf die Wanderung durch die Zeitgeschichte begeben
und mit den Taten seiner Zeitgenossen abgerechnet. Sie fanden sich
entweder im Himmel wieder oder in die Hölle verbannt, sich
reinigend im Purgatorium. Wo also würde Dante den Wettbewerb
„Jugend musiziert“ verorten? Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt?
Durchaus positiv der Status Quo im Jahre 1996. Die Teilnehmerzahlen
stiegen kontinuierlich, das bundesdeutsche Musikleben veränderte
sich durch „Jugend musiziert“, denn die Qualität
des Musikernachwuchses nahm zu, die Kategorien des Wettbewerbs ermunterten
Komponisten zu neuen musikalischen Schöpfungen, aber aus dem
Wettbewerb gingen nicht nur musikalische Überflieger hervor.
Nicht alle eigneten sich für eine Solokarriere als Berufsmusiker
und immer wieder entbrannten Diskussionen über Sinn und Sinnlosigkeit
der Idee „Wettbewerb“. So dass sich die grundlegende
Frage stellte, welchen Charakter „Jugend musiziert“
künftig haben sollte. Galt „Auslese der Besten“
weiterhin und fraglos oder musste die Idee der Förderung aller
am Wettbewerb teilnehmenden Kinder und Jugendlichen künftig
mehr in den Fokus gerückt werden. Man stand also vor einer
nachgerade historischen Entscheidung. Welche Mittel auf dem Weg
zur Förderung probat waren, wurde 1996 auf einer Konferenz
aller Verantwortlichen auf Regional-, Landes- und Bundesebene in
Neuss intensiv diskutiert, zu den wichtigen Entscheidungshilfen
zählten die zahllosen missmutigen Reaktionen, die die Kürzung
der Ensemblekategorien auf einige wenige klassische Standardbesetzungen
ausgelöst hatten. Erst im Jahr zuvor hatte man sich, in bester
Absicht, dazu entschlossen.
Die Sachlage forderte mehr als die Runderneuerung des alten Wettbewerbsturnus.
Mutig entschloss man sich daher, ein neues, verändertes Konzept
zu entwickeln: Ausschreibung aller Instrumental- und Vokalkategorien
und Einbeziehung möglichst aller kammermusikalischen Besetzungen
und Formen des Zusammenspiels von zwei bis zu sechs Interpreten,
so wie sie der Praxis in Musikschulen und Vereinen entsprach. Darüber
hinaus sollte sich „Jugend musiziert“ für das Zusammenspiel
in besonderen Spielformationen und Stilrichtungen von bis zu 13
Musikern in der Kategorie „Besondere Besetzungen“ öffnen.
Dieser erweiterte Kanon sollte künftig weit im Voraus angekündigt
werden und im Drei-Jahres-Turnus wiederkehren. Mit der längerfristigen
Gültigkeit gedachte man die ausbildenden Musiklehrer in den
Stand zu versetzen, Spielliteratur zu recherchieren, Wettbewerbsprogramme
zusammenzustellen und sie sinnvoll in ihren Lehrplan zu integrieren.
Der Quantensprung war vollzogen: „Natürlich basiert
kammermusikalisches Tun auf dem individuellen technischen und musikalischen
Können an Instrument und Stimme. Aber jede solistischeAusbildung
muss im Bewusstsein und mit der Zielrichtung verbunden bleiben,
jungen Menschen das Erlebnis gemeinsamen Musizierens zu vermitteln.
Zu Kammermusik muss man auch schon im Rahmen der Instrumental- und
Vokalausbildung hinführen, das darf man nicht nur zufälligem
Ergänzungsangebot oder Zusatzkursen überlassen.“,
so Eckart Rohlfs im Jahr des großen Änderungsbeschlusses.
(nmz 5/96). Ab dem Wettbewerbsjahr 1997 wurde das Drei-Jahres-Modell
erstmalig praktiziert und fortan konnte jeder Instrumentalist oder
Vokalist in jedem Wettbewerbsjahr in einer anderen Kombination antreten:
als Solist, als Instrumentalbegleiter oder Duo-Partner, zu dritt,
zu viert, in großen Besetzungen mit bis zu 13 Musikern.
Erlebnis Ensemblemusizeren
Seit dieser Einführung sind nunmehr neun Wettbewerbs-Jahre
vergangen und dem Wettbewerb 2005 haben sich alle Kategorien nunmehr
dreimal wiederholt. Die Rechnung des Jahres ‘96 scheint aufs
Erfreulichste aufgegangen zu sein. Ein paar Zahlen mögen das
verdeutlichen: Zwischen 1997 bis 2004 hat sich die Gesamtteilnehmerzahl
von 1.100 auf 1.900 erhöht. Machte der Anteil der Solowertungen
im Jahr 1997 jedoch noch rund 85 Prozent an den gesamten Wertungsspielen
aus, hat das Verhältnis zwischen Solo- und Ensemblewertungen
inzwischen Gleichstand erreicht, obwohl auch die Anzahl der Solowertungen
weiterhin stieg. Oder anders gesagt, der Anteil der Ensemblewertungen
ist, verglichen mit den Solowertungen, im genannten Zeitraum um
mehr als das Fünffache angestiegen.
Erfreulich ist diese Entwicklung nicht nur für die Macher
hinter den Kulissen, die nun die Früchte ihrer strategischen
Arbeit ernten können. Viel bedeutsamer ist, dass die jungen
Musikerinnen und Musiker die sich Jahr für Jahr in das Abenteuer
Kammermusik stürzen, am eigenen Leib erleben, wie gut ihre
Entscheidung für das Ensemblespiel war. Denn auch außerhalb
der „Jugend musiziert“-Welt feiern sie mit ihren Ensembles
Erfolge: Beispielhaft für viele andere steht das Bläser-Ensemble
mit Maria Jarovaja (Querflöte) aus Köln, Frederike Timmermann
(Oboe) aus Münster, Sebastian Lambertz (Klarinette) aus Neuss,
Stephan Schottstädt (Horn) aus Lohmar und Jakob Karwath (Fagott)
aus Weimar. Sie nahmen bereits im Jahr 2002 am Bundeswettbewerb
„Jugend musiziert“ teil und erhielten dort einen ersten
Bundespreis. Nach der Wettbewerbsphase blieb das Ensemble zusammen
und perfektionierte das Zusammenspiel offenbar so sehr, dass die
Fünf nun im vergangenen Oktober beim „Europäischen
Musikpreis für die Jugend“ in der Kategorie „Holzbläser-Ensemble“
in Kroatien einen ersten Preis erhielten.
Jenseits der Wettbewerbe
Verlässlich finden sich auch beim „Internationalen
Kammermusikwettbewerb Charles Hennen“ in Herleen, Niederlande,
ehemalige „Jugend musiziert“-Ensembles unter den Preisträgern.
So zuletzt im Jahr 2004 das Streich-Trio mit Susanne Schäffer,
Gregor Kübler und Konstantin Georgiou aus Baden-Württemberg.
Und auch jenseits der Wettbewerbszene fühlen sich Kammermusik-Ensemble
durch ihren Erfolg bei „Jugend musiziert“ ermutigt,
weiterhin zusammenzuspielen: Die Bundesgeschäftsstelle schickt
inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Bundespreisträgerinnen
und -preisträger in Ensembleformationen auf Konzertreisen ins
In- und Ausland – so konzertierten zwei Schlagzeug-Ensembles
in Norwegen und Finnland, ein weiteres besuchte im Rahmen einer
Konzertreise die Schweiz, ein Klavier-Duo war in die Türkei
eingeladen und ein Streich-Trio füllte in Belgrad einen Konzertsaal.
So wirkungsvoll die Entscheidung des Jahres 1996 war. Eines ist
sicher: es war nicht die letzte Veränderung bei „Jugend
musiziert“. Denn Veränderung ist das Geheimnis seines
dauerhaften Erfolgs, dann klappt’s auch im Purgatorium.