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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 13-14
55. Jahrgang | März
Kulturpolitik
Der zweite Versuch ist nicht unbedingt besser
Zur Anhörung des Bundesministeriums der Justiz zum Korb II
· Von Gabriele Schulz
Die Umsetzung des so genannten Korbes II der EU-Richtlinie „Urheberrecht
in der Informationsgesellschaft“ gestaltet sich als weitaus
zäher und schwieriger als die Umsetzung des so genannten Korbes
I. Fast innerhalb der gesetzten Frist – sie wurde nur um wenige
Monate überschritten – hat die Bundesrepublik Deutschland
die mit einer Umsetzungsfrist belegten Teile der bereits genannten
EU-Richtlinie „Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“,
den so genannten Korb I, in der 14. Legislaturperiode in nationales
Recht überführt.
Katapultieren
uns die Verwerter mittels moderner Technologie wieder zurück
ins 18. Jahrhundert? Foto: Martin Hufner
Danach begann ein Marathon, dessen Ende noch nicht abzusehen ist.
Zunächst wurde ein Fragenkatalog zur Vorbereitung eines Zweiten
Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft
vorgelegt. Der Deutsche Kulturrat hat zu diesem am 11. Dezember
2003 Stellung bezogen. Danach wurde eine Reihe von Arbeitsgruppen
aus Vertretern der verschiedenen Interessengruppen eingesetzt, die
unter der Moderation des Bundesministeriums der Justiz die inhärenten
Interessenkonflikte ausloten und mögliche Kompromissformeln
erarbeiten sollte.
Diese Arbeit musste der Quadratur des Kreises ähneln. Zumal
das Bundesministerium der Justiz natürlich kein unabhängiger
Makler sein kann, sondern für alle Beteiligten der Ansprechpartner
ist, um die eigenen Partikularinteressen in den Gesetzgebungsprozess
einzubringen. Nach langen Diskussionen legte das Bundesministerium
der Justiz schließlich im Herbst 2004 einen Referentenentwurf
vor, der von verschiedenen Seiten sowohl bei der gemeinsamen Veranstaltung
des Bundesjustizministeriums und des Instituts für Urheber-
und Medienrecht in München als auch bei einer Anhörung
des Bundesjustizministeriums im Herbst 2004 harsch kritisiert wurde.
Bundesjustizministerin Zypries wertete bei einer Veranstaltung der
VG WORT im Januar 2005 diese Kritik der unterschiedlichen Interessenvertreter
als ein Zeichen dafür, dass der Referentenentwurf ausgewogen
ist. Der Deutsche Kulturrat hat am 9. November 2004 zum Referentenentwurf
Position bezogen.
Die von den verschiedenen Seiten vorgetragene Kritik veranlasste
das Bundesjustizministerium dazu, den Referentenentwurf noch einmal
zu überarbeiten. Auf Grund der vorgezogenen Bundestagswahlen
wurde der Referentenentwurf nicht in das Kabinett eingebracht, so
dass der weitere Gang der Gesetzgebung ins Stocken geriet. Zu Beginn
des Jahres 2006 legte die Bundesregierung nun einen zweiten Referentenentwurf
eines Zweiten Gesetzes zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
vor und stellte ihn am 26. Januar 2006 in einer Anhörung den
beteiligten Kreisen zur Diskussion. Bis auf die Geräteindustrie
waren die meisten der vertretenen Organisationen und Verbände
mit dem Referentenentwurf höchst unzufrieden.
Pointiert wurde dieses an der Vergütungshöhe für
Pauschalvergütungen deutlich. Fielen die Regelungen im ersten
Referentenentwurf schon weit hinter das zurück, was die Bundesregierung
selbst in ihren Vergütungsberichten als erforderlich ansah,
ist nun eine weitere Regelung gefunden, die vor allem der Geräteindustrie,
aber nicht den Künstlerinnen und Künstlern sowie der Kulturwirtschaft
zugute kommt. Sowohl die Vertreter der Urheber, wie zum Beispiel
ver.di, als auch der Kulturwirtschaft, wie zum Beispiel der Börsenverein
des deutschen Buchhandels, als auch der Verwertungsgesellschaften
wie zum Beispiel der GEMA und der VG WORT machten deutlich, dass
die im Referentenentwurf getroffenen Regelungen weder dazu dienen,
Rechtssicherheit herzustellen und die Verfahren zur Festlegung der
Tarife zu verkürzen, noch – und dieses ist das noch viel
schwer wiegendere Argument – die verfassungsrechtlich garantierte
angemessene Vergütung der Urheber zu gewährleisten.
Die einzige Kritik, die von Seiten der Geräteindustrie zu diesem
Punkt geäußert wurde, war die Verlängerung des Schlichtungsverfahrens
zwischen Verwertungsgesellschaften und Geräteindustrie von
sechs auf zwölf Monate mit der nach wie vor bestehenden Möglichkeit,
das Schlichtungsverfahren abzubrechen und ein Schiedsverfahren anzustreben.
Diese Verlängerung schafft für beide Seiten Unklarheit.
Die Unternehmen müssen entsprechende Rückstellungen vornehmen
und die Verwertungsgesellschaften können möglicherweise
über Jahre nicht adäquat ausschütten. Es bleibt abzuwarten,
ob bei den anstehenden Beratungen im Deutschen Bundestag dieser
Bereich noch einmal verändert wird. Sollten keine Veränderungen
erfolgen, würde dieses allen Aussagen der Kulturpolitiker,
den Wert der kreativen Leistungen zu schätzen und besonders
die so genannte Kreativwirtschaft zu stärken, Hohn spotten.
Verläuft die Auseinandersetzung zur Vergütungshöhe
zwischen dem Kulturbereich und den Herstellern beziehungsweise Importeuren
von Druckern, PCs und so weiter, findet sie mit Blick auf die Nutzung
der Möglichkeiten der digitalen Technik auch innerhalb des
Kulturbereiches statt. Zusammen mit den Wissenschaftsorganisationen
haben sich die Bibliotheken für eine deutliche Ausweitung ihrer
Möglichkeiten, Bücher digital in ihren Räumen anzubieten,
eingesetzt. Die nunmehr getroffenen Regelungen gehen den Wissenschaftsorganisationen
längst noch nicht weit genug. Sie haben wortreich vorgetragen,
dass sie wünschen, jedes Buch beziehungsweise jeder Zeitschriftenaufsatz
solle digital an ihrem Arbeitsplatz verfügbar sein, um mühselige
Wege in die Bibliothek vermeiden zu können. Der Börsenverein
des Deutschen Buchhandels wäre unter Umständen mit einer
solchen Regelung einverstanden, wenn jeweils eine Lizenz erworben
würde beziehungsweise die Bücher in mehrfacher Ausfertigung
vorhanden wären.
So befürchtet er aber, dass ein Buch einmal gekauft, digitalisiert
und dann vielfachst auf den Bildschirmen der Wissenschaftler gleichzeitig
genutzt wird. Dieses würde einen erheblichen Einschnitt in
den Markt bedeuten. Gleichzeitig muss aber auch bedacht werden,
dass in den vergangenen Jahren die Universitäten zwar mit Hardware,
also entsprechenden PCs, ausgestattet wurden, an die entsprechende
Bereitstellung von Content aber nicht gedacht wurde. Ebenso darf
in dieser Debatte nicht vergessen werden, dass die Preise insbesondere
internationaler Fachzeitschriftenverlage in den vergangenen Jahren
erheblich gestiegen sind und die Anschaffungsetats der Wissenschaftsbibliotheken
dem schon längst nicht mehr standhalten können. Der Deutsche
Kulturrat hat bereits im Jahr 2001 auf den Missstand aufmerksam
gemacht, dass Hochschulbibliotheken Abonnements von Fachzeitschriften
kündigen müssen, da ihre Etats mit den steigenden Preisen
nicht mithalten können. Die Sicherung des Wissenschaftsstandorts
Deutschland muss über Exzellenzinitiativen hinausgehen. Sie
muss gewährleisten, dass zumindest die notwendigen Arbeitsmittel
für Wissenschaftler und Studierende vorhanden sind und die
bestehenden urheberrechtlichen Standards erhalten bleiben. Damit
gerade die kleineren und mittleren Wissenschaftsverlage die Chance
haben, auf dem Markt zu bestehen. Es erweist sich nunmehr, dass
die Debatte um den Wert kreativer Leistungen viel zu lange nur in
Fachkreisen und verengt auf die Problematik der Raubkopien geführt
wurde. Der Umgang mit Raubkopien wurde ebenfalls intensiv debattiert.
Um Jugendliche vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen,
wird im Referentenentwurf vorgeschlagen, dass, wenn Urheberrechtsverletzungen
nur in geringem Umfang vorgenommen werden, diese straffrei bleiben
(Bagatellklausel). In der ebenfalls am 26. Januar 2006 stattfindenden
Bundestagsdebatte zum Antrag der FDP-Fraktion „Die Modernisierung
des Urheberrechts muss fortgesetzt werden“ haben fast alle
Debattenredner sich gegen diese Regelung gewandt.
Als Beispiel wurde immer wieder angeführt, ob der Ladendiebstahl
oder Diebstahl von Sachen für den eigenen Gebrauch künftig
auch straffrei bleiben soll. Die Missachtung des geistigen Eigentums
vor dem materiellen wurde in der Anhörung des Bundesministeriums
der Justiz und in der Bundestagsdebatte scharf kritisiert. Einzig
Jerzy Montag (Bündnis 90/Die Grünen) hielt die Bagatellklausel
noch hoch, um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche strafrechtlich
verfolgt werden. Nun ist es sicherlich richtig, Kinder und Jugendliche
nicht zu kriminalisieren, dennoch darf von Eigentumsansprüchen
gesetzlich nicht abgerückt werden. Zumal die so genannte Schulhofkriminalität
von den Staatsanwaltschaften zumeist aus Kapazitätsgründen
ohnehin nicht verfolgt wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Bagatellklausel
im Gesetzesentwurf noch enthalten ist oder hoffentlich spätestens
in den Ausschussberatungen gekippt wird.