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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 29
55. Jahrgang | März
Deutscher
Tonkünstler Verband
Offene Grenzen
Komponistinnen im Berliner Konzerthaus
Mit immerhin vier Uraufführungen und zwei Berliner Erstaufführungen
konnte dieses Pilotprojekt der Gemeinschaft der Künstlerinnen
und Kunstfreunde (GEDOK) aufwarten. Eine vom Landesmusikrat Berlin,
vom Deutschen Tonkünstlerverband und vom Konzerthaus Berlin
unterstützte Veranstaltung, die durch eine internationale Ausschreibung
den Zweck hatte, Musikerinnen und Komponistinnen gleichermaßen
zu fördern. Die Jury war aus Fachleuten verschiedener Sparten
zusammengesetzt: Prof. Jürgen Ulrich (Komponist, Detmold ),
Dr. Gabriel Iranyi (Komponist, Berlin), Dr. Adelheid Krause-Pichler
(Musikwissenschaftlerin, Berlin), Eva Schieferstein (Pianistin,
München) und Gudrun Mettig (Musikpädagogin, Köln).
Und die Jury hatte eine hervorragende Auswahl getroffen, sowohl
was die stilistische Bandbreite der Stücke anbetraf, als auch
die unterschiedlichen Besetzungen und die Qualität der Instrumentalistinnen.
Mit einem geradezu romantischen Werk der französischen Komponistin
Henriette Renié wurde der Abend stimmungsvoll eingeleitet,
ein Stück voller satter Klangkaskaden für die Harfe. Mit
dem zeitgenössischen Solowerk „Haikus“ von Susann
McDonald und Linda Wood konnte die Harfenistin Silke Aichhorn aus
München demonstrieren, dass gerade dieses Instrument für
neue Klänge besonders geeignet ist, da es viele klangfarbliche
Möglichkeiten bietet. Die Karlsruher Pianistin Angela Yoffe
brachte die seltener gespielte 5. Klaviersonate von Galina Ustwolskaja
zur Aufführung, eine Komposition mit sehr ernstem Ausdruck,
lautstarken Emotionen, die wie Aufschreie einer Unterdrückten
wirkten.
Die Freiburger Komponistin Mia Schmidt präsentierte sich
mit einem erst vor wenigen Jahren geschriebenen Stück für
Violoncello und Zuspielband „Hades Haus“. Das Werk entstand
nach der Beschäftigung mit Texten von Ingeborg Bachmann. Die
Cellistin Beverly Ellis überzeugte mit einer spannungsvollen
Interpretation dieser Klangmontage.
Die Blockflöte gehört zu den wenigen Instrumenten, die
gerade bei zeitgenössischen Komponisten wegen ihrer archaischen
Ausdrucksmöglichkeiten besonders beliebt ist. Die in Hamburg
lebende französische Flötistin Marion Fermé hat
sich auf Neue Musik spezialisiert und arbeitet eng mit den Komponistinnen
ihrer Stücke zusammen. Die Kompositionen von Ana Lara „Icaro“,
Ros Bandt „Drifts in Sand“ und Noriko Kawakami „Klangrede“
überzeugten nicht nur durch große Virtuosität, sondern
auch durch die unterschiedlichen Klangwelten mit verschiedenen Flöten.
„Kassandra – neun Fragmente für Klavier solo“
hieß die Komposition von Christina Cordelia Messner, die in
das von Elnara Ismailova hervorragend gespielte Stück in neun
Teilen auch optische Effekte miteingebaut hatte. Die dramaturgische
Gestaltung richtet sich nach dem Inhalt der Texte von Christa Wolf,
die dem Werk „Kassandra“ zugrunde liegen. Mit dieser
Uraufführung wurde der Bereich der Performance und damit die
Verbindung von Musik, Sprache und Bild als Kunstform angenehm berührt.
Lenka Zupkova und Dorothee Hahne treten als Komponistinnen und
Interpretinnen ihrer Stücke gemeinsam auf. Zupkova verwendet
für ihre Stücke eine E-Violine, deren Klänge durch
Live-Elektronik modifiziert werden. Die Grenzen zwischen Improvisation
und Komposition sind hier offen. „Koleje“, in diesem
Konzert uraufgeführt, zeigte die Abstufungen musikalischer
Parameter und die Vielschichtigkeit der elektronischen Klangwelt.
„RestZeit“ von Dorothee Hahne wurde für Lenka Zupkova
komponiert. Die live gespielten Klänge werden in die vom Computer
gesteuerten Sampler und Effektschleifen der Audiosoftware eingespielt.
Ab der Mitte des Stückes vermischen sich rückwärts
gespielte Passagen mit neuen Live-Motiven. Eine neue Klangwelt,
die neugierig macht auf die vielen variativen Momente, die sich
hinter ihr verbergen.
Zu hoffen bleibt, dass ein solches Projekt kein Einzelfall bleibt,
denn der Erfolg war nicht nur hörbar durch die interessanten
Stücke, auch hörbar durch tosenden Applaus im überfüllten
Musikclub des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt.