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Ausgabe 2005/02
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nmz 2005/02 | Seite 4
54. Jahrgang | Februar
Magazin

Vom langen Weg des Tons zum Fernsehbild

Die Live-Übertragung des Verdi-Requiems aus der Semperoper in Dresden – Betrachtungen einer Fernsehregie

Es ist ein besonderes Ereignis, alleine schon durch den Anlass: Die 60-jährige Wiederkehr der Bombardierung, die die Stadt Dresden in der Nacht zum 14. Februar 1945 in Schutt und Asche legte. An die mehr als 10.000 Menschen, die durch die Bomben und die anschließende Feuersbrunst ihr Leben verloren, erinnert alljährlich eine Totenmesse oder ein ähnliches, dem Anlass entsprechendes Werk. Es ist eine lange Tradition, die der damalige Generalmusikdirektor von Staatsoper und -kapelle, Rudolf Kempe, 1951 begründete. Den Ereignischarakter der Live-Übertragung für das Fernsehen unterstützt auch die Auswahl des Konzertes in diesem Jahr: Nach den Requien von Mozart, Brahms oder Dvorák, um nur einige zu nennen, wird wie beim ersten Konzert 1951 dieses Jahr wieder die „Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi zu hören sein. Außerdem sind Übertragungen solcher „reinrassiger“ Musikereignisse im Fernsehen zunehmend vom Aussterben bedroht, der Spar- und Quotenzwang macht solche Produktionen immer schwieriger.

Jederzeit mit allen Kameraleuten verbunden: der Regiestab im Ü-Wagen. Zweite von links: die Autorin. Foto: MDR/Hopf

Jederzeit mit allen Kameraleuten verbunden: der Regiestab im Ü-Wagen. Zweite von links: die Autorin. Foto: MDR/Hopf

Gemeinsam mit dem Kultursender Arte ist es dem Mitteldeutschen Rundfunk möglich, das Requiem am 13. Februar direkt aus der Semperoper zu übertragen. Die Musikredaktion des MDR ist es auch, die mich mit der Fernseh-Regie für dieses Konzert beauftragt hat. Nach dem Brahms- und Mozart-Requiem in den beiden vergangenen Jahren ist es für mich die dritte Herausforderung dieser Art an diesem Ort zu diesem Tag.

Selbstverständlich sind dies alles wichtige Informationen, bevor ich mich als Regisseurin mit der bildlichen Umsetzung dieses Abends beschäftige. Die zuständige Redaktion hat außerdem in der Regel ganz präzise Vorstellungen, die sich auch durch den Sendeplatz, also der Tageszeit der Sendung, sowie des Fernsehsenders ergeben, der das Konzert überträgt. Der Regisseur oder wie in diesem Fall die Regisseurin ist Dienstleisterin, die ihre Kompetenz zur Verfügung stellt. Das Ergebnis ist jedoch immer abhängig von den finanziellen Mitteln, die vorhanden sind.

Vom Ton zum Bild

Doch letztlich läuft es immer wieder auf dieselbe Frage hinaus: Wie setze ich den Ton ins Bild um? Trotz der Komplexität des Themas gibt es einige grundlegende Punkte, die sich bei nahezu allen Musikereignissen im Fernsehen wiederholen. Allgemein sind Koordination und ständige Kommunikation unter allen Beteiligten (allein circa 45 Mitarbeiter des Fernsehens) letztlich für das Gelingen einer solchen Produktion das „A und O“.

In Dresden haben wir es nicht mit einem Klassik-Event mit „Show-Charakter“ zu tun, sondern mit einem Konzert von großer Tradition. Das beifalllose Konzert dient in erster Linie der Besinnung. Hier wird das Fernsehen als stiller Beobachter des Ereignisses agieren, präsent sein ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Das bedeutet, dass die Kollegen an den Kameras möglichst unauffällig aus der Distanz arbeiten und alle Kameras fest positioniert sein werden. Die „fahrende“ oder gar „fliegende“ Kamera, die auf einem Kran durch den Raum schwebt, steht deshalb nicht zur Diskussion. Auch wenn das für die Bildgestaltung von klassischer Musik im Fernsehen bei anderen Anlässen durchaus neue und interessante Perspektiven ermöglicht.

Konzerte werden im sogenannten Mehrkamerabetrieb übertragen. In unserem Fall wird jeder Bildschnitt nicht nur live in einem Übertragungswagen geschnitten, sondern auch – live gesendet. Es bleibt keine Zeit für eine bildliche Nachbearbeitung, egal welcher Art. Doch dazu später. Die Anzahl der Kameras hängt natürlich ab vom Budget, von der Finanzierung, die für ein Projekt zur Verfügung steht. Nach Absprache mit dem dafür zuständigen Produktionsleiter kann ich für diese Produktion sieben Kameras einsetzen.

Vor meiner eigentlichen Aufgabe, das Umsetzen der Partitur ins Bild, ist mein erster Schritt die Platzierung dieser Kameras. Sie kann natürlich erst nach einer Vorbesichtigung der örtlichen Gegebenheiten erfolgen. Genaue Kenntnis des zu übertragenden Werkes ist dabei die absolute Voraussetzung, denn nur so kann ich später die wichtigsten Instrumentalgruppen, Chor, Solisten und den Dirigenten ohne zu große Einschränkungen ins Bild nehmen.

In Dresden bedeutet dies vereinfacht, dass eine Kamera für das Schlagwerk, die Blechbläser und einen Teil des Chores zuständig ist. Eine zweite Kamera bedient alle Holzbläser und die Hörner, Kamera 3 zeigt die Totale, also Orchester und Raum. Die Kameras 4 und 5 filmen die Solisten und die verschiedenen Streicher- und Chorgruppen, die Kamera 6 ebenfalls die Blechbläser und den Chor. Die Kamera 7 fungiert als so genannte Dirigentenkamera und zeigt zusätzlich vereinzelte Instrumente in sehr nahen Einstellungen.

Ein wichtiger Ansprechpartner der Regie während der gesamten Produktion ist der erste Kameramann, denn er setzt das Orchester ins richtige Licht, er unterstützt mich ganz entscheidend bei den Vorstellungen, wie Chor und Orchester nebst Solisten und Dirigent am besten ins Bild zu nehmen sind. Nicht nur für die Anzahl der Kameras, auch für die Lichtgestaltung spielt das Budget eine entscheidende Rolle.

Die finanzielle Seite lässt sich etwas vereinfacht so beschreiben: Je mehr Geld zur Verfügung steht desto größer der Lichtaufwand, desto stimmungsvoller sind die Bilder. Mehr Geld bedeutet mehr Kameras, zusätzliche verschiedene Bildeinstellungen sind möglich. Und – mehr Geld heißt auch mehr Zeit für Proben im Vorfeld der Produktion. Doch bei der großen Anzahl von Orchester-Beteiligten und den bereits erwähnten Mitarbeitern des Fernsehbetriebs, bedeutet jede zusätzliche Probe unter Umständen weitere Honorare beziehungsweise Übernachtungskosten. So läuft es immer mehr auf eine einzige Probe mit Technik und Kameras hinaus. Ohne den Idealismus und die Anstrengungen aller Kollegen wären solche Produktionen heute nicht mehr denkbar.

Das Einrichten der Partitur

Die zweite und vermutlich wichtigste Phase ist die Umsetzung der Musik in Bildschnitte. Das sogenannte „Einrichten“ der Partitur. Dafür analysiere ich das Werk musikalisch. Wann singen die Solisten, wann der Chor, wann ist ein musikalisches Thema wichtig, wann lässt sich der Dirigent am besten ins Bild setzen, wann lohnt es sich besonders, einen musikalischen Impuls optisch zu unterstützen? Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste: den Ton durch das Bild zu unterstützen und verständlich zu machen. Bevor also die Partitur in Bildschnitte eingeteilt wird, sollte man sich mit dem Werk gut auskennen. Die Fähigkeit eine Partitur zu lesen, ist Voraussetzung. Die nächste Frage lautet: Will ich mit den Bildern eine musikanalytische Bildauflösung oder eher bild-emotional arbeiten. Verdi zu diesem Anlass verlangt meiner Meinung nach eher nach stimmungsvollen Bildern als nach einer reinen Musikanalyse.

Der Rhythmus der Bilder

Elegische, langsame Schwenks über das Orchester, Instrumente oder Sänger, schön in Licht und Bild gerückt und getragene Bilder im Wechsel mit rhythmischen, schnellen Schnitten auf akzentuierten Musiksequenzen unterstützen die emotionale Wirkung.

Der Rhythmus der Bilder, die Schnittfolgen also, ist dabei nur ein Aspekt. Daneben müssen die Einstellungsgrößen berücksichtigt werden, also die Bildausschnitte, wie die Künstler und die Instrumente zu sehen sind. Dabei kann man zwischen nahen und totaleren beziehungsweise ganz totalen Einstellungen, zwischen Zooms und Schwenks variieren. Die Bilder sollten als Gesamtgefüge optimal aneinander passen und einen „Guss“ ergeben. Ein Bild sollte ins nächste logisch überleiten. Der Musikfluss darf nicht durch eine holprige Bildfolge gestört werden, denn der Zuschauer empfindet den Bildschnitt dann als angenehm, wenn er die einzelnen Schnitte nicht wahrnimmt. Dabei sind dem Regisseur fast keine Grenzen gesetzt. Es gibt nicht die eine richtige Bildauflösung. Jeder Kollege wird eine andere Auffassung haben, jeder wird dieselbe Aufgabe in einem Jahr möglicherweise ganz anders lösen als heute. Mehrfach habe ich Beethovens Neunte „ins Bild gesetzt“ und dabei jedes Mal neue Aspekte entdeckt. Es ist diese künstlerische Freiheit, die diesen Beruf auch so spannend macht.

Bei der Einteilung der Schnitte, das heißt welche Kamera an welcher musikalischen Stelle welche Bilder zeigt, muss die Regie berücksichtigen, wie viel Probenzeit zur Verfügung steht.

Wenn in der Vorbereitung mehrere Kameraproben stattfinden, kann natürlich die Anzahl der Schnitte wie auch der Schwierigkeitsgrad für die Kamerakollegen und den Bildmischer, der die einzelnen Bilder schneiden wird, deutlich erhöht werden. Wenn für ein Konzert, wie in Dresden, nur eine Generalprobe zur Verfügung steht, dann muss jeder Schnitt gut überlegt sein. Letzten Endes muss bereits nach einer Probe eine fehlerfreie Live-Übertragung gewährleistet sein. Hier ist kein Spielraum für viele neue Experimente.

Habe ich die Partitur fertig eingerichtet, kommt der Assistent an die Reihe. Seine Aufgabe ist es, die Schnitte, die in die Partitur eingezeichnet sind, zu „extrahieren“. Dafür müssen die Schnitte mit laufenden Positionsnummern versehen werden. So entsteht ein Kamerabuch, das während des Konzerts „abgearbeitet“ wird. Ein kleines Beispiel: Position 1 ist die Kamera 7 mit dem Dirigenten, Position 2 ist die Kamera 5 mit einer Gruppe Violinen, Position 3 ist ein Bassbogen groß, Position 4 ist die Kamera 6 mit einer Bildblende zur Reihe Blechbläser im Profil mit einer Zufahrt auf ein Instrument groß und so weiter. Und dies natürlich unter Berücksichtigung der Taktlängen. Am Ende beschreibt es von Position 1 – circa 500 präzise – alle Bildeinstellungen während des gesamten Requiems. Zu jeder Zeit weiß dann jeder Kamerakollege, was er zeigen soll. Wir im Übertragungswagen, der Regiestab und die Technik sind – Kommunikation zu jeder Zeit ohne das Konzert zu stören – über Kopfhörer mit allen Kameraleuten verbunden. Und wir sehen ständig die Bilder aller Kameras auf den Monitoren vor uns.

Die Arbeit im Ü-Wagen

Das erleichtert den Ablauf und im Falle des Falles das rasche Eingreifen bei plötzlichen Veränderungen, die es immer mal geben kann. Der Bildmischer im Ü-Wagen bekommt von mir oder meinem Assistenten den jeweiligen genauen Schnittpunkt in der Partitur angesagt. So entsteht die Bildreihenfolge, die dann über den Bildschirm zu sehen ist. Zwischen der Regie und dem Bildmischer besteht in aller Regel ein sehr vertrauensvoller Kontakt. Beide müssen sich blind aufeinander verlassen können. Während der Probe und einer großen Regiebesprechung werden gegebenenfalls noch Korrekturen vorgenommen, Bildausschnitte angepasst, Schnitte hinzugefügt, beziehungsweise reduziert und Einstellungen verändert. Den zeitlichen Umständen entsprechend bestmöglichst präpariert, kann nun die Live-Übertragung beginnen. Live heißt: dass jeder Fehler, sei es die Kamera zeigt zum Beispiel nicht das richtige Instrument oder der Schnittpunkt wird nicht exakt an den Bildmischer weitergegeben, unkorrigiert gesendet wird.

Eine gute Vorbereitung ist in jedem Fall die dringende Voraussetzung. Unerlässlich ist aber ein Team, das mit mir an einem Strang zieht. Die Motivation der Mitarbeiter vor Ort wie auch des künstlerischen Stabs ist ein mindestens ebenso wichtiger Faktor, der zum Gelingen oder Misslingen einer Produktion beitragen kann. Eine gute Einschätzung des Teams, was es in welcher Zeit leisten kann, ist dabei sehr hilfreich. Das sind Erfahrungswerte, die unbedingt zum Handwerk gehören. Es ist von ganz großem Vorteil, wenn man jahrelange Erfahrungen mit einem Team hat, wie ich in diesem Fall mit dem Mitteldeutschen Rundfunk. Ich kann mich nahezu blind auf alle verlassen. Es entstehen keine Unsicherheiten, denn alle kennen sich gut. So ist, auch mit nur einer Probe, eine durchaus anspruchsvolle optische Umsetzung möglich.

Elisabeth Malzer

 

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