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Ausgabe 2005/02
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nmz 2005/02 | Seite 38
54. Jahrgang | Februar
Rezensionen-Film

Lasst die guten Zeiten rollen

Jamie Foxx ist Ray Charles in Taylor Hackfords großartiger Filmbiografie

Als Ray Charles am 10. Juni des vergangenen Jahres im Alter von 73 Jahren in Beverly Hills starb, weinten ihm auch viele Musiker eine Träne nach. Darunter waren Künstler wie Brian Wilson, James Taylor oder „Rolling Stones“-Kopf Keith Richards, der ihn als ersten wahren Crossover-Musiker der Pop-Geschichte bezeichnete: „Der Mann hatte eine wahnsinnige Spannbreite. Er passte in keine Schublade. Er hatte seine eigene. Ich fand das sagenhaft, wie er ganz mühelos zwischen diesen ganzen Sachen hin- und hersausen konnte. Für ihn war’s einfach alles Musik. Ray war Rock’n’Roll. Und Rhythm & Blues. Und Jazz. Und Country.“ Wer nur einmal bewusst seine grandiose samtweiche Version des Hoagy Carmichael-Evergreens „Georgia On My Mind“ gehört hat, weiß das. Ray Charles selbst hat das in seiner Autobiografie „Ray“ (soeben im Heyne-Verlag erschienen) so ausgedrückt: „Ich bin kein Jazzsänger. Ich bin kein Bluessänger. Ich bin kein Countrysänger. Ich bin kein Crooner. Ich bin ein Sänger, der den Blues singen kann. Ich bin ein Sänger, der Country singen kann. Das ist ein großer Unterschied.“

„So einen wie ihn hatte man nie gehört“, schrieb Konrad Heidkamp in seinem klugen Nachruf in der „Zeit“: „Seine Mischung aus der Musik Gottes und dem Blues des Teufels konnte nur in der schwarzen Seele eines blinden Sehers gezeugt worden sein. Soul war der Name der Erlösung, der Geist wurde wieder Fleisch. Wenn Ray Charles selbst erzählte, klang diese Mixtur ganz anschaulich und schlicht: …wie aus der Jukebox Hillbilly-Melodien, Blues- und Big-Band-Jazz dröhnten und sie in der Kirche Gospel sangen. Ganz verschieden, doch aus einer Jukebox, einem Glauben.“ Nummern wie „Hallelujah I Love Her So“ oder „I’ve Got A Woman“ waren fürwahr aus einem Glauben entstanden und für diese einzige große Jukebox Amerikas aufgenommen worden.

Seine definitive Session für das „Atlantic“-Label sei 1954 in Atlanta gewesen, erzählt der wohl bedeutendste Produzent schwarzer Musik in den Fifties und Sixties, Jerry Wexler: „Es war, als würde er neu geboren, und zwar schon gereift und vollendet, wie Minerva aus dem Kopf des Jupiter. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartete. Er wohnte im Peacock Hotel. Gegenüber lag der Royal Peacock Nightclub. Ray rannte die Hoteltreppe runter, über die Straße, dann wieder eine Etage hoch, und da wartete diese Sieben-Mann-Band an ihren Instrumenten: vier Bläser, drei Rhythmusleute, keine Gitarre. Mit ‘I’ve Got A Woman’ legten sie los. Mit dieser Band hatte er endlich seine Stimme, seinen Stil gefunden. Eine Ironie, dass Ray Charles, fraglos ein Vorreiter des von Gitarren geprägten Rock’n’Roll, diesen Sound ohne Gitarre schuf. Aber so hatten die Bläser den Raum, den sie brauchten.“

In den USA hat Ray Charles in den letzten Wochen postum ein sensationelles Comeback erlebt: Taylor Hackfords liebevoll inszeniertes Biopic „Ray“ entwickelte sich zum Kino-Hit und der dazugehörige Soundtrack (Rhino/Warner Music) eroberte die Album-Charts. Jamie Foxx, der als Brother Ray die (bisherige) Rolle seines Lebens gefunden hat, gehört zu den aussichtsreichsten Oscar-Anwärtern. Und das zurecht: Mr. Foxx ist Ray – bis in die feinsten Manierismen hinein. Das hat auch Ray Charles noch kurz vor seinem Tod so empfunden. Denn nachdem der blinde Ray ein Leben lang nur mit den Ohren gesehen hatte, war es für ihn auch kein Problem den fertigen Film zu „sehen“. Jamie Foxx selbst musste während der Dreharbeiten täglich zwölf bis vierzehn Stunden lang „blind“ sein. Eine schwierige Aufgabe, die Foxx produktiv meisterte: „Ich hatte das Bedürfnis einfach nur zu sehen. Aber ich habe genau das auch genutzt, um die Rolle zu erarbeiten. Ich bin sicher, es gab jede Menge Momente in denen er einfach nur sehen wollte, die Bäume, den Himmel, seine Mutter. Gleichzeitig hat er die Blindheit auch benutzt, um sich abzuschotten, manche Dinge, mit denen er nichts zu tun haben wollte, einfach auszuklammern.“

Die Sängerbiografien sind gewissermaßen ein Subgenre des Biopics. Immer herrscht in dieser Mixtur aus Facts & Fiction eine gewisse Einsamkeit um die Helden. Ob es nun um John Carpenters „Elvis“, Jim McBrides Jerry Lee Lewis („Great Balls of Fire“) oder Oliver Stones Jim Morrison geht. Auch in Kevin Spaceys kommender „labor of love“ über den Crooner Bobby Darin („Beyond the Sea“), der im Übrigen im selben „Atlantic“-Stall war wie Ray, wird diese Solitude herumspuken. Immer wenn Brother Ray dieses Gefühl bei Taylor Hackford überkommt, zieht er sich zurück ins Badezimmer, um sich einen Schuss Heroin zu verpassen. Der Film über diesen modernen Orpheus endet dann auch, als Ray Charles Mitte der Sixties „King Heroin“ besiegt hatte. Und er aufhörte mit den Experimenten zwischen Soul und Country, der Suche nach den „Modern Sounds“ in der Popmusik.

Viktor Rotthaler

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