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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 14
55. Jahrgang | März
Kulturpolitik
Kommentar
Wertlos
Das Bundesministerium der Justiz hat vor wenigen Wochen einen Referentenentwurf
zur Reform des Urheberrechts, den so genannten Korb II, der Öffentlichkeit
vorgestellt. Teil dieses
Entwurfes ist eine Bagatellklausel, mit der Urheberrechtsverletzungen
in geringem Umfang zukünftig straffrei sein sollen. Der Deutsche
Kulturrat hat wie auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Politiker
von CDU, FDP und der Linksfraktion gegen diese Legalisierung von
Kleinkriminalität bei Urheberrechtsverletzungen deutlich Stellung
bezogen. Die SPD traut sich nicht ihrer Justizministerin die Meinung
zu sagen und nur Bündnis90/Die Grünen unterstützen
den Vorschlag von Bundesjustizministerin Zypries uneingeschränkt.
Die Bundesjustizministerin selbst spricht davon, dass mit ihrem
Gesetzesentwurf zu Korb II ein fairer Interessenausgleich zwischen
Kreativen, Verwertern, Nutzern, Geräteindustrie sowie dem Kulturbetrieb
und der Wissenschaft erzielt werde. Die Bagatellklausel wird wohl
nicht in der von der Justizministerin gewünschten Form Eingang
ins Urheberrecht finden. Dagegen hat sich im Parlament ein zu deutlicher
Widerstand gebildet. Vielleicht wird der Vorschlag deshalb schon
im Bundeskabinett gekippt werden. Trotzdem bleibt die Frage, wie
konnte die Bagatellklausel überhaupt in den Referentenentwurf
einer Justizministerin kommen. Man stelle sich vor, die Justizministerin
hätte nicht den Diebstahl von geistigem Eigentum legalisieren
wollen, sondern den Ladendiebstahl. Nicht bestraft wird, wer in
Einzelhandelsgeschäften Waren nur in geringer Zahl und ausschließlich
zum eigenen privaten Gebrauch oder zum privaten Gebrauch von mit
dem Täter persönlich verbundenen Personen stibitzt. Eine
solche Justizministerin wäre wohl noch am selben Tag ihren
Job losgeworden. Der Diebstahl von geistigem Eigentum soll aber,
nach dem Willen des Bundesjustizministeriums, genau so legalisiert
werden: „Nicht bestraft wird“, so steht es im Entwurf
der Justizministerin, „wer Werke oder Bearbeitungen oder Umgestaltungen
von Werken nur in geringer Zahl und ausschließlich zum eigenen
privaten Gebrauch oder zum privaten Gebrauch von mit dem Täter
persönlich verbundenen Personen vervielfältigt oder an
solchen Vervielfältigungen teilnimmt.“
Viel deutlicher kann man die Missachtung des Wertes des geistigen
Eigentums nicht mehr beschreiben. Hier handelt es sich nicht nur
um eine peinliche Panne des Bundesjustizministeriums, sondern um
den Ausdruck einer immer geringer werdenden Wertschätzung des
geistigen Eigentums in unserer Gesellschaft. Diese Geringschätzung
wird gerade auch von den Hochschullehrern und Verbraucherschützern
vorangetrieben, die den Wunsch nach überall zugänglichen
kostenfreien Informationen grundsätzlich über das Eigentumsrecht
und damit auch das Verwertungsrecht der Produzenten der Informationen
stellen. Künstler, Autoren und die Kulturwirtschaft leben von
der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke. Wer dem
geistigen Eigentum den Schutz entzieht, macht es ökonomisch
wertlos und zerstört die Lebensgrundlage vieler Kreativer und
großer Teile der Kulturwirtschaft.