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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 25
55. Jahrgang | März
Verbandspolitik
Vielseitig
LMR NRW im Gespräch
Der Landesmusikrat (LMR) NRW e.V. ist der Dachverband des Musiklebens
in Nordrhein-Westfalen. Mitglieder sind neben 18 Einzelpersönlichkeiten
54 Verbände, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen und Institutionen,
die das Musikleben Nordrhein-Westfalens in seinen vielfältigen
Ausprägungen und Interessen widerspiegeln. Seit 1. Juli 2005
ist Robert von Zahn Generalsekretär des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen.
Die neue musikzeitung sprach mit ihm.
nmz: Das Ruhrgebiet hat sich ein neues Profil
gegeben, weg von der Montanindustrie und hin zur Kultur. Eine ganze
Kulturregion ist im Aufbruch. Profitiert der Landesmusikrat NRW
von dieser Aufbruchstimmung?
Robert
von Zahn. Foto: LMR-NRW
Robert von Zahn: Für uns erwachsen im Ruhrgebiet
neue, ideenreiche Partner, mit denen wir gerne zusammenarbeiten.
Als Beispiel möchte ich die Essener Philharmonie nennen, deren
Intendant, Michael Kaufmann, uns die Chance bietet, die Arbeit der
Landesjugendensembles in einer Konzertreihe dreimal im Jahr unter
optimalen Bedingungen vorzustellen. Wir möchten bei diesen
Partnern aber auch dafür werben, die Musik vor Ort in ihre
Arbeit einzubeziehen: Das Ruhrgebiet birgt sehr eigenständige
musikalische Traditionen, ein dichtes Chorleben, eine aus der Umgebungskultur
gewachsene Form des Jazz, Musikformen, die von Migranten geprägt
wurden, Lieder, die aus der Arbeiterkultur und den sozialen Umwälzungen
des Ruhrgebiets stammen.
nmz: NRW ist nicht nur das Ruhrgebiet: Wo liegen
die Probleme und Chancen anderer Regionen und Ballungszentren?
von Zahn: Das größte Problem aller
Regionen in NRW sind sicherlich die Rahmenbedingungen des freien
künstlerischen Arbeitens, die sich immer ungünstiger gestalten.
Das niedrige Einkommen der vielen freischaffenden Musiker ist in
den letzten 15 Jahren im Schnitt gleich geblieben und koppelt sich
immer krasser von den Gehältern der Musiker in Anstellungen
der öffentlichen Hand ab. Die selbstständig arbeitenden
Musiker müssen immer mehr Zeit für die Selbstverwaltung
aufwenden. Aber auch das Schmuckstück NRWs, ein überaus
dichtes und lebendiges Musikvereinsleben, braucht Unterstützung.
Zumal die Lebendigkeit dieser beiden Eckpfeiler die größte
Chance birgt, musikalisch nach vorn zu kommen. Wir versuchen, deren
Potential in Landesinitiativen einzubringen, zum Beispiel in die
„Regionale 2010“ für die vier Rheinkreise.
nmz: Regierungschef Jürgen Rüttgers
hat den Kultur-Etat im Land verdoppelt. Kommt das auch dem LMR zugute?
Blow:
das JugendJazzOrchester NRW. Foto: Kai Kullen
von Zahn: Die CDU-FDP-Regierung möchte die
Kulturförderung in NRW mittelfristig verdoppeln. Das heißt,
dass aus den 70 Millionen Euro des Jahres 2005 nach fünf Jahren
140 Millionen jährlich werden sollen. Für 2006 könnte
dies laut Kabinettsvorgaben eine Steigerung der Kulturförderung
um gut 18 Prozent bedeuten – erfreulich genug. Inwieweit sich
dies auf die Arbeit des Landesmusikrats auswirken kann, wird der
Haushalt zeigen, der im April oder Mai verabschiedet werden soll.
Wir erhoffen uns vor allem einen Zuwachs in der so genannten Laienmusikförderung.
Herr Staatssekretär Grosse-Brockhoff hat dem Präsidenten
des Landesmusikrats, Werner Lohmann, und mir in zwei Gesprächen
über die Situation von Kunst und Kultur in NRW und speziell
über die Arbeit der Landesjugendensembles den Eindruck vermittelt,
dass er gerade den Nahtstellen zwischen Schule und Kulturleben sowie
der musikalischen Bildung einen sehr hohen Stellenwert einräumt.
nmz: Der Landesmusikrat NRW stellt sich dem Landesparlament
und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen als fachkundiger
Berater zur Verfügung. Welche Rolle spielen dabei Ihre vier
Arbeitsgemeinschaften des Landesmusikrats: Musik in Erziehung, Ausbildung
und Forschung (AG 1), Musik in der Jugend (AG 2), Musik im Laienbereich
(AG 3), Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft (AG 4).
von Zahn: Die vier Arbeitsgemeinschaften sind
das Rückgrat des Landesmusikrats, eine Art „think tank“,
der unmittelbaren Bezug zum Musikleben hat. Ich nenne nur zwei Beispiele
für das Ganze: Die AG für Musik in Erziehung, Ausbildung
und Forschung hat sich vor allem in den Aufbau der Offenen Ganztagsgrundschule
mit ausgearbeiteten Vorschlägen eingebracht, fachkundig verdichtet
von der stellvertretenden Leiterin der Geschäftsstelle Heike
Stumpf. Und die AG für Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft
hat sich in insgesamt fünf Diskussions- und Vortragsveranstaltungen
dem Problemfeld „Musik und Beruf“ gewidmet und ist dabei,
ihre Ergebnisse Land und Kommunen anzubieten.
nmz: Die Strukturveränderungen in den Hochschulen
NRW sind so gut wie abgeschlossen. Welche Anforderung wären
von Ihrer Warte aus die wichtigsten und dringendsten?
von Zahn: Es freut mich sehr, dass die Hochschulen
ihre Angebote dem heutigen Kulturleben anzupassen versuchen, insbesondere
freut mich die Einbeziehung von Jazz, Pop- und Weltmusik in einen
gestuften Studiengang „Populäre Musik“ an der Kölner
Hochschule, der auf der exzellenten Tradition des Kölner Jazz-Vollstudiengangs
aufbauen kann. Immer drängender wird das Problem, dass die
Hochschulen immer mehr Musiker für einen Arbeitsmarkt ausbilden,
der diese nur zu einem ganz kleinen Teil aufnehmen kann. Was nicht
heißt, dass man konkret auf einen Arbeitsmarkt hin ausbilden
muss, man würde ihm dann doch nur hoffnungslos hinterherlaufen.
Aber Auswüchse sollten die Hochschulen in den Griff bekommen.
nmz: Sie vertreten 54 Mitglieder – wie kann
man für so eine heterogene Interessengemeinschaft wirkungsvolles
Lobbying betreiben?
von Zahn: Die Gesamtheit der Mitglieder ist so
heterogen nicht. In einem fast unglaublichen Maße ist das
Musikleben in NRW von ehrenamtlichem Engagement getragen. Das verbindet
sehr. Und das drückt sich in einer großen Zahl von Kooperationen
zwischen den Mitgliedern aus. Als Beispiel für vieles nenne
ich nur das Bündnis zwischen der Arbeitsgemeinschaft Laienmusik
und dem Landesverband der Musikschulen, das Musikvereine vor Ort
mit den ansässigen Musikschulen zusammenführt. Und mit
Unterstützung der Sparda-Kulturstiftung jetzt auch zu einem
interessanten Wettbewerb geführt hat. Es gibt viele weitere
Vernetzungen, viele davon sind vom Landesmusikrat gefügt worden.
Ich darf das so begeistert preisen, weil es vor meiner Zeit geschah.
Die wirkungsvolle Lobby-Arbeit besteht vor allem im Aufzeigen des
Bestehenden gegenüber der Politik. Es spricht für sich,
man muss es nur in die Politik transportieren.
nmz: Wie würden Sie das Profil des Landesmusikrates
NRW beschreiben?
von Zahn: Der Landesmusikrat NRW ist gemessen
an seiner Mitgliederstärke recht beweglich. Er sucht die Tuchfühlung
zu gesellschaftlichen Veränderungen. Sein Landeswettbewerb
„Jugend musiziert“ gehört zu den Landeswettbewerben,
die pilothaft neue Wertungen aus Rock, Pop, DJ-Kunst und Musik von
Migranten einführen und die Erfahrungen dann in den Bundeswettbewerb
einbringen. Er führt mit „Rock it“ einen eigenen
Rock-Wettbewerb durch, der zuletzt in Gronau sehr gut angenommen
wurde, auch mit Hilfe von WDR Eins Live. Für 2006/2007 haben
wir uns das Popleben in NRW als Arbeitsschwerpunkt vorgenommen.
Der Landesmusikrat ist zudem bodennah, er versucht mit Erlösen
aus der Oddset-Sportwette des Landes Breitenkultur über die
Mitgliedsverbände zu fördern. Die Mitgliedsverbände
leisten dabei großartige Arbeit.
nmz: Welche Perspektiven und Visionen haben Sie
als Geschäftsführer, welche speziellen Aufgaben und Schwerpunkte
sehen Sie für die künftige Arbeit Ihres Teams?
von Zahn: Meine Vision: Ein Nordrhein-Westfalen
mit einem Musikleben, das bei aller Vielseitigkeit soviel eigenständige
musikalische Substanz hat, dass das Land zu einer kulturellen Identität
findet. Bezogen auf den Landesmusikrat: Ich möchte die Fähigkeit
der Beweglichkeit stärken. Wir wollen der aktuellen Gesellschaft
zugewandt bleiben, Licht auf musikalische Genres und Szenen werfen,
die wir für zukunftsträchtig halten. Weiterhin gilt das
Augenmerk auf jeden Fall aber auch der Nachwuchsarbeit, unseren
Wettbewerben und Jugendensembles. Unsere sieben Wettbewerbe, die
sieben Jugendensembles als Anschlussmaßnahmen für die
Preisträger, aber auch die Projekte, die in die Breite wirken,
dienen dem Kulturleben von morgen. Wenn sich in den Jugendkulturen
neue Genres eröffnen, in denen anspruchsvoll gearbeitet wird,
müssen wir uns mitbewegen. Im Übrigen gilt: Das Präsidium
des Landesmusikrats gibt die perspektivischen Vorgaben, die Geschäftsstelle
macht dazu Vorschläge und setzt um.