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nmz-archiv
nmz 2005/02 | Seite 13
54. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Ein-Euro-Jobs im Kulturbereich
Olaf Zimmermann über Chancen und Risiken der Neuregelung
im Rahmen des Arbeitslosengeldes II
Seit dem 1. Januar 2005 müssen Arbeitslose, die im Rahmen
des Arbeitslosengeldes II eine so genannte Grundsicherung erhalten,
bereit sein, Arbeitsgelegenheiten oder Zusatzjobs anzunehmen. Besser
bekannt sind diese Arbeitsgelegenheiten als Ein-Euro-Jobs. Sie sollen
dazu dienen, besonders jungen Erwachsenen, Migranten, Menschen mit
Vermittlungshindernissen und älteren Erwerbslosen den Einstieg
beziehungsweise Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zu ermöglichen.
Die Betreffenden erhalten zusätzlich zum Arbeitslosengeld II
eine Stundenvergütung von bis zu einem Euro für eine Tätigkeit,
die 30 Stunden die Woche nicht überschreiten darf.
Für Ein-Euro-Jobs kommen nach dem Gesetz nur solche Tätigkeiten
in Frage, die zusätzlich und die gemeinnützig sind. Sie
sollen nicht in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft treten. Bestehende
Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet und die Schaffung
neuer darf nicht behindert werden. Die Hauptzielrichtung ist, die
soziale Integration zu fördern, die Beschäftigungsfähigkeit
zu ermöglichen und so Chancen für eine Tätigkeit
auf dem ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Sind Ein-Euro-Jobs also Sozialarbeit mit den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik?
Oder bedeuten sie einen Sprengstoff für den teilweise ohnehin
prekären ersten Arbeitsmarkt im Kulturbereich? Betrachtet man
die Situation der betroffenen Langzeitarbeitslosen, so wird so manchem
ein Ein-Euro-Job lieber sein, als den ganzen Tag zu Hause zu sitzen.
Arbeit ist ein wesentlicher sinnstiftender Teil des Lebens, Erwerbsarbeit
bedeutet soziale Kontakte, Anerkennung, Lob, Kritik, den Austausch
mit anderen. Vieles, was den Menschen als soziales Wesen ausmacht,
wird über die Erwerbsarbeit erzielt.
Einige Ein-Euro-Jobber werden sich erhoffen, mit den gesammelten
Erfahrungen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die
Lücken im Lebenslauf werden kleiner und Erfahrungen aus unterschiedlichen
Zusammenhängen können eingebracht werden. Auch für
Kultureinrichtungen oder Kulturvereine scheinen Ein-Euro-Jobs eine
lohnende Gelegenheit zu sein.
Arbeit gibt es zumeist genug, vieles muss liegen bleiben, Ideen
und Vorhaben können nicht umgesetzt werden, weil die nötigen
finanziellen Ressourcen fehlen, um Personal zu beschäftigen.
Ein-Euro-Jobs bieten die Chance, für immerhin bis zu neun Monate
eine Arbeitskraft beschäftigen zu können, ohne dafür
Personalkosten einsetzen zu müssen, denn den Stundenlohn von
einem Euro bezahlt die Bundesagentur für Arbeit ebenso wie
einen Verwaltungskostenanteil von bis zu 300 Euro im Monat.
Die Ein-Euro-Jobs scheinen auf den ersten Blick für alle Chancen
zu beinhalten. Bei mittelfristiger Betrachtung kann es allerdings
sein, dass die Risiken überwiegen werden. Der Arbeitsmarkt
Kultur ist ein unsicherer Arbeitsmarkt.
Dies gilt auch für öffentliche oder öffentlich geförderte
Kultureinrichtungen oder -institutionen. In weiten Teilen sind die
Beschäftigungsverhältnisse unsicher, Zeitverträge,
Honorar- oder Werkverträge sind keine Seltenheit mehr sondern
inzwischen üblich.
Wurde in den 70er-Jahren noch um eine institutionelle Förderung
gestritten, damit mittelfristige Perspektiven für Einrichtungen
oder Vereine entwickelt werden konnten und Personal eingestellt
werden konnte; geht es nunmehr darum, über Projekte kurzfristig
den Betrieb aufrecht zu erhalten und mit Perspektiven, die allenfalls
ein Jahr dauern, Mitarbeiter zu beschäftigen. Was liegt näher
als bei Engpässen in der Förderung so genannte „Ein-Euro-Jobber“
zu beschäftigen? Arbeitslose Akademiker gibt es genug, die
mit der Hoffnung auf einen Einstieg in den Kulturbereich für
neun Monate einen Ein-Euro-Job übernehmen werden. Projekte
sind immer zusätzlich, sie können durchgeführt oder
auch unterlassen werden.
Und wo keine fest angestellten Mitarbeiter beschäftigt sind,
können auch keine verdrängt werden. Wo keine Förderung
fließt, können auch keine Stellen geschaffen werden.
Die in den 70er- und 80er-Jahren entstandenen soziokulturellen Zentren
liefern den Beweis, dass wer einmal startet, mittels Maßnahmen
der Arbeitsförderung einen Kulturbetrieb aufrechtzuerhalten,
sehr schnell daran hängen bleibt. Es besteht die Gefahr auf
Dauer von den Schwankungen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
abhängig zu sein.
Bis heute sind feste Stellen in den soziokulturellen Zentren in
der Minderzahl. Ein gesicherter Arbeitsmarkt mit Perspektiven zur
Organisationsentwicklung und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
konnte in diesem kulturellen Feld nicht etabliert werden.
Es gilt nunmehr höchste Aufmerksamkeit darauf zu richten,
dass in den verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens wie Theatern,
Konzerthäusern, Bibliotheken, Museen und Kulturvereinen der
Arbeitsmarkt Kultur durch Ein-Euro-Jobs nicht gefährdet wird.
Der Deutsche Kulturrat will deshalb Kriterien für die Schaffung
von Ein-Euro-Jobs im Kulturbereich entwickeln.