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nmz-archiv
nmz 2006/03 | Seite 48
55. Jahrgang | März
Wortlaut
Wortlaut
Aushöhlung des Kulturauftrags
Rechtsanwalt und Bundesminster a.D. Gerhart Baum in einer Pressemeldung
vom 10. Januar 2006:
Gerhart Baum
Der wachsende Unmut und die öffentliche Kritik an der Aushöhlung
des Kulturauftrags durch den öffentlich rechtlichen Rundfunk
durch das Programm einiger Kulturwellen der ARD, vor allen dingen
des RBB in Berlin veranlasst mich zu folgenden Feststellungen und
Schlussfolgerungen: Die Kulturwelle des RBB erfüllt nicht mehr
den grundgesetzlich gebotenen Kulturauftrag. Sie verstößt
auch gegen Europäisches Wettbewerbsrecht. Diese Art der Programmgestaltung
entzieht dem öffentlich rechtlichen Gebührensystem die
Rechtfertigung.
Der RBB hat in einer öffentlichen Erklärung zum Ausdruck
gebracht, dass er das Programm dem allgemeinen Geschmack mehr anpassen
wolle. Dementsprechend hat das Programm seiner Kulturwelle bei drastischem
Abbau u.a. in den Bereichen der Neuen und Alten Musik erhebliche
Qualitätseinbußen erlitten. Die EU-Kommission wird zu
prüfen haben – eine solche Prüfung wird von meiner
Seite initiiert –, ob diese Entwicklung mit der Mitteilung
der Bundesregierung an die Kommission zur Rechtfertigung der Gebührenfinanzierung
von Mai 2005 noch im Einklang ist. Darin wird unter anderem die
Befriedigung der „kulturellen Bedürfnisse“ durch
den öffentlich rechtlichen Rundfunk als Abgrenzung gegenüber
den privaten Anbietern hingewiesen. Eine dementsprechende Ergänzung
des Staatsvertrags wird angekündigt.
Der RBB erfüllt mit dem Programm seiner Kulturwelle nicht
die verbindlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für
das öffentlich rechtliche Rundfunksystem. Das Gericht ist der
Meinung, dass die „besondere Eigenart“ des öffentlichen
Rundfunks – „namentlich seine Finanzierung durch Gebühren“
– erst durch die Erbringung solcher Programmteile ihre Rechtfertigung
findet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben.
Der öffentlich rechtliche Rundfunk findet diese Rechtfertigung
nicht schon darin, „dass sich jeweils möglichst viele
Menschen einschalten, sondern erst darin, dass er neben massenattraktiven
Sendungen auch anspruchsvolle kulturelle Sendungen“ mit „hohem
Kostenaufwand“ in seinem Programm hat, „die nur für
eine geringe Zahl von Teilnehmern von Interesse sind“.
Die Intendantin des RBB ist aufgefordert einen Kurswechsel vorzunehmen,
der auch dem kulturellen Anspruch der deutschen Hauptstadt Rechnung
trägt. Die vielfach geäußerte Kritik an anderen
Kulturwellen – vor allem des NDR, MDR und des HR sollte Anlass
für eine unabhängige sachverständige Begutachtung
sein, nachdem die Aufsichtsgremien diese Aufgaben offenbar nicht
wahrnehmen.