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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 11
55. Jahrgang | März
Forum
Ein Widerspruch in sich
Zu „Belcanto im Kunstlied“, nmz 2/06, S. 29
Den Artikel „Belcanto
im Kunstlied“ (nmz 2/06) halte ich für Platzverschwendung.
Schon die Überschriften sind ein Widerspruch in sich: „Belcanto
im Kunstlied – Neue Wege der Liedinterpretation“. „Belcanto“
ist eine Bezeichnung für historische gesangspädagogische
Methoden, die heute keine Bedeutung mehr haben sollten, es sei denn,
man will angehende Sänger in ein unzeitgemäßes Konzept
einzwängen und sie damit methodologisch zum Scheitern verurteilen.
Zum Vergleich stellen Sie sich doch bitte vor, Ihnen würden
statt moderner medizinischer Methoden historische vorgeschlagen
werden (ohne Virologie, Bakteriologie, keine Narkose, …).
Die Rückwärtsgewandtheit, die sich im mystischen Herausstellen
des „Belcanto“ oder der „altitalienischen Gesangstechnik“
darstellt, kann keinen neuen Weg darstellen. Auch die Spekulation
es gäbe eine „deutsche“ und im Gegensatz dazu eine
„altitalienische Gesangstechnik“ zeigt, dass die Autorin
zu wenig Informationen bezüglich der Physiologie der Stimme
hat, als dass sie darüber schreiben sollte. Es mag wohl sein,
dass es eine Physiologie der Stimme gibt, aber da die Stimme immer
ein individueller Prozess ist, muss es also so viele Methoden geben,
wie es Sänger gibt. Daher gibt es keine „deutsche“
und keine „altitalienische Gesangstechnik“.
Des Weiteren benutzt die Autorin ein große Menge undefinierter
Begriffe, wie zum Beispiel „Register“, „Falsett“,
„Passaggio“, „Vokalausgleich“, „Vordersitz“,
„Natürlichkeit“ und so weiter. Unter diesen Begriffen
darf sich jeder vorstellen, was er will. Verfolgt man die Begriffe
in der gesangspädagogischen Literatur, in Rezensionen und anderen
Schriften, die sich mit dem Phänomen „Stimme“ befassen,
stellt man fest, dass die verschiedenen Autoren genau das machen.
Deswegen kann ich nur empfehlen, wenn man etwas vermitteln will,
Begriffe zu verwenden, deren Bedeutung möglichst eindeutig
ist. Alles andere nenne ich „Blabla“.
In einem Punkt kann ich die Autorin unterstützen: Die Aufführungsqualität
im Kunstlied kann deutlich verbessert werden. Dies kann geschehen,
wenn die Sänger ihre stimmlichen Möglichkeiten den Kommunikationserfordernissen
des Singens anhand objektiver Maßstäbe anpassen. Und
nicht subjektive Maßstäbe anlegen, wodurch der Sänger
seine Stimme nur zu dem entwickeln kann, was andere oder auch er
selber in seiner Stimme sehen/sieht. Das – mit Verlaub –
ist ein neuer Weg.