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nmz-archiv
nmz 2006/04 | Seite 47
55. Jahrgang | April
Oper & Konzert
Aller Guten Dinge sind Drei
Peter Konwitschny inszeniert den Fliegenden Holländer an
der Bayerischen Staatsoper
So wie bekanntlich jedem Anfang ein Zauber innewohnt, hat es auch
das Abschied Nehmen in sich. Es nimmt daher nicht wunder, wenn das
Ende der Ära Peter Jonas in München mit größter
Aufmerksamkeit rechnen kann. Wie so oft in bayerischen Gefilden
beginnt der Wechsel mit einem Stolperstein: da wollte der damalige
Kunstminister einen ganz besonderen Intendanten aus dem Hut zaubern
und schon hatte er sich verhoben und München wäre beinahe…
Mit viel Geld aber und Vorschusslorbeeren versehen hat man ein neues
Operngespann gefunden. Das Duo Nagano und Bachler kann beginnen,
wenn auch um ein Jahr verspätet.
Und da stellt sie sich ein, die typische Münchner Wehmut.
So wie damals bei Wolfgang Sawallisch, dem Treuesten der Treuen.
Zuletzt ausgebuht vom Publikum; dann aber, als es ihm genug war,
auf Händen und Tränen getragen. So auch jetzt. Die Erfolge
des Intendanten Jonas, der München wie kein Zweiter geprägt
hat, überstrahlen alle aufkeimende Kritik. Zwei Dinge sind
es, für die ihm das Münchner Publikum besonders dankbar
ist. Zum einen eine konsequente Weiterentwicklung des Repertoirespektrums,
die zur bekannten Münchner Barockblüte führte; zum
anderen aber die nachhaltige Sicherung der wirtschaftlichen Situation
des größten deutschen Opernhauses.
Dass Jonas den einmal eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende geht,
sieht man besonders an der Kontinuität seiner Regieverpflichtungen.
Neben einer starken britischen und amerikanischen Komponente ist
es vor allem der Namen Peter Konwitschny, der Entscheidendes in
München geleistet hat.
Zum dritten Mal, nach Parsifal und Tristan, hat sich Konwitschny
mit einem der großen Musikadramen Richard Wagners auseinander
gesetzt: Der fliegende Holländer in der durchgängigen
Originalfassung von 1843 sollte den Schlussstein seiner Operntrias
setzen. Wer das Schaffen Konwitschnys seit seinen Anfängen
in Halle und der intensiven Beschäftigung mit den Werken Händels
kritisch beurteilt, muss konzidieren, dass sich der Regisseur immer
auch mit der meta-musikalischen Ebene der Opern beschäftigt
hat. Es geht und ging ihm niemals nur um eine platte Aktualisierung
der Werke. Diese war höchstens ein Mittel um die dramatisch
ideologischen Fragestellungen einer besseren Allgemeingültigkeit
zuzuführen. Im Münchner Holländer ist dieser freie
Umgang mit Raum und Zeit in souveräner Meisterschaft zu beobachten.
Während das erste Bild in romantischer Seefahreratmosphäre
schwelgt, erleben wir Sentas Ballade im modisch aufgepeppten Fitnessstudio
einer scheinbar realen Gegenwart (Bühne und Kostüme: Johannes
Leiacker). Diese Dekonstruktion von Ort und Zeit soll hinführen
auf die Botschaft des Werkes. Wagner ist für Konwitschny einer
der ersten neuzeitlichen Warner, der immer wieder aufzeigt, wohin
es führt, wenn wir der Macht die Liebe opfern. Um dies überdeutlich
vorzuführen scheut sich der Regisseur auch nicht davor, in
musikalische Handlungsabläufe und Noten einzugreifen: In München
sprengt sich Senta in die Luft und die großen Schlussakkorde
knistern aus einem alten Grammophon. Endgültiger kann das Ende
nicht sein. Neben einer immer stimmigen Personenregie sorgen Adam
Fischer und das Bayerische Staatsorchester für eine durchgängige
musikalische Spannung. Juha Uusitalo (Holländer), Anja Kampe
(Senta) und Matti Salminen (Daland) beherrschen das Geschehen in
kongenialer Gleichwertigkeit. Der Chor der Bayerischen Staatsoper
unter Andrés Máspero sorgt für bravouröse
musikalische Aktion. Das Münchner Publikum bedankt sich bei
diesem Höhepunkt der Saison mit überwältigendem Applaus
und – selten genug – keinem einzigen Buh.