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nmz-archiv
nmz 2005/04 | Seite 46
54. Jahrgang | April
Bücher
Der Lehrer als fahrender Gesell, den Eltern dienend
Ein Kompendium für die Praxis aus der Praxis eines Klavier-Unterrichtenden
Christoph Busching: Hand- und Fußbuch des Klavierunterrichts,
Gus-
tav Bosse Verlag, Kassel 2004, 115 S., Abb., Notenbsp., €
19,95, ISBN 3-7649-2684-8
In dem Band handelt Busching alle wesentlichen Bereiche des Klavierunterrichts
ab: Anfängerunterricht, das Üben, den Gruppenunterricht,
die Gestaltung von Vorspielen, den Umgang mit Schülereltern
et cetera. Schon diese kleine Kapitelauswahl zeigt, dass sich das
Buch auf die harte Basisarbeit bezieht – fernab vom zumeist
lebensfernen Hochschul-Lernstoff. Frisch ironisch erklingt der Auftakt
zu dem knappen Kompendium mit der Auflistung, was ein guter Klavierlehrer
alles in seinem pädagogischen Gepäck mitbringen sollte.
Es liegt auf der Hand, dass bei der knapp bemessenen Seitenzahl
jeder der Bereiche nur gestreift wird, zumal der Autor, wohl um
seinen Ausführungen mehr Plastizität zu verleihen, häufig
überflüssige Dialogbeispiele einfließen lässt.
Busching schreckt vor pragmatischen Formulierungen nicht zurück,
die auf dem öffentlich-akademischen Podium der Klavierdidaktik
oft tabuisiert sind („Erwachsene sind im allgemeinen eher
angenehme Schüler. Sie sind aufnahmefähig, diszipliniert,
wissen, dass sie nicht für den Lehrer, sondern für sich
selbst lernen, erzählen gerne, zahlen gut, fallen oft aus [sic!]).“
Das verleiht dem Buch eine erfrischende Note. Der Autor schreibt
aus seiner langjährigen Berufserfahrung heraus, während
derer sich gewisse – persönliche – Grundsätze
gebildet haben. So geht es ihm vor allem um die sofortige Vermittlung
von Notenkenntnis und ihrer Umsetzung in Musik. So legt er im Anfängerunterricht
großen Wert auf die Konzentration beider Daumen auf das „Mittel-C“.
Solcherlei Ansätze können durchaus ins Kreuzfeuer der
Kritik geraten, beschneidet doch die längere Begrenzung der
beiden Hände auf einen kleinen Umfang den Lernenden in seiner
Unbefangenheit, Bewegungs- und Experimentierfreude, und mag doch
die sofortige Fesselung an die herkömmliche Notenschrift manche
Schüler in ihrem musikalischen Ausdruckswillen knebeln. Man
vermisst beim Lesen des Buches einen flexiblen Umgang mit der individuellen
Veranlagung der Schüler.
Die Querelen mit Schülereltern scheinen vordergründig
praxisnah kommentiert, ebenso die Vermeidung des Burnout-Syndroms
und anderes, doch geht leider vielerorts die präzise Aussage
im abschweifenden Plaudertonfall unter. Und einiges wird einfach
unter den Teppich gekehrt: Der fast einzige Nachteil von öffentlichen
Musikschulen sei der ständige Ärger mit ihren Leitern,
doch was ist mit der Verknappung von Unterrichtseinheiten, dem mühsamen
Abarbeiten von Ferienüberhängen (nicht selten am Wochenende),
das auch bei öffentlichen Musikschulen oft katastrophale Raum-
und Instrumentenangebot durch die Verlegung in Außenstellen?
Also doch nicht so praxisnah? Besonders dürftig fällt
– mit einem gut gemeinten (und lohnenswerten) Literaturverweis
auf Lindemanns Selbstmarketing-Buch – die Existenzgründung
der privaten Klavierlehrer aus, kommt doch auch der Bereich des
Selbstmarketings an Musikhochschulen viel zu kurz. Busching geht
leider wie selbstverständlich davon aus, dass privater Klavierunterricht
bei den Schülern zu Hause stattfindet. Der Lehrer als fahrender
Gesell, die Bequemlichkeit der Eltern bedienend. Nachteile eines
solchen Unterrichtens finden keinerlei Erwähnung. Dass man
für den Unterricht eigens einen Raum mieten oder auch die Räumlichkeiten
öffentlicher Schulen nutzen könnte – all diese Anregungen
finden leider keinen Platz. Ebenso vermisst man Hinweise und Ratschläge
für das Aufsetzen privater Unterrichtsverträge oder den
Umgang mit Krankheit. Schade, denn das überaus fruchtbare Konzept
dieses Handbuches inklusive seiner Füße hätte dem
Klavierlehrer in der heutigen Zeit eine solide Hilfestellung bieten
können. Dem erfahrenen Pädagogen bietet das Buch kaum
Neues, auch die Literaturverweise fallen recht dürftig aus,
fruchtbare Anregungen finden sich wenige. Dennoch: Das Hand- und
Fußbuch vermag wohl vor allem Berufseinsteigern, direkt von
der Hochschule kommend, einige Hilfestellung zu bieten.