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nmz-archiv
nmz 2005/04 | Seite 39
54. Jahrgang | April
Oper & Konzert
Ein Orchestergastspiel gerät zur Demonstration
An fünf Tagen residierte das Los Angeles Philharmonic Orchestra
in der Kölner Philharmonie
Die Philharmoniker aus Los Angeles sind in Europa und auch in
Deutschland keine Unbekannten mehr. Bei früheren Gastspielen
bewunderte man den brillanten Klang, den effektvollen Elan, die
instrumentale Virtuosität des 1919 gegründeten Orchesters,
das sich neben den berühmten „Big Five“ in New
York, Boston, Philadelphia, Cleveland und Chicago längst als
sechste Größe etabliert hat, und dies keinesfalls an
letzter Stelle. Dieser unaufhaltsame Aufstieg des Orchesters ist
neben den jeweiligen Dirigenten vor allem einem ehrgeizigen Manager
zu verdanken: Ernest Fleischmann, gebürtiger Frankfurter, sah
seine Lebensaufgabe darin, dem Los Angeles Philharmonic den gebührenden
Platz in der Welt der Musik zu verschaffen. Das ist ihm auch vollauf
gelungen. In Erinnerung ist vor allem der Auftritt des Orchesters
bei den Salzburger Festspielen 1992, als es zum Opernorchester für
die Aufführungen von Messiaens „Saint Francois d’Assise“
in der Inszenierung Peter Sellars’ avancierte. Wer die Vorstellungen
unter der souveränen Leitung von Esa-Pekka Salonen live erlebt
hat, verliert sie sicher niemals aus dem Gedächtnis.
Jetzt erfüllte sich für das Orchester und seinen Chefdirigenten
Esa-Pekka Salonen ein besonderer Wunsch: Einmal nicht – heute
hier, morgen da – die übliche Tourneeroutine abspulen,
sondern einmal für mehrere Tage an einem Ort zu verweilen und
außer den Konzerten auch einen Einblick in die tägliche
Arbeit daheim in Kalifornien zu vermitteln. An fünf Tagen war
das Los Angeles Philharmonic als Residenz-Orchester der Kölner
Philharmonie in der Domstadt. Man ging in Schulen und machte dort
interessierte junge Menschen mit einem anspruchsvollen Programm
bekannt, das von der Los Angeles Philharmonic Chamber Musik Society
vorgestellt wurde: Werke von Steven Stucky, Debussy, Kaija Saariaho
und Fauré präsentierten Orchestermusiker zugleich als
brillante Kammermusiker. Vom Besuch des Orchesters profitierten
auch ausgewählte Studenten der Kölner Musikhochschule,
die von Stimmführern in Meisterkursen wertvolle Anregungen
erhielten.
Das Gastspiel diente aber auch dazu, den Chefdirigenten Salonen
als Komponisten genauer kennenzulernen - auf ausdrücklichen
Wunsch der Kölner Philharmonie. Salonen hat sogar als Komponist
begonnen, verdankt nach eigenen Worten Pierre Boulez sehr viel,
hat sich dann gleichwohl aber von Darmstadt und Donaueschingen ästhetisch
sehr weit entfernt. Salonen schreibt eine hoch emotional bewegte,
kraftvoll drängende, von subjektiver Empfindung durchtränkte
Musik. Sie reflektiert nicht ihr Material, sondern drängt energisch
nach außen, zum Hörer hin, den sie ansprechen will. Sie
stellt ihre Körperlichkeit plastisch und oft bedrängend
direkt aus. Dass dabei der ästhetische Anspruch nicht zu kurz
kommen muss, zeigte in Köln vor allem Salonens „Mania“,
eine rastlos dahinstürmende Musik, bei der sich ein kleines
Orchester und ein Solo-Cellist förmlich bis zur Erschöpfung
zu hetzen scheinen.
Die physische Präsenz des Komponierens bei Salonen prägt
auch sein Dirigieren. Die dichte Interaktion zwischen Dirigent und
Orchester führte immer wieder zu überwältigenden
Ausdrucksentladungen, die jedoch stets genaue Kontur bewahrten.
Bruckners siebte Sinfonie in E-Dur gelang dabei besonders überzeugend.