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nmz-archiv
nmz 2005/02 | Seite 15
54. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Wer will schon gern einen zweiten Korb
Die erneute Novellierung des Urheberrechts reagiert auf technische
Entwicklungen
Im Laufe der letzten Jahre hat das Urheberrecht einige Änderungen
durchlaufen müssen. Das ist zunächst ein gewöhnlicher
gesetzgeberischer Vorgang. Viele Gesetze erfahren mit der Zeit Änderungen.
Die häufigsten Änderungen erfahren dabei wohl die Steuergesetze.
Beim Urheberrecht wurden und werden allerdings zweite größere
Schritte der Novellierung gemacht. Der so genannte „1. Korb“
der Änderungen trat 2004 in Kraft. Er hat sich mit dringenden
Änderungen befasst, die im Zuge der Harmonisierung des Urheberrechts
innerhalb der Europäischen Union nötig wurden. Diese Änderungen
beruhen auf der so genannten EU-Richtlinie zum Urheberrecht.
Der „2. Korb“ beschäftigt sich dagegen mit Änderungen,
die unabhängig von der EU-Richtlinie sind. Mit diesem Korb
sollten vor allem Fragen zu den technischen Veränderungen in
unserem Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken gelöst
werden. An der Diskussion um die Veränderungen des Urheberrechts
sind dabei vor allem die betroffenen Verbände (von den Autoren
bis zur Filmwirtschaft, von Bibliotheken bis zu freien Bürgerorganisationen)
beteiligt gewesen. Grundlage der Auseinandersetzung ist dabei ein
so genannter Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz
(BMJ). Die wesentlichen Themen des „2. Korbes“ betreffen
Fragen der Zulässigkeit von Privatkopien, die Bestimmung der
Höhe von Pauschalvergütungen und Nutzungsmöglichkeiten
elektronischer Lesesäle in öffentlichen Einrichtungen
(wie Bibliotheken). Das BMJ schlägt nach Würdigung der
Stellungnahmen zum Referentenentwurf folgende Änderungen vor
(Stand: 12. Januar 2005):
Themenfeld Privatkopie
a) Private Kopien nicht kopiergeschützter Werke bleiben grundsätzlich
im bisherigen Umfang erlaubt. Damit hält auch der aktuelle
Entwurf an zwei Grundentscheidungen des „1. Korbs“ fest:
Die Privatkopie eines urheberrechtlich geschützten Werks ist
auch in digitaler Form zulässig. Es ist verboten, Kopierschutz
zu umgehen.
b) Seit dem „1. Korb“ sind der Privatkopie durch technische
Schutzmaßnahmen Grenzen gesetzt. Es gilt: „Kopierschutz-Knacken
ist verboten!“ Diese Regelung ist durch die EU-Richtlinie
zwingend vorgegeben. Es soll keine Durchsetzung der Privatkopie
gegen Kopierschutz geben. Denn: Die Rechtsinhaber können sich
durch technische Maßnahmen selbst schützen, und der Gesetzgeber
darf ihnen diesen Selbstschutz nicht aus der Hand schlagen. Es gibt
kein „Recht auf Privatkopie“ zu Lasten des Rechtsinhabers.
Privatkopie und pauschale Vergütung auf Geräte und Speichermedien
gehören untrennbar zusammen.
Pauschalvergütungen
a) Pauschalvergütung als gerechter Ausgleich für die
Privatkopie. Soweit privat kopiert werden darf, gebietet die Verfassung
eine Kompensation der Kreativen für ihre Einnahmeausfälle.
Dies betrifft also zum Beispiel CD- und DVD-Rohlinge, eventuell
Festplatten und was an anderen Speichermedien denkbar ist. Soweit
nicht mehr privat kopiert werden kann, weil etwa Kopierschutz sowie
Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) eingesetzt werden, gibt
es keine pauschale Vergütung. Der Verbraucher wird nicht doppelt
belastet.
b) Das Verfahren der Berechnung der Pauschalvergütungen soll
einfacher und besser geregelt werden. Das neue System zur Festlegung
der Vergütungen für Geräte und Speichermedien kann
flexibler auf technische Entwicklungen reagieren und wird rascher
klären können, wer wie viel für was zu zahlen hat.
Gegenwärtig gibt es nämlich häufig jahrelangen Streit
darüber, ob ein neuer Gerätetyp zur Vervielfältigung
bestimmt ist. Das ist nachteilig für die Urheber, die auf ihr
Geld warten müssen, und nachteilig für die Gerätehersteller.
Sie haben keine Rechtssicherheit und müssen wegen der grundsätzlich
bestehenden Vergütungspflicht hohe, gewinnmindernde Rückstellungen
vornehmen. Die Höhe der Vergütung soll deswegen nach dem
tatsächlichen Ausmaß der Nutzung bestimmt werden. Künftig
soll es darauf ankommen, in welchem Maß die Geräte und
Speichermedien als Typen tatsächlich zur Vervielfältigung
genutzt werden. Das ist mit Marktforschungsumfragen zu ermitteln.
c) Verfahrensstreitigkeiten zwischen Urhebern und Verwertern oder
Geräteherstellern sollen beschleunigt werden. Bestehen unterschiedliche
Auffassungen über die Angemessenheit des Vergütungsbetrages,
sieht der Entwurf ein rasches Verfahren zur Einigung vor. Das Verfahren
vor der Schiedsstelle soll in der Regel maximal ein Jahr dauern.
Wenn die Beteiligten den Einigungsvorschlag nicht akzeptieren, entscheidet
das Oberlandesgericht als einzige Tatsacheninstanz. Daneben wird
den Beteiligten ein neues Verfahren zur freiwilligen Schlichtung
eröffnet.
Somit sollen Schwierigkeiten wie beim heute noch zu schlichtenden
Streit zwischen den deutschen Phonoverbänden und der GEMA beispielsweise
im Sinne aller vereinfacht werden.
Sonstige Änderungen
Öffentlichen Bibliotheken und – neu im Regierungsentwurf
– auch Museen und Archiven soll es erlaubt werden, ihre Bestände
auch an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Damit behalten
diese Einrichtungen Anschluss an die neuen Medien, und die Medienkompetenz
der Bevölkerung wird gefördert. Das dient dem Wissenschaftsstandort
Deutschland.
Ferner wird den Bibliotheken der elektronische Versand von Kopien
aus Zeitungen und Zeitschriften sowie kleiner Teile von Büchern
als graphische Datei erlaubt. Trotz Kritik aus dem Wissenschaftsbereich
soll es dabei bleiben, dass die Schranke nur greift, soweit die
Verlage kein eigenes elektronisches Angebot machen. Ein unbegrenzter
elektronischer Kopienversand würde die wirtschaftliche Grundlage
des Verlagsgeschäfts massiv beeinträchtigen.
Weitere Änderungen betreffen Fragen des Filmrechts und der
Einräumung unbekannter Nutzungsrechte seitens der Urheber.
Zu Detailfragen, siehe die Link-Tipps, S. 48.