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nmz-archiv
nmz 2005/04 | Seite 9
54. Jahrgang | April
Magazin
Exemplarische Partnerschaft bewiesen
Ein Porträt der Deutschen Streicherphilharmonie
Deutsche Streicherphilharmonie – hinter diesem jungen Namen
verbirgt sich ein über 30 Jahre altes Jugendorchester mit einem
nach wie vor jungen Konzept. 1973 wurde es anlässlich der X.
Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin unter dem Namen
„Zentrales Jugendstreichorchester der Musikschulen der DDR“
gegründet. Die Initiative dazu kam vom Dirigenten Helmut Koch,
dem Begründer des Berliner Rundfunkorchesters und Leiter der
Berliner Singakademie. Als Rundfunk-Musikschulorchester, RMO, etablierte
es sich national und international.
Michael Sanderling, Chefdirigent
der Deutschen Streicherphilharmonie. Foto: VdM
Weitere Dirigenten waren Herbert Kegel, Wolf-Dieter Hauschild,
Winfried Müller und Max Pommer. Jörg-Peter Weigle war
über die Zeiten der Wende ständiger Dirigent. Er prägte
das Orchester bis 1995. Anfang 1991 war es dem Verband deutscher
Musikschulen (VdM) gelungen, das RMO zu erhalten. Der Verband formte
daraus sein Deutsches
usikschulorchester (DMO). Es sollte sich als eine glückliche
Entscheidung herausstellen.
Von 1995 bis 2004 war Hanns-Martin Schneidt künstlerischer
Leiter desDMO. In seiner Nachfolge ist seit Sommer 2004 Michael
Sanderling Chefdirigent des DMO, das sich nun Deutsche Streicherphilharmonie
nennt. Michael Sanderling: „Deutsches Musikschulorchester,
der Name weckte zu wenig Assoziationen mit der eigentlichen Spezifikation
des Ensembles: einem Orchester, das bundesweit die besten jungen
Streicher aller Musikschulen vereint.“ Was alle Vorläuferorchester
mit der Streicherphilharmonie von heute verbindet, ist das Konzept
eines homogenen Klangideals. Dieses beruht maßgeblich auf
einer Idee: Alle Dozenten stammen seit jeher aus einem einzigen
Orchester, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Von daher haben
alle eine gemeinsame Idee eines Orchesterklangs, was wiederum dem
VdM-Jugendorchester zugute kommt. Dieses revolutionäre Modell
existiert nun seit über 30 Jahren. Kein Wunder, dass die Deutsche
Streicherphilharmonie kürzlich als erstes Orchester mit der
„tutti-pro“-Urkunde von der Jeunesses Musicales und
der Deutschen Orchestervereinigung ausgezeichnet wurde. Hier wird
seit Jahrzehnten exemplarisch eine Partnerschaft zwischen einem
Profi- und einem Jugendorchester gelebt.
Der gravierende Unterschied in der Arbeit mit Profis und Jugendlichen
liegt laut Sanderling jedoch nicht etwa in der Qualität, sondern
in der Gemeinschaft. „Man ist wie eine Familie, die Freundschaft
zwischen den Musikern ist etwas Ungewöhnliches. Jedes Profiorchester
freut sich, wenn die Pausenglocke läutet, sie sind traurig,
wenn ich sage, bis nachher.“
Welches Gewicht diesen Worten zukommt, mag man aus der Tatsache
schließen, dass Sanderling seine jungen Musiker schließlich
mit Kollegen aus dem Symphonieorchester des BR, dem Tonhallen Orchester
Zürich, dem Berliner Sinfonie-Orchester, dem Deutschen Sinfonie-Orchester
Berlin, den Bamberger Sinfonikern oder dem Radiosinfonieorchester
Stuttgart vergleichen kann.
Im Konzert der Deuschen Jugendorchester steht die Deutsche Streicherphilharmonie
heute gut da: Wo sie spielt, gibt es hervorragende Kritiken und
Wiedereinladungen (so geschehen erst kürzlich nach einem Konzert
auf Schloss Elmau). Doch insgesamt gesehen sind die Möglichkeiten
für Auftritte gering. Sanderling: „Da die Teilnehmer
aus ganz Deutschland kommen, entstehen logistische Probleme. Auch
sind wir dadurch im Vergleich zu anderen Jugendorchestern teurer.“
Ein Mehr an Sponsorengeldern könnte auch der Deutschen Streicherphilharmonie
nicht schaden. Doch aufgrund seiner Konstruktion „sitzt“
es zwischen allen Sponsorenstühlen: Die lokalen Sponsoren sind
nicht interessiert, und viele der bundesweit agierenden Förderer
sind längst engagiert.