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Ausgabe 2006/03
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nmz 2006/03 | Seite 41
55. Jahrgang | März
Oper & Konzert

Grummeln, Kratzen und eine Hand voll Kassettenrekorder

Das Ahornfelder Musikfestival Leipzig lässt elektronische Vegetation wuchern

Viel junges Publikum ist zu einem Festival zeitgenössischer Musik selten und deshalb besonders erwünscht. Alexander Schubert ist es in Leipzig gelungen, eine gewisse populäre Stimmung um zwei Januar-Abende mit kompromisslos individuell-eigenständigen Positionen zu weben. Die Beiträge unterstrichen die Rolle elektronischer Medien für gegenwärtige musikalische Kreationen und stellten die Ästhetik digitaler Prozesse anschaulich dar.

Alexander Schubert: Initiator und teilnehmender Künstler. Foto: nmz

Bild vergrößernAlexander Schubert: Initiator und teilnehmender Künstler. Foto: nmz

So spannt etwa Marcus Obst seine Klänge auf: Eine Autogarage? In der sehr präsent ein Anlasser interruptus Fluss chemischer Stoffe erzeugt, und das in reiner Zeit? Kraftstoffe stoßen, Leerlauf nimmt minimal zu. Obst arbeitet sehr strukturiert. Und mit wunderbarem Herzen, wenn er etwa in Zeitlupe und einem angetäuschten 60er-Jahre-Groove das Wimmern eines aussterbenden Dinosauriers einblendet. Hier entsteht ein postmoderner Vormärz mit der entsprechenden elektronischen Vegetation, mit Lampions, Tapeten und Wellness-Garnitur. Kleine Kreise Karottensaft bilden Oktaven für ein entrückt-konsolidiertes Bewusstsein. Auf skurrile Weise werden auch hier Globalisierung und Standortvor- oder -nachteile diskutiert. Denn ein weiteres Land, als der Erzgebirgler produziert, gibt es auch in Asien nicht. Meisterhaft ist es ohnehin, ein Set in zwei langen Atemzügen zu vollführen.

Schubert selbst schließt ebenso subtil an und stellt vier reizvolle Miniaturen vor. Er leistet ein ganzes Stück Arbeit, auch wo er erst nur ein bisschen die Gitarre berührt. Denn zunehmend legt er mehrere Spuren übereinander, die sich zu einem bedepperten Rhythmus ordnen oder aufschaukeln. Seine Musik ist dabei von dem Potential getragen, welches jeder großen Kunst innewohnt: Sie weiß unsere herkömmliche Vorstellung von den Dingen völlig neu zusammenzusetzen. So sitzt man im Konzert nahe einem Gravitationszentrum, durch welches fest gefügte Assoziationsmuster des Seins explodieren. Es wird einem schwindlig, bis Schubert so ernst wie ironisch eine Schunkelgitarre zum Besten gibt. Dann erkundet er, wie alltägliche Trinkgläser jenseits ihrer Harmonikafunktion klingen können, indem er sie mikrofoniert und damit einen subtil-filigranen Chor aus Rückkopplungen erzeugt. Eine Hand voll Kassettenrekorder werden in einer magisch beschwörenden Handlung zwischen die Hörer gestellt. Ihre Tapes loten diesen Raum aus und löten ihm fluktuierende Geräuschlasuren ein. Nach dem digital ausgedünnten, aber nicht unangenehmen Jazzrock des „Tommorow Collective“ bringt ein ziemlich extrovertiertes Friedrich-Kettlitz-Duo feat. Elan Pauer frischen Wind. Eine physischere Musikalität, Bewegung. Wie die Tasten flott die mit Blechen beinahe vollständig belegten Saiten regen. Der Pianist, dessen Flügelpräparationen in diesem Kontext wie ein Midi-Keyboard funktionieren, schwitzt mehr als alle anderen Musiker des Festivals zusammen. Und die Kettlitz’sche Gitarre fährt tiefe Wände, welche sich dank digitaler Aufspaltung einbeugen, dann kratzen, grummeln, zischen. Unterhaltsam und der zeitgenössischen Improvisation mit Ernst verpflichtet. An einem Klassiker orientiert sich Andrew Pekler. Er dekonstruiert Werke Morton Feldmans. Den Streicherklängen aus den 50ern legt er Atemmasken an, dass manisch-düstere Winde entstehen. Türmt Pizzicato-Loops und verwendet dabei einen Sound, der clubtauglich, voll und rund ist.

Faszinierend etabliert so jede Musik ihren eigenen Raum. „nahr“ ist völlig transparent: Es schwellen zarte Rauchwolken an, links tropft es, rechts fällt eine Triangel auf. „Trikband“ hantiert laborhaft mit einem Paukenschlägel, pocht und konstruiert ein absurdes Schlagzeug: dumpf-knäckern, spielerisch, pappig-humoresk. Beinahe alberne Mischungen produziert „tonfang“, auf vorproduzierte Tracks zurückgreifend. „Fs Blumm“ zeigt selbstverständlich, wie eingängige Arrangements, die durch eine mitlaufende MD-Ebene vervollständigt und abgesichert werden mit konsequenten Gitarrendekonstruktionen verbunden werden, können.
Ein Festival angenehmer Größe, mit viel Feingefühl kuratiert.

Oliver Schwerdt

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