Wie „Jugend musiziert“ seine Preisträger fördert:
Bericht über eine Konzertreise nach Helsinki
Der 42. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ beginnt
in wenigen Wochen, vor und hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen
auf Hochtouren, und während vom 12. bis 19. Mai noch in Erlangen,
Fürth und Nürnberg das große achttägige Finale
ausgetragen werden wird, studiert man bereits landauf, landab die
Regularien für die Teilnahme am 43. Wettbewerb 2006. Die so
genannte Ausschreibung ist ab Anfang Mai über die Bundesgeschäftsstelle
„Jugend musiziert“ erhältlich. Es ist nicht übertrieben,
zu behaupten, dass dieses Büchlein neben zahlreichen detaillierten
Anweisungen auch regelrechte Aufforderungen zu Abenteuergeschichten
aus aller Welt enthält: „Preisträgerinnen und Preisträger
können zu ihrer weiteren Förderung (…) zu nationalen
und internationalen Einrichtungen wie Musik-Camps, Ferienlagern
und Jugendorchestern, ferner zur Mitwirkung bei musikalischen Veranstaltungen,
Konzerten und internationalen Jugendmusikwettbewerben eingeladen
werden.“ So steht es am Ende des Kapitels „Sonderpreise
und Förderprämien“ zu lesen. Das Tagebuch einer
musikalischen Abenteuer-Reise zum Schauplatz Finnland, die mit finanzieller
Unterstützung des Goethe-Instituts zustande kam, verfassten
Miljana Basara, Frank Riedel und Linda Röhrig.
Vom Deutschen Musikrat erhielten wir eine Einladung zu einer Konzertreise
nach Helsinki, und sofort waren wir Feuer und Flamme, nach Finnland
zu reisen. Wir, das sind Miljana Basara (Klavier), Linda Röhrig
(Violine) und Frank Riedel (Altsaxophon). Doch dann kamen uns erste
Bedenken: Finnland im Januar? Da muss es bitterkalt sein! Wir waren
sehr gespannt, was uns erwarten würde.
Donnerstag, 13. Januar
Der Tag vor der Abreise! Am Abend treffen wir uns zu einer letzten
Probe. Miljana ist noch gestresst von der Schule, Linda kommt gerade
von der Hochschule für Musik in Frankfurt und Frank von der
Kölner. Noch einmal gehen wir durch, was wir unbedingt einpacken
müssen. Wir sind ziemlich nervös.
Freitag, 14. Januar
Um halb elf treffen wir uns in der S-Bahn Richtung Frankfurt-Flughafen,
beladen mit Reisegepäck und Instrumentenkoffern.
Unsere Lufthansa-Maschine geht um 13.30 Uhr. Der Flug ist herrlich
– es geht dem Sonnenuntergang entgegen. Bis wir gegen 17 Uhr
Ortszeit landen, ist es völlig dunkel. Nachdem wir endlich
den richtigen Ausgang und unser Gepäck gefunden haben, treffen
wir Ole Sandbacka von der schwedischen Grundschule in Helsinki,
der uns vom Flughafen abholt. Zunächst einmal bringt er uns
zu seiner Schule und zeigt uns die Aula, wo morgen zwei Konzerte
stattfinden sollen. Zwei? Uns wird erklärt, dass ein kurzes
Konzert für die Zweit- und Drittklässer sowie deren Eltern
geplant sei und ein weiteres im Anschluss für die Klassenstufen
vier bis sechs. Für viele sei es das erste klassische Konzert,
das sie besuchen. „Vielleicht könnt Ihr kurz die Instrumente
und Werke, die Ihr spielt, erklären!“ Jetzt ist etwas
Improvisationstalent gefordert. Aber wir werden unser Programm irgendwie
„schülerfreundlich“ zurechtbasteln.
Dann bringt uns Ole zu unseren Gastfamilien in Helsinki. Frank
wohnt bei der Familie des Pfarrers der Deutschen Gemeinde direkt
am Hafen, Linda und Miljana sind etwa 30 Autominuten entfernt bei
der Familie eines Mitarbeiters der Deutschen Botschaft untergebracht.
Unsere Gastfamilien klären uns über einige Besonderheiten
in Finnland und speziell Helsinki auf: So stellen wir fest, dass
alles, seien es Straßenschilder wie auch Lebensmittel sowohl
in finnisch als auch in schwedisch beschriftet sind, denn beides
sind offizielle Landessprachen. Wir versuchen uns in den nächsten
Tagen meist am Schwedischen zu orientieren, weil dies unserem Sprachverständnis
näher kommt.
Samstag, 15. Januar
Ole holt uns morgens bei unseren Gastfamilien ab, um uns in die
Schwedische Schule zu bringen. Unterwegs steigt noch Robert Bär
von der Deutschen Schule Helsinki zu uns ins Auto. Er organisiert
für die Deutschen Schulen im Ausland den Wettbewerb „Jugend
musiziert“. Ihm ist es zu verdanken, dass unser Trio nach
Finnland eingeladen wurde.
Dann findet das erste Konzert statt. Wir haben uns geeinigt, dass
Frank durch das Programm führen soll. Gott sei Dank ist eine
Lehrerin dabei, die vom Deutschen ins Schwedische übersetzt,
so wird niemand gezwungen, Franks „Kauderwelsch-Englisch“
anhören zu müssen. Wir spielen zuerst „Colour Dances“.
Vor jedem Satz erläutern wir den Schülern, welche Farben
ihnen darin jeweils begegnen. Die drei recht kurzen Sätze scheinen
uns in diesem Fall besonders passend. Zum Abschluss bringen wir
„Cantilène et Danse“ zu Gehör. Plötzlich
geht das Licht aus: Stromausfall! Wir müssen abbrechen und
neu einsetzen, als es wieder hell ist. Während des zweiten
Konzerts bleiben wir von solch kleinen Pannen verschont. Für
uns ist es schwer einzuschätzen, ob es dem Publikum gefallen
hat. Aber Herr Sandbacka und Herr Bär klären uns beim
gemeinsamen Mittagessen über die zurückhaltende Art der
Finnen auf. Anderntags berichtet uns Ole, dass seine Schüler
begeistert gewesen seien. Herr Bär teilt uns außerdem
mit, dass wir unser Konzertprogramm aus protokollarischen Gründen
ein wenig kürzen müssen – der anschließende
Empfang beim Botschafter wurde kurzfristig vorverlegt. Wir entschließen
uns, den ersten Satz der „Colour Dances“ von Francesco
di Fiore (ge. 1966) und Marc Eychennes (geb. 1933) „Cantilène
et Danse“ zu spielen. Nachmittags besichtigen wir die Deutsche
Schule. Stolz präsentiert uns Herr Bär seinen Musiksaal.
Überall ist schon für den Regionalwettbewerb „Jugend
musiziert“, der in wenigen Tagen stattfindet, dekoriert. Die
Schüler haben Notenschlüssel und Noten gebastelt.
Der Rest des Nachmittags bleibt uns zur freien Verfügung.
Klar, dass wir erst einmal die Hauptstadt erkunden und das schöne
Wetter genießen. Es soll der einzig sonnige Tag für uns
gewesen sein. Beim Abendessen wird uns Johannes Wik vorgestellt,
ein Harfenist aus Norwegen, der auch im europäischen Konzert
spielen wird. Angesichts der vielen Nationalitäten am Tisch
ist jetzt mal wieder Gelegenheit seine Englischkenntnisse hervorzuholen.
Sonntag, 16. Januar
Heute ist eine Stadtrundfahrt geplant. Es schneit, regnet und
ein kräftiger Wind weht uns um die Ohren. Bereits völlig
durchnässt und durchgefroren kommen wir mit 20-minütiger
Verspätung an der Schule an. Frau Schlegel, Lehrerin an der
deutschen Schule und unsere Stadtführerin, meint, man könne
die Schule eigentlich gar nicht verfehlen. Oh doch, man kann!
Zunächst bringt uns der Bus zum Sibelius-Denkmal. Die Finnen
sind sehr stolz auf ihren wohl einzigen bekannten Komponisten. Besonders
gut gefallen haben uns auch die alten Holzvillen, die in dieser
Gegend häufig anzutreffen sind. Neben weiteren musikalischen
Sehenswürdigkeiten wie dem Opernhaus und der Finlandia-Hall
sehen wir den prägnanten Dom und die griechisch-orthodoxe Kathedrale.
Fasziniert sind wir von der Innenstadt und den Regierungsgebäuden,
die von dem Architekten Johann Carl Ludwig Engel im klassizistischen
Stil entworfen wurden.
Montag, 17. Januar
Für uns die letze Gelegenheit, ein paar Erinnerungsfotos
zu schießen und Andenken einzukaufen. Nach dem Mittagessen
begeben wir uns zur Felsenkirche, wo das europäische Konzert
stattfinden wird. Da sie nicht überdimensioniert gebaut ist,
erinnert ihre Akustik mehr an einen großen Kammermusiksaal
als an eine hallige Kathedrale. Für uns ist es ein einmaliges
Erlebnis, in dieser weltbekannten Kirche aufzutreten.
Den Anfang des Konzertes gestaltet ein Vokalquintett von der Deutschen
Schule Helsinki. Es spannt einen Bogen von zeitgenössischen
Werken zu finnischem Volkslied. Danach verzaubert Johannes Wik,
der norwegische Harfenist, die Zuhörer mit seinem virtuosen
und gefühlvollen Spiel. Nun sind wir an der Reihe. Wir haben
Spaß daran, in der gut besetzen Kirche zu spielen und dem
Publikum die doch eher seltenen Klänge des Trios Klavier, Violine,
Altsaxophon zu vermitteln. Mit den 2003 komponierten „Colour
Dances“ möchten wir zeigen, dass unser Trio sehr zeitgemäß
ist. Und in „Cantilène et Danse“ verbindet sich
Neoromantik mit klassischer Moderne; genauso wie bei der architektonischen
Anlage der Felsenkirche. Unser Bestreben ist es, immer selbst Freude
an der Musik zu haben und dies auf den Zuhörer zu übertragen.
Wir denken, dass wir das diesmal ganz gut geschafft haben. Zum Abschluss
hören wir die finnische Sängerin Jennie Storbacka, die
mit jazzigen Arrangements und einer einmaligen Stimme ihr Publikum
berührt.
Nach dem Konzert werden wir zur deutschen Botschaft gebracht,
wo ein Empfang stattfindet. Dort hören wir zunächst den
finnischen Pianisten Henri Sigfridsson, der im Rahmen des „Kulturjahres
Nordrhein-Westfalen in Finnland“ Werke von Beethoven, Sibelius
und Englund spielt. Wir sind fasziniert von seinem grandiosen Spiel,
aber auch von der Kraft und Naturverbundenheit, die in der Musik
Sibelius’, die uns bisher unbekannt gewesen ist, steckt. Anschließend
kommen wir mit einigen Personen ins Gespräch, denen unser Auftritt
sehr gefallen hat. Wir sind froh, wenn wir zeigen können, welch
wunderschöne Musik in unserer Trio-Besetzung steckt.
Dienstag, 18. Januar
Jetzt heißt es, sich von unseren deutschen Gastfamilien
zu verabschieden. Sie haben sich sehr darum bemüht, uns einen
angenehmen Aufenthalt zu verschaffen.
Zu Hause angekommen, lassen wir noch einmal unsere Eindrücke
Revue passieren: Uns haben die ausgezeichneten Sprachkenntnisse
der Finnen imponiert. Schwedisch und Englisch spricht beinahe jeder,
und häufig konnten wir uns sogar auf Deutsch verständigen.
Ein besonderes Erlebnis war es jedoch für uns, in der weltbekannten
Felsenkirche zu spielen. Aber auch das Konzert in der schwedischen
Schule hat uns sehr herausgefordert und Freude bereitet, denn es
ist eine ganz neue Erfahrung, für kleinere Schüler zu
musizieren und ihnen klassische Musik nahe zu bringen.