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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 37
55. Jahrgang | März
Oper & Konzert
Bewegende Melancholie
Hommage à Clytus Gottwald
So alt ist schon die Neue Musik: Sie kann Erinnerungen, Rührung,
eine kontrollierte Sentimentalität entfalten, dann nämlich,
wenn es gilt, eine der großen Figuren ihrer Geschichte zu
ehren. Man erkennt in solchen Augenblicken stärker als in tagtäglichen
Begegnungen, dass die Persönlichkeiten mit ihrem jeweiligen
Werk über die unbestreitbare kompositorische Qualität
hinaus auch so etwas Altmodisches wie Größe und Würde
errungen haben. Von solcher bewegenden Melancholie war die Hommage
für Clytus Gottwald erfüllt, mit der die Stuttgarter „Musik
der Jahrhunderte“ und das Eclat-Festival die diesjährigen
Tage der Neuen Musik eröffneten. Der „Meister des neuen
Chorgesangs“ – so Laudator Dieter Schnebel über
den im letzten November achtzig Jahre alt gewordenen Gottwald, konnte
Freunde und Weggefährten um sich versammeln. Boulez schenkte
ihm mit dem Ensemble Intercontemporain eine brillante Aufführung
von Boulez’ „Sur Incise“, Holliger steuerte als
Uraufführung seine „Utopie Chorklang“ bei, gesungen
vom SWR-Vokalensemble das auch Wagner- und Alban-Berg-Übertragungen
vortrug, die Gottwald in den letzten Jahren für Chor einrichtete:
Perfekte Überführungen der Vorlagen in den Chorklang.
Das SWR-Vokalensemble demonstrierte selbst mit einigen Gastsängern
seine unanfechtbare Kompetenz. Insgeheim schreitet aber wohl die
Demontage des Chores schleichend fort. Für diese Kulturzerstörung
steht der Name des SWR-Intendanten Peter Voß.