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nmz-archiv
nmz 2005/04 | Seite 9
54. Jahrgang | April
Magazin
Viel zu wenig Werbung für die Wertigkeit von Musik
Audience Development für Konzerthäuser und Festivals
mit Musikschulen als Partnern
Ilona Schmiel hat als Geschäftsführerin des Bremer Konzerthauses
„Die Glocke“ (1998 bis 2002) einen Schwerpunkt auf Programme
für ein nachwachsendes Publikum gesetzt. Seit 2004 ist sie
Intendantin des Beethovenfestes Bonn und erweitert das Festivalprogramm
auch in dieser Hinsicht. Der VdM lud sie als Referentin zum Thema
Audience Development nach Essen ein. Im Gespräch mit der neuen
musikzeitung skizziert sie ihre Konzepte.
nmz: Frau Schmiel, wie definieren Sie den Modebegriff
Audience Development? Ilona Schmiel: Audience Development bedeutet ein
altersunabhängiges Publikum zu entwickeln, zu fördern
und zu fordern auf verschiedenen inhaltlichen Ebenen.
Ilona Schmiel: Kooperationen
sind Muss-Aufgaben. Foto: Charlotte Oswald
nmz: Was werden die Themen Ihres VdM-Workshops
sein? Schmiel: Ich möchte in meinem Workshop zeigen,
wie die Vermischung zwischen professionellen Institutionen und Ausbildungsinstituten
auf der Ebene der Musikschule gelernt werden kann. Kooperationen
zwischen Musikschulen und Veranstaltern müssen selbstverständlich
werden. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die für
alle Beteiligten sinnvoll sind. Es gibt zunächst Widerstände
von Seiten der Festivals und Veranstalter. Hier gilt es, das Bewusstsein
dafür zu bilden, dass wir diejenigen, die Musik ausüben,
stärken. Deshalb müssen wir ihnen einen Raum geben, etwa
in einem Festival. Den Schülern und jungen Menschen wiederum
muss man klar machen, dass unser Musikbetrieb nur weiterlebt, wenn
sie die Konzerte der Profis nutzen. Man kennt die Situation etwa
aus der Chorbewegung: man geht zum eigenen Chor ins Konzert und
vielleicht noch mal zum Konkurrenzchor. Und das war‘s! Andere
Angebote sind wenig interessant. Dieses Verhaltensmuster sollte
geändert und ein neues verankert werden.
nmz: Festival und Musikschule – wie kann
man diese Beziehung definieren? Schmiel: Die Musikschule ist einer unserer wichtigsten
Partner, weil sie eine große Menge von Menschen bündelt,
die ein primäres Interesse an Musik haben. Wenn ich selbst
diese Zielgruppe als Konzertbesucher eines Tages nicht mehr erreiche,
wie komme ich dann erst an den Schüler, der vielleicht noch
gar keine Affinität zur Musik hat?
nmz: Wie kann man die positive Arbeit der Profis
mit den Kindern, mit dem Nachwuchs, sichtbar machen? Schmiel: Das Beethovenfest hat angefangen, mit
der Bonner Musikschule zusammenzuarbeiten im Rahmen der „Bürger
für Beethoven“-Konzerte. Ich möchte mit Teilnehmern
im Workshop auch über Möglichkeiten diskutieren, wie man
solche Modelle weiter vorantreiben kann.
nmz: Wie kann überhaupt eine Zusammenarbeit
funktionieren? Schmiel: Ich werde die verschiedenen Modelle vorstellen,
die mir vorschweben. Weiter wird ein Hauptaugenmerk im Workshop
auf dem Erfahrungsaustausch liegen: An welchen Punkten klappte die
Integration, wo gab es Probleme.
nmz: Das Beethovenfest als Modell? Schmiel: …eine Möglichkeit eines Modells.
Wir bauen über die Jugendnachwuchskonzerte Ensembles ins Programm
ein, die wir an bestimmten Orten in der Stadt präsentieren.
Das sind zum einen Veranstaltungen, die vom Freundeskreis der Bürger
für Beethoven ausgewählt werden und parallel zum Hauptprogramm
des Beethovenfestes stattfinden. Ein weiteres Beispiel sind die
Konzerte in der Lounge am Hauptsitz der Deutschen Post. Das ist
eine feste Programmschiene an einem ausgewählten Wochentag,
wo Musikschüler unterschiedlicher Altersgruppen auftreten,
bei freiem Eintritt. Hier vermischen sich Festival, Musikschule
und auch Sponsorenkontakte. Die Schüler sind außerdem
einbezogen bei den Eröffnungskonzerten auf verschiedenen Bühnen
in der Stadt. Oder sie nehmen beispielsweise an Workshops zu Erik
Saties „Vexations“ teil. Dort treffen sie mit Künstlern
zusammen und wirken je nach Level auch mit.
nmz: Hans Werner Henzes „Cantiere Internationale
del Arte“ in Montepulciano war einst ein Modell für die
Kooperation zwischen Festival und Musikschule, zwischen Profis und
den Bürgern. Streben Sie etwas Ähnliches an? Schmiel: Man kann Modelle nicht einfach kopieren.
Zuerst muss man über die örtlichen Rahmenbedingen sprechen,
damit eine Kooperation erfolgreich wird. Was funktioniert hier in
dieser Region bereits, was ist wichtig in der Wahrnehmung durch
die Öffentlichkeit? Wo gibt es Widerstände und warum?
Nach Klärung dieser Fragen kann und sollte man ein eigenes
Profil entwickeln.
nmz: Erfolgreiche Kooperationen sind auch für
Musikschulen ein wichtiges Aushängeschild gegenüber den
Geldgebern, der öffentlichen Hand und natürlich den Eltern. Schmiel: Kooperationen sind keine Kann-, sondern
Mussaufgabe eines Festivals. Wir machen viel zu wenig PR für
die Wertigkeit von Musik, im Besonderen für ihre sozialen und
kognitiven Komponenten. Wir haben hier eine gemeinsame Verantwortung
innerhalb unserer Stadt und der gesamten Region übernommen.
Käme es etwa in Bonn zu einer Bedrohung der Musikschule, wäre
ich die erste, die dafür kämpft, dass in dieser Hinsicht
nichts Negatives passiert.